Macht das überhaupt Sinn? Diese und weitere Fragen stelle ich mir in den letzten Tagen bei meinen täglichen Runden. In der letzten Kolumne im April fragte ich euch, ob ihr das Ziel mehr liebt als den Weg oder umgekehrt. Die Frage habe ich für mich mit einem "ich liebe beides" beantwortet.
Letztendlich merke ich immer wieder, wie ich (zumindest bei unserem Beispiel mit dem Laufen) den Weg zum Ziel sehr genieße, also das Laufen selbst. Zumindest normalerweise. Normalerweise heißt in meinem Fall "vor der Schwangerschaft" oder "bevor alles anders wurde". Denn zugegebenermaßen hatte ich ja doch immer gewisse Ziele beim Laufen. Auch wenn diese nicht immer ehrgeizig oder wettkampfvorbereitend waren. Mein Ziel war es zum Beispiel 10 Kilometer zu laufen oder 1 Stunde lang zu laufen. Oder eine bestimmte Strecke von A nach B zu laufen.
Was jetzt anders ist
Egal, was ich mir momentan täglich vornehme, ich weiß eigentlich nie, ob ich mein gestecktes Ziel erreichen kann. Denn das ist komplett tagesformabhängig. Vielleicht habe ich einen guten Tag, dann geht alles und noch viel mehr. Vielleicht geht aber auch gar nichts, vielleicht kann ich noch nicht mal antraben. Das ist für mich gerade die größte Herausforderung. Ja na klar, ich setze mir gewisse Ziele. Aber immer mit der Einschränkung, dass es genau so gut sein kann, dass ich diese nicht erreiche. Neulich war so ein Tag:
Da wollte ich morgens meine 5 Kilometer gemütlich laufen gehen. Der Begriff "Laufen" ist vielleicht auch etwas übertrieben, eher locker joggen oder traben :-) Aber nunja, ich habe mir eben meine Sportklamotten angezogen und bin losgegangen. Als ich also dann auf meine Uhr drücke und antrabe, merke ich direkt, dass heute nicht mein Tag ist. ich pariere also direkt und überlege, was ich nun tun soll. Umkehren? Weitergehen? Etwas frustriert fühle ich mich schon, das muss ich zugeben. Außerdem war ich zu kalt angezogen, um einfach nur spazieren zu gehen. Also beschloss ich, einen flotten Gehschritt auszuprobieren. Das sollte doch zu schaffen sein. Und ja, flott gehen ging. Das wiederum war für mich eine große Erleichterung, so konnte ich meine Strecke trotzdem machen. Mein Ziel konnte ich also erreichen, wenn auch anders als gedacht. Ich brauchte eben entsprechend länger. Aber die Zeit war auch nicht weiter relevant für meine Runde.
Gemütlicher, langsamer, aber auch irgendwie achtsamer und stiller. Diese gemütliche Runde schenkte mir außerdem Raum und Zeit für die Gedanken, der mich jetzt diese Zeilen schreiben lässt. Der Gedanke daran, dass es vielleicht doch wichtiger ist als gedacht, sich Ziele zu setzen. Und gleichzeitig ist es dann vielleicht die Lösung, die Ziele entsprechend an die Situation anzupassen.
Ziele anpassen ?
Ich kann mir schon vorstellen, dass einige von euch jetzt die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Ziele anpassen, wieso-weshalb-warum?! Wenn wir zum Beispiel einen Trainingsplan nehmen und ihr verändert ständig eure Ziele, dann hat dieser vermutlich wenig Sinn. Aber vielleicht geht es auch nicht darum, ständig alle Ziele zu verändern, sondern eben darum, dass wir unser großes Ziel vor Augen haben und den Weg in die entsprechende Richtung einschlagen. Denn das ist glaube ich das Wichtige. Dann können wir auch noch den ein oder anderen Haken schlagen oder Schlenker oder Umweg. Wenn wir es schaffen, das große Ganze zu betrachten ist ein Umweg gar nicht weiter relevant.
Wenn unser persönliches Ziel ist, einen Marathon so schnell wie möglich zu laufen, dann müssen wir eben vor allem anfangen, zu trainieren. Und wenn ich eine ambitionierte Zeit laufen möchte muss ich natürlich auch sehr ambitioniert und diszipliniert dafür trainieren, keine Frage. Aber wenn wir es eben dann doch nicht jeden Tag schaffen zu trainieren, dann werden wir den Marathon trotzdem laufen können... Nur eben etwas langsamer. Anders eben.
Mein persönliches aktuelles Beispiel: Mein großes Ziel vor Augen: Möglichst fit, gesund, munter und gut gelaunt die Schwangerschaft erleben. Das hört sich natürlich erstmal klasse an und vielleicht hört es sich auch einfacher an, als es tatsächlich ist? Denn zuallererst sollte ich wohl für mich persönlich definieren, was das denn nun für mich bedeutet... Es heißt zum Beispiel, mich gesund zu ernähren, mich weiterhin möglichst viel bewegen, ... immer noch zu abstrakt?!
Anfangs dachte ich "5-10 Kilometer täglich laufen" sollten drin sein.
Das war nicht der Fall. Zwischenzeitlich konnte ich gar nicht mehr laufen, dann ging es wieder erstaunlich gut, nun geht es tagesformabhängig mal ganz gut, mal weniger. Was auf jeden Fall klar ist, ich werde langsamer und das Bewegen fällt mir schwerer. An 10 Kilometer ist laufend nicht mehr zu denken. Aber immerhin 5 Kilometer. Im Watschel-Trab. Das ist ein Kompromiss- ok. Und der Effekt ist trotzdem da, ich habe das Gefühl, ich bewege mich und halt mich fit. So fit wie es mir eben gerade möglich ist.
Denn was nicht geht, geht eben nicht
Grundsätzlich habe ich Grund zur Annahme, dass unser Körper schon weiß, was er tut. Dazu müssen wir ihm natürlich zuhören. Und ich gebe gerne zu, dass ich mich darin noch üben darf. Auch deswegen ist die Schwangerschaft für mich sicherlich eine bereichernde Erfahrung... Und positiv gesehen: Was gibt es für eine bessere Regeneration und Auszeit für den Körper?
Und die Moral von der Geschicht'?
Ziele vor Augen zu haben ist wohl doch wichtiger als ich dachte... Allerdings können und sollten vor allem die Zwischenziele variabel verschiebbar und anpassbar sein. Solange wir nicht die grundsätzliche Richtung - unser größeres Ziel - aus den Augen verlieren!
Was nicht geht, geht eben nicht! Aber: Ziele vor Augen zu haben ist wohl doch wichtiger als ich dachte... Allerdings können und sollten wir bereit sein, die Zwischenziele variabel zu verschieben und anzupassen. Solange wir die grundsätzliche Richtung - unser größeres Ziel - klar vor Augen haben!
In diesem Sinne, hört auf euren Körper und lauft, was das Zeug hält!
Eure Hanna
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