Eine modernisierte alte indische Weisheit, die auch uns leiten kann, lautet:
Säe ein Ziel und du erntest eine Tat,
säe eine Tat und du erntest ein Training,
säe ein Training und du erntest einen Fortschritt,
säe einen Fortschritt und du erntest einen Sieg.
Schlechte Marathon / 10 km-Faktoren
Bevor wir uns weiter mit der Übergewichtsproblematik beschäftigen, möchte ich noch einmal auf die schlechten Marathon/10 km-Faktoren zurückkommen, die doch so einige von uns mächtig plagen. So schrieb mir jemand, dass er einen Faktor von 5,09 hat und ganz unglücklich darüber ist, dass er seine Zeiten von 5 km bis Halbmarathon nicht auf den 42,2 km umsetzen kann.
Ein anderer Läufer berichtet, dass er locker 36:30 min über 10 km laufen kann, aber immer wieder an den 3 h über die Marathonstrecke scheitert. Gewöhnlich reichen 38 min auf 10000 m immer aus, um unter drei zu kommen.
Woran liegt das, dass zwar einige Leute die 3 h mit einer Zehnerbestzeit von 39 min unterbieten und andere es mit 36:30 nicht schaffen? Das kann einmal körperliche Gründe haben, Leute mit einem hohen Anteil von Ausdauermuskelfasern sind im Vorteil, gegenüber anderen mit mehr schnellkräftigen Fasern.
Ein entscheidender Faktor ist natürlich das Training, hierbei spielt die längste wöchentliche Trainingseinheit eine entscheidende Rolle. Es ist kein großes Problem einen Marathon mit Trainingseinheiten von maximal 30 km zu schaffen. Nur der 10/42,2-Faktor wird dann ziemlich mies sein. Mit andern Worten: Die oder der Trainierende verschenkt Leistungsmöglichkeiten aufgrund von nicht ausreichendem Trainingsumfang.
Es kann nicht oft genug betont werden: Es reicht keine Große Runde von 30 km um einen überdurchschnittlich guten Marathon zu laufen, es müssen 35 km sein. Das allein ist aber nicht genug, diese lange Strecke muss auch oft genug überholt werden.
10 x 35 Kilometer in der Marathonvorbereitung
Wer im Frühjahr eine guten Marathon laufen will, muss vorher 10-mal 35 km gelaufen sein. Dabei sollte zwischen diesen Läufen niemals mehr als eine Woche Pause liegen.
Durch diese langen Läufe kommt es durch die Neurekrutierung von Muskelfasern zu einer verbesserten Ausdauerleistung. Gefestigt und koordiniert werden diese Fasern durch die oftmalige Wiederholung. Leider ist es aber so, dass diese frisch rekrutierten Fasern auch schnell wieder ihre antrainierte Leistung verlieren. Wenn jemand mehr als 14 Tage Pause auf der langen Runde macht, dann legen sich dessen angelernte Ausdauerfasern wieder auf die Seite und pennen ein.
Fünf von den zehn 35-ern sollten mit Endbeschleunigung gelaufen werden: 3-6-9-12-15 km.
Wenn nach einer längeren Pause wieder mit der Langen Runde begonnen wird, ist das ähnlich wie ein Neuanfang. Es läuft nicht so recht und am Ende wird es schmerzhaft. Für uns haben diese Tatsachen ganz klare Konsequenzen in Bezug auf Wettkämpfe.
Von Dezember bis zum Frühjahrs-Marathon keine Wettkämpfe an zwei aufeinanderfolgenden Wochenenden.
Unsere so beliebten Winterserien sind in der Regel ja auch so terminiert, dass nur alle zwei oder 3 Wochen ein Wettkampf stattfindet. Das passt prima in die Marathon-Vorbereitung rein und ich befürworte die Teilnahme an Cross- und Straßenläufen im Winter uneingeschränkt. Durch sie bekommt man die Tempohärte und die Koordination für das wichtige 42,2 km-Rennen.
Immer wieder werde ich in dieser Zeit gefragt: "Ich möchte nächste Woche einen Wettkampf laufen, es werden 10 km und Halbmarathon angeboten. Was empfiehlst du mir?" Ganz klar den Halbmarathon!
Vor einem Frühjahrs-Marathon sollten unbedingt 2 Halbmarathons absolviert werden
Der Halbmarathon wird in einer ähnlichen Geschwindigkeit gelaufen wie ein 42,2 km-Rennen. Wer sein Training geschickt aufbaut, läuft das Winter-Halbmarathon-Tempo später im April/Mai auf der doppelt so langen Strecke durch. Ich erinnere mich an 1984, als ich meine Marathonbestzeit in Frankfurt lief. Dort war meine 25 km-Zwischenzeit mit 1:25:05 um 20 sec besser, als 4 Wochen vorher in einem 25 km-Rennen unter ähnlichen Bedingungen.
