In der letzten Woche war an dieser Stelle die Rede über die Erweiterung des Trainingsumfangs. Dazu gehört natürlich auch die Anhebung der Anzahl der Trainingseinheiten. Darüber habe ich schon einmal geschrieben und der dortige Text ist immer noch brandaktuell:
"Hilfe, ich komme nicht mehr weiter!" Das war der Tenor eines Anrufs eines Clubmitglieds, welches um Rat wegen seines Trainings anfragte. Dieser Mann, nennen wir ihn einmal Dieter, läuft in der M55 auf einem hohen Niveau und spürt jetzt, dass er wohl das "Ende der Fahnenstange" erreicht hat.
Dieter bat mich nun, ihm zu erklären, wie er mit mehr Umfang oder Tempo seine Leistung doch noch steigern kann. Er hatte sich schon einige Szenarien ausgedacht, die er vorlegte und nachfragte was ich denn davon hielt.
Was er plante war alles machbar, aber am Rande der Legalität gegenüber seinem Körper. Dabei hatte er aber mit der Erhöhung der Anzahl der Trainingseinheiten das entscheidende Mittel zur Leistungssteigerung vergessen.
Nichts wirkt stärker als die Steigerung der Anzahl der Trainingseinheiten!
"Ja aber, ich trainiere doch schon siebenmal in der Woche." Das ist die häufige stereotype Antwort in solchen Gesprächen. Kaum jemand will sich vorstellen, dass er zweimal am Tag trainieren kann. Das liegt wahrscheinlich daran, dass angenommen wird, es müssten gleich 10 - 20 km sein. Nein, es reichen auch oft schon 3 km als zweite Einheit, um eine Leistungssteigerung zu erzielen.
Es muss auch nicht an jedem Tag eine zweite Einheit absolviert werden. Es reicht für den Anfang erst einmal, an einem Tag der Woche zweimal zu trainieren. Mein eigener Einstieg in das zweimalige tägliche Training, war eine Abend- nach der Morgeneinheit am Sonntag.
Nach dem ich von 1977 bis 1980 aufgrund einer Erkrankung gar nicht laufen konnte, startete ich 1981 wieder durch. Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, aber ich glaube, dass es mir möglich war schon 1982 wieder unter 2:30 h im Marathon zu laufen.
Es folgten dann mehrere 42,2 km-Rennen mit 2:29 h. 1983 trainierte ich dann an drei Tagen zweimal täglich. Und zwar lief ich an diesen Tagen morgens nüchtern 9,5 km eine ganz gemütliche flache Runde. Das war herrlich. Ohne jede Anstrengung durch Wald und Feld laufend hing ich meinen Gedanken nach und kam fast erholt zurück ins Büro.
Es passierten dabei ganz verrückte Sachen, denn ich lief so in mich versunken, dass ich am Ende der Einheit nicht mehr wusste ob ich bestimmte Streckenteile auch durchlaufen hatte. Es war ein Gefühl in anderen Sphären zu laufen. Heute weiß ich durch Uli Strunz, dass diese Einheit eigentlich eine Meditation war.
Auch Rüdiger B., ein Läufer aus unserer Stadt trainiert ab dem Frühjahr zweimal täglich. Er startet nüchtern um 5 Uhr 30 und so wie er es beschreibt, ist das am Anfang in der Dunkelheit nicht gerade ein Genuss. Aber er meinte, dass man sich sehr schnell daran gewöhnt und ebenso schnell kommt im Zeitverlauf dann auch die Sonne schon bald hoch.
„Es ist mir im jeden Jahr ein beglückendes Erlebnis, wenn ich auf den Rückweg meiner Runde gegen Osten zum ersten Mal im Jahr die Sonne aufgehen sehe. Jeden Tag gibt es etwas Neues im Feld und Wald, besonders in dem Areal um „Winkelsmühle“ mit seinen so wunderbaren Wechsel von Teichen, Sumpf, Wald und offenen Flächen. Das kann dich richtig süchtig machen,“ so der 50-jährige mit einem Marathonrekord von 2:55 h.
