Führst Du eigentlich ein Tagebuch? Natürlich meine ich ein Lauftagebuch. Oder übernimmt das für Dich der Computer? Ich trage meine Einheiten in ein tabellenförmiges Lauftagebuch ein. Dort stehen die Kilometer und die Geschwindigkeiten. Wiederum andere Läufer ergänzen hier noch diverse andere Aspekte wie z. B. die getragenen Schuhe, Temperatur, Wind, Streckenprofil etc.
Ab und an schaue ich dann, wie ich eine Trainingseinheit in den vergangenen Jahren so gewuppt habe, was dann zu entsprechender Zufriedenheit oder eben nicht führt. Dann frage ich mich manchmal, wie die sonstigen Rahmenbedingungen wohl waren, an die ich mich natürlich nicht mehr erinnern kann. Aber selbst wenn ich das alles zusammentragen würde… Was würde es helfen.
Ist es eigentlich gut, das alles so zu vergleichen oder gilt das alte Zitat: „Der Vergleich ist das Ende des Glücks.“? Schwer zu sagen, gerade für uns Läufer.
Je nachdem, welche Mentalität wir haben, kann natürlich solche eine vergleichende Vorgehensweise beim Training auch einen nicht dienlichen Druck aufbauen. Vor allem, wenn man der Meinung ist, man müsse stets mehr und schneller trainieren als in den letzten Jahren, weil sonst natürlich keine Verbesserung möglich ist. Aber Läufer, die so gestrickt sind, kennen wir natürlich nicht, oder? ;-)
Also ich bin ganz entschieden der Meinung, dass die Vergleichbarkeit für uns sehr wichtig ist und gute Hinweise geben kann, wenn wir nur richtig damit umgehen. Insbesondere meine ich damit auch, dass wir uns nicht nur fragen, wie eine einzelne Einheit, ein Wettkampf oder eine Woche aussahen. Sondern wir müssen das ganze auch eingebettet sehen in die Gesamtentwicklung.
So zum Beispiel auch die Frage, wohin das in den vergangenen Jahren geführt hat bzw. was dem vorausging…
Habe ich vor 2 Jahren aufgrund der Witterungsverhältnisse 3 Wochen lang kein Tempo trainiert, konnte ich die Tempoeinheiten in der 4. Woche erholter angehen. Dieses Jahr habe ich unter Umständen bereits drei harte Trainingswochen in den Beinen, die Energie geraubt haben.
Habe ich vor 3 Jahren in der Vergleichswoche deutlich bessere Leistungen gebracht, war ich vielleicht in einer allgemein besseren Form. Hat diese denn auch so lange gehalten, wie gewünscht, oder kam später dann eine Phase der Schwäche?
Hatte ich vor 4 Jahren unter Umständen einen anderen Wettkampfhöhepunkt geplant und deshalb bewusst auf einem anderen Level trainiert?
Wie Du siehst, ist das Vergleichen natürlich interessant und hilfreich, jedoch auch eine Kunst. Es kann Dir helfen, in dem es Dir Orientierung und Bewertung bietet. Nimmst Du es zu genau, kann es Dich aber auch verunsichern und in die Irre führen.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, was Peter Greif in seinen Ausführungen zur Mutter aller Marathonpläne (Countdown) hierzu geschrieben hat:
„In früheren Jahren habe ich versucht, die Einheiten möglichst phantasievoll zu gestalten. Das erschien mir sinnvoll, um eine Eintönigkeit im Plan zu vermeiden. Heute weiß ich aber, dass jeder Läufer geradezu süchtig danach ist, seine Leistungsentwicklung auch im Training zu erkennen.“
Oha, ist das so? Sind wir so? Ich denke, ein wenig ist es schon so, vor allem, wenn es gut läuft. Ansonsten… :-)
Was die Greif-Trainingspläne betrifft, die aktuell erstellt werden, halte ich es gerade für eine große Stärke, dass sie das richtige Maß treffen. Sie geben anhand von wiederkehrenden Standardeinheiten eine gute Orientierung zu Deinem Leistungsstand und Deiner Entwicklung. Andererseits sind aber genügend Einheiten dabei, die sich nicht eignen, um exakte Vergleiche und Prognosen vorzunehmen. Und sei es, weil sie zu den zahlreichen neuen Trainingseinheiten gehören, die sich stets zu den Klassikern gesellen.
Die sonst bestehenden Möglichkeiten, sich der Vergleichbarkeit zu entziehen, sind uns ja auch allen bekannt. Dazu gehören neue und vor allem profilierte Strecken genauso wie z. B. Experimente mit Ernährung bzw. Vorbelastungen und noch vieles mehr. Einen (für mich) ganz neuen Trick habe ich z. B. unlängst angewendet, um meinen Kopf während einer Tempoeinheit kurzfristig zu überlisten. Ich habe einfach die geplante Tempospanne für das Training umgerechnet und die Uhr auf Meilengeschwindigkeit umgestellt. Ging sehr flott. Natürlich sah ich trotzdem, ob ich schneller oder langsamer lief, ich hatte nur nicht das Gefühl dafür, wie heftig die Abweichungen tatsächlich sind. Das war z. B. eine ganz hilfreiche Erfahrung. Kann man nur nicht allzu häufig anwenden, weil sich ja rasch auch hier ein Gefühl für die Werte ergibt.
Am Ende aber bleibt wohl festzuhalten, dass wir vor der Vergleichbarkeit nur situativ fliehen sollten und uns vielmehr darin üben sollten, ihr ins Gesicht zu sehen. Allerdings nicht allzu grimmig, sondern wie uns der Meister stets lehrte: Mit einem Lächeln!