Noch ein Vorteil hat ein Halbmarathon, er eignet sich natürlich wesentlich besser als Ersatz für die nötigen wöchentlichen 35 km als ein Zehner. Vielleicht hat sogar ein schnell gelaufener HM einen größeren Trainingeffekt als ein langsamer 35-er.
Ein weiterer Grund für schlechte 10/42,2-Faktoren liegt im geistigen Ausstieg auf der langen Wettkampfstrecke verborgen. Jeder von uns, der in einen Marathon geht, hat ein Ziel und eine gewisse Bereitschaft für dieses Ziel zu kämpfen. Besonders die Kampfbereitschaft ist es, welche manchen von uns Probleme bereitet.
Geistiger Ausstieg
Wenn das vorher angestrebte Ziel im Rennen als nicht mehr erreichbar erscheint, geht die Kampfbereitschaft gegen Null. Die oder der Teilnehmer(in) fängt an zu joggen, sie oder er sehen es nicht mehr lohnenswert an, die für sie erreichbare, aber als unbefriedigend erkannte Zeit zu laufen. Ich nenne dieses Verhalten den geistigen Ausstieg.
Sehr gut sind diese seelischen Probleme in folgendem Brief eines weiblichen Greif-Club-Mitglieds zu erkennen:
Lieber Peter, mich hat wieder ein altes Problem am Erbringen meiner Leistung gehindert. Ich möchte dich daher nochmals um einen Rat bitten.
....der XX-Marathon fand am Sonntag bei besten Bedingungen statt. Vorgenommen hatte ich mir eine Endzeit von 3:26, gelaufen bin ich 3:36. Wettkampf ist für mich immer ein erheblicher Stress - auch vorher. Ich kann die Trainingsergebnisse nicht umsetzen. Sobald der Startschuss gefallen ist, beschäftige ich mich schon mit Ausreden, weshalb es diesmal wieder nicht geklappt hat. Alle guten Vorsätze sind vergessen und ich laufe nur noch so vor mich hin. Ich kann nicht dagegen ansteuern. Im Wettkampf habe ich überhaupt keinen Ehrgeiz. Wenn ich zum Beispiel überholt werde, stört es mich nicht. Die Zeiten werden von Beginn an immer langsamer. Ich kann auch dagegen im Rennen nicht ansteuern. Es bestätigt eher nur die in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen. Statt dessen habe ich mich gefreut, dass es mir so gut geht und ich überhaupt keine Probleme habe.
Es gelingt mir sehr selten in Wettkämpfen an die Quälgrenze zu laufen. Das gilt auch fürs Training. Meine Bestzeiten bin ich nur dann gelaufen, wenn ich einen Pacemaker hatte. Wettkämpfe bin ich in diesem Jahr nur im Frühjahr gelaufen. Ein HM und ein M. Kannst du mir Tipps für ein mentales Training geben oder wo liegen deiner Meinung nach die Probleme.
Es fiel mir nicht besonders leicht dieser Läuferin zu antworten, um sie zu motivieren, denn ihr Problem liegt ja in der sportlichen Grundstruktur. Aber dann hatte ich doch eine Idee:
Liebe XX, du hast leider das Problem, dass dir der Lohn für einen gut gelaufenen Marathon zu gering erscheint und der Ärger über einen vergeigten zu klein ist.
Zu diesen Motivationsschwierigkeiten rate ich dir zu dem Verfahren der großen Lippe! Lege dir für deinen nächsten Marathon ein Ziel fest, welches du aufgrund deiner Vorleistungen auch erreichen kannst. Du erzählst dann deiner gesamten Umgebung, auch deinen Arbeitskollegen, dem Kaufmann an der Ecke und sonst wem, dass du im kommenden Marathon z.B. eine 3:26 h laufen wirst. Je mehr Leuten du dieses Ziel mitteilst, desto schwieriger wird es für dich zu versagen.
Es ist ja nur dein Geist, der versagt, dein Körper kann es ja! Darum trickse ihn aus.
Mitte der 70-er Jahre hatte ich Probleme erstmals unter 2:30 h zu kommen; immer wieder klappte es nicht. Dann kam das oben beschriebene Verfahren zum Einsatz. Und ich habe mich sogar am Telefon damit gemeldet: "Hier ist der, der am 29.09.76 unter 2:30 h läuft!" Resultat 2:29:09 auf mieser Strecke und nicht idealem Wetter.