Ich selbst organisierte die Sache etwas anders, in dem ich erst einmal das Nötigste im Büro weg arbeitete und so gegen zehn Uhr los lief. Der Zeitrahmen war so organisiert, dass ich vom Aufstehen vom Bürostuhl, Umziehen, dem Training, bis hin zum Duschen und dem abermaligen Umkleiden, nach genau einer Stunde wieder am Arbeitsplatz saß.
Und dieses zusätzliche Training wirkte. In dem Jahr konnte ich mich auf 2:27 h steigern. Nun, so dachte ich, wenn dreimal zusätzliches Training pro Woche dich so schnell nach vorne bringen können, dann müssen sechsmal noch stärker wirken.
Im Februar 1984 erhöhte ich dann die Trainingsfrequenz auf dreizehn Mal die Woche. Und das haute dann so richtig rein. 1984 lief ich zweimal eine 2:24 h.
Bei diesem damaligen Training passierte Denkwürdiges. Wir hatten in der LG Seesen eine große hochleistungsfähige Jugendgruppe. Und speziell die männlichen A-Jugendlichen hatten ein Großziel, welches sich in dem Wunsch ausdrückte, den Trainer einmal im Rennen zu "zersägen".
Da dieser Trainer nun aber auch schon morgens trainierte, lauerten sie mir in den Ferien an jeder möglichen und unmöglichen Ecke auf, um mit mir, wie sie angaben, ein paar km mitzulaufen. Heute weiß ich, dass sie, wenn sie sich wieder von mir trennten, immer noch weiter liefen, um unbedingt genau solange zu trainieren, wie ich es tat.
Der einzige Bereich, in dem sie mich in Frieden ließen war die "Lange Runde". An die trauten sie sich nicht heran und ich wollte natürlich auch unter allen Umständen vermeiden, dass sie als Jugendliche schon solche langen Strecken liefen. So malten wir die Anforderungen dieser Runde in möglichst schwarzen Farben.
Aber wie das so ist mit den Jungs, suchten sie sich andere 35 km-Runden. Und trotz Trainingsverbot am Samstag liefen sie auch an diesem Tag. In unserer Laufgruppe mit ihren fast 100 Mitgliedern entwickelte sich eine schier unglaubliche Dynamik, die besonders bei den Jugendlichen weder zu lenken noch zu kontrollieren war.
Niemand gönnte dem anderen den zusätzlichen km und die Tempoläufe auf der Bahn waren reine Schlachten. Aber der Erfolg war da. Wir sammelten Titel und Bestzeiten wie Nüsse im Herbst.
Aber zurück zum zweimaligen Training pro Tag. Natürlich probierten wir auch aus am Tag der Langen Runde zweimal auf die Piste zu gehen. Leider oder dem Himmel sein Dank, gelang es uns nicht diese Belastung durchzustehen.
Speziell ich, war nach dem doch so leichten Morgentraining nicht mehr in der Lage am Nachmittag die 35 km in der nötigen Intensität zu bestreiten. Vielleicht lag es auch daran, dass ich damals schon über 40 Jahre alt war und die Runde mit ihren 700 hm nun nicht gerade leicht war.
Und da der Trainer es nicht machte, verzichteten alle anderen am Samstag auch auf die zusätzliche Morgenrunde. Im nächsten Jahr ging es weiter mit dem Doppeltraining. Im Frühjahr war ich leicht verletzt, dafür aber im Herbst in einer absoluten Spitzenform.
Die Trainingszeiten waren grandios und so beschloss ich beim Berlin-Marathon 1985 auf eine Zeit von 2:19 h anzugehen. Ganz in der Tiefe meiner Seele glaubte ich aber nicht, dass ich diese Zeit laufen könnte. So kam es dann auch. Bis 15 km konnte ich den 3:20 min/km-Schnitt halten und dann war Schluss mit lustig.
Es kam noch eine 2:27 h heraus und mit meinem professionellen Amateurtraining war Schluss. 42 Jahre alt und mit Job und Trainertätigkeit am Hals, sah ich keine Chance mehr das Niveau zu halten, viel weniger noch es zu steigern.
