Neulich war ich wieder einmal in dem Laufshop meines Vertrauens. Ich wollte ein neues Shirt für einen befreundeten Läufer kaufen. Während des Verkaufsgespräches fiel mehrfach der Begriff „ambitionierter Läufer“. Im ersten Moment dachte ich nicht weiter darüber nach, aber auf dem Heimweg machte ich mir dann doch meine Gedanken...
Was zeichnet eigentlich einen ambitionierten Läufer aus? Sind es die immer wieder neuen Bestzeiten, der er hinterher hechelt? Oder sind es die stilistisch, bunten Laufklamotten, die eine fantastische Zielzeit versprechen?
Früher hieß es immer, wer die Marathonstrecke nicht unter vier Stunden schafft wäre kein richtiger Läufer, verächtlich eher ein Jogger. Marathonläufer mit einer Bestzeit unter drei Stunden wären besonders ambitioniert. Ich bin jetzt schon viele Jahre im Laufsport daheim und sage, das ist totaler Blödsinn. Jeder Läufer hat seine eigenen Ambitionen und das ist gut so. Ist der Marathonläufer, der beim letzten Rennen seine angesetzte Zielzeit um eine Minute verfehlt hat, ein ambitionierterer Läufer als der übergewichtige Laufanfänger, der es nicht geschafft hat fünf Minuten am Stück durchzulaufen?
Die Laufszene ist im Wechsel! Gesundheit statt Bestzeit steht im Fokus des Läufers. Die großen Laufveranstaltungen dieser Welt verlieren immer mehr den Spitzensportler mit traumhaften Bestzeiten und der Breitensportler findet sich im Block mit dem größten Starterfeld wieder. Verwandte und Freunde feuern ihn an und er ist glücklich, wenn er ohne gesundheitliche Probleme die Ziellinie überquert. Was ist daran falsch? Haben wir nicht in Beruf und Freizeit genügend Stress? Ist es verwerflich beim Laufsport einfach nur mal so ein Bein vor das andere zu setzen, ohne falschen oder nicht zu erreichenden Zielen hinterher zu träumen? Was sind eigentlich Ambitionen? Im guten alten Brockhaus ist nachzulesen: höher gestecktes Ziel, das jemand zu erreichen sucht, wonach jemand strebt oder ehrgeiziges Ziel.
Natürlich freue ich mich für die Sportler, die als erstes über die Marathon Ziellinie laufen und ihr Ziel erreicht haben, aber genauso freue ich mich auch, wenn Opa Willi mit 70 Jahren beim parallel laufenden 10 Kilometer Rennen die Ziellinie finisht. Wenn wir mit unserer Laufgruppe durch die Harzer Berge laufen und ein interessantes Gespräch die Laufrunde erheitert, bin ich für meine Person genauso glücklich, als wenn ich beim Intervalltraining meine in mich gesetzten Ziele erreicht habe.
Also lasst uns weiter unsere Ambitionen haben. Jeder für sich und jeder die seinen. Lauft des Laufens wegen und vergesst nicht den entgegenkommenden Läufer zu grüßen, es könnte auch ein ambitionierter Läufer sein. Genau wie Du.
Bernd Schwarz, Lauftherapeut DLZ