Dieser Tage schrieb mir ein Greifclub Mitglied: „Ich soll in der Regenerationszeit im Juli mindestens zweimal eine 35 Kilometer-Runde laufen. Ist das nicht zu viel, wo wir doch vorher nur 20 bis 25 Kilometer trainiert haben?“
Dazu muss man wissen, dass dieses Mitglied vorher nach einem Halbmarathonplan trainiert hat und es nun im September den Berlin-Marathon bestreiten möchte. Das bedeutet, dass er nach Ende der Regeneration Anfang August sofort mit 35 Kilometer und der dann anstehenden Endbeschleunigung trainieren muss.
So eine Leistung ohne Vorbereitung wird er kaum ertragen können. Es wird ihm wohl die Tränen in die Augen treiben. Wenn er aber in der Regeneration zwei bis dreimal völlig entspannt die 35 läuft, dann hat er im Grunde genommen kein großes Problem, wenn es losgeht mit der unmittelbaren Marathonvorbereitung.
Der Betroffene argumentiert dann aber, dass sich der Schreiber dieser Zeilen widerspricht. Denn der war ja derjenige, der ihm die Regeneration angeordnet hat. D.h. mit anderen Worten, dass er meint langsam gelaufene 35 Kilometer sind keine Regeneration.
Und da irrt er leider. Aus eigener Erfahrung kann ich ganz klar sagen: "Man kann sich auch mit einen 35 Kilometer-Lauf einmal pro Woche regenerieren!" Das Wichtigste ist, dass man sich absolut keinen Druck macht und ganz entspannt läuft.
Trotzdem gibt es einen sehr guten Trainingseffekt und eine Gewöhnung an die lange Runde. Die beiden Professoren Hottenrott und Neumann beschreiben zum Beispiel auf der Seite von Dr. Loges dazu:
"Echtes" Fettstoffwechseltraining erhöht das Leistungs-potenzial
vEin "echtes" Fettstoffwechseltraining zielt auf eine Erhöhung des aeroben Leistungspotenzials, wobei mehr freie Fettsäuren zur Verfügung stehen. Bei einem hohem aeroben Leistungsniveau, in dem Laktat erst bei höheren Geschwindigkeiten gebildet wird, werden mehr freie Fettsäuren verstoffwechselt. Dazu ist aber eine Anpassung in den Muskelzellen nötig.Durch das Training vergrößern sich die Kraftwerke in den Muskelzellen, die Mitochondrien. Sie sind dann besser in der Lage, unter Sauerstoffzufuhr die freien Fettsäuren und die Glukose in Energie umzuwandeln. Zusätzlich werden mehr Triglyzeride in der beanspruchten Muskulatur gespeichert. Zu einer Anpassung im Fettstoffwechsel kommt es aber erst nach einem mehrmonatigen Ausdauertraining.
Gut trainierte Ausdauersportler verstoffwechseln mehr freie Fettsäuren während der Belastung als Untrainierte oder Sportler der Nichtausdauersportarten. Voraussetzung für das Fettstoffwechseltraining sind bei Leistungssportlern Belastungen von über 90 Minuten Dauer, die zu einer Verknappung des Glykogens (tierische Stärke) führen.
Für einen optimierten Fettstoffwechsel braucht ein Ausdauerleistungssportler ein mehrjähriges Ausdauertraining. Dabei sollte die Belastungsintensität einen Laktatwert von 3 mmol/l nicht überschreiten. Für Anfänger genügen bereits Ausgangsbelastungen von über 30 Minuten Dauer.“
Dieser Text ist natürlich Wasser auf den Mühlen, denn ich empfehle seit Jahren immer und immer wieder die langen Runden zu laufen, um das vorhandene Potenzial auszuschöpfen. Dennoch bestellen oft genug Läufer und Läuferinnen bei uns einen zwölf Wochenplan zur Marathonvorbereitung.
Ich halte das für eine Geldverschwendung, weil ein isoliert eingesetztes Marathontraining über zwölf Wochen zwar auch Erfolg bringen kann. Aber ein Jahresaufbau mit wechselnden Intensitäten und Umfängen, Regenerationszeiträumen, sowie die jetzt hier angesprochene Sommerregeneration ist deutlich wirkungsvoller.
Es ist zu garantieren, dass man mit dem Verfahren des längeren Aufbaus mit Höhen und Tiefen erheblich mehr Erfolg haben wird, als mit dem Durchpeitschen des isolierten zwölf Wochenplans.
Und da gibt es noch einem Punkt, vor dem ich warnen muss. Einen Fehler, den ich erst ganz spät erkannt habe, durch ein Gespräch wiederum mit einem Greifclub-Mitglied. Dieser Mann berichtete mir, dass er im Marathon- und auch im Halben kaum weiter käme.
Und das obwohl er jede lange Runde schneller gelaufen sei als die Vorgängerrunde. Als es dann aber zum Knacken in den Wettkämpfen kam, so berichtete er, fühlte er sich immer schlapp und nicht frisch.
Mir war natürlich sofort klar, dass er seine Kräfte schon im Training verschlissen hatte. In der Vorbereitungszeit müssen, wie weiter oben auch beschrieben, die 35er entspannt gelaufen werden, um dann mit der entsprechenden Ausgeruhtheit in die letzten sechs Wochen vor dem Marathon zu gehen.
In der Zwischenzeit "erwischte" ich mehrere solcher Läufer, die an mangelnden Erfolgen litten, obwohl sie es doch so gut gemeint hatten. Du solltest auch einmal über dich nachdenken, ob du dich in deinem Training ähnlich verhältst und eventuellerweise auch schon einmal in diese Falle gefallen bist.
Wenn ja, dann kannst du alles noch korrigieren: Immer schön ruhig im Vorbereitungszeitraum und wenn es dann auf die letzten acht Wochen geht, draufhauen dass der Kies spritzt und Holger Angst bekommt.