Diese Dinge waren und sind vorbei, heute haben schon junge Männer bei dreimaligem wöchentlichem Training Angst sich "den Hals abzudrehen". Noch vor 10 Jahren bin ich bei solchen Ideen fast ausgeflippt, aber nun altersmilde geworden, habe ich resigniert und akzeptiert, dass man die alten Zeiten im doppelten Sinne des Wortes nicht zurückholen kann.
Die Masse der Läufer(innen) will nur ihren Spaß haben und nicht das aus sich herausholen, was in ihr steckt. Ein anderer Teil möchte gern, hat aber unter geänderten gesellschaftlichen Bedingungen nicht die Zeit ein Umfangstraining auf sich zu nehmen.
Aber es findet sich doch hinter jedem Berg ein tapferes Häuflein, welches sich gegen den Trend stemmt, trainiert und siegt. Und mit diesen Menschen arbeite ich jetzt zusammen und freue mich über deren Erfolge.
So möchte ich nachfolgend für dich auch darstellen, wie du am besten in das zweimalige tägliche Training einsteigst, einen maximalen Erfolg damit erzielst und dich nicht verletzt.
Erst einmal solltest du mit dir selbst klar kommen, denn wenn du planst doppelt zu trainieren, kommt oft die Idee, dass du dazu keine Zeit hast. Verwirf diese Idee, die Zeit 3 - 5 km zusätzlich zu laufen hat praktisch jeder.
Und ich verspreche dir: so ein langsames Training ist absolut erholsam und du wirst dich danach großartig fühlen, egal zu welcher Tageszeit du es absolvierst. Wenn die Familie mault, trickse sie aus. Wenn ich früher nach einem langen Arbeitstag spät nach Haus kam, dann gab ich an ins Bad zu gehen.
In Wirklichkeit lief ich raus und drehte ein 3 km-Runde so schnell es ging. Das kostete mich mit duschen weniger als eine viertel Stunde. Meine Frau bemerkte meist überhaupt nicht, dass ich draußen war.
Damit etwas Ordnung in diesen Text kommt, fasse ich hier noch einmal zusammen:
1. Das wichtigste Element zur Leistungssteigerung ist die Erhöhung der Anzahl der Haupteinheiten.
2. Kann diese Anzahl nicht gesteigert werden, können regenerative Einheiten am Morgen zwischen 3 und 10 km trainiert werden.
3. Die Anzahl der zusätzlichen km und der Einheiten sollte jedes Jahr gesteigert werden.
4. Wenn du noch jung bist (unter 40 Jahre) solltest du deine Entwicklung langfristiger auslegen und in einem Jahr nur die Anzahl der Morgeneinheiten steigern und im nachfolgenden Jahr dann den Umfang.
Du kannst dich im groben Rahmen nach dieser Tabelle richten.
Nun bleibt nur noch ein Frage offen: An welchen Tagen soll denn zweimal trainiert werden? Allgemein wird angenommen, dass die Morgeneinheiten besonders gut an ruhigen extensiven oder regenerativen Tagen zu absolvieren sind.
Die Praxis hat aber gezeigt, das Tempoläufe besonders gut "flutschen", wenn am Morgen vorher schon einmal trainiert wurde.
Du wirst sehen, das Morgentraining wird dir besonders im Sommer viel Spaß machen. Probiere es aus, es bringt dich nach vorn.
Gestatte mir noch einen Hinweis: zweimaliges tägliches Training erfordert auch die gleiche Anzahl von Duschbädern. In dem von meiner Mutter anerzogenen Sauberkeitswahn, seifte ich mich bei jedem Bad ein, um imaginären Schmutz oder auch Schweiß abzuspülen.
Das bekam aber meiner Haut überhaupt nicht. Ausschläge und Schuppenflechte waren die Folge. Heute ist mir bewusst, dass die ständige Entfettung der Haut mit Duschegel oder Seife für diese überaus schädlich war.
So rate ich dir, nach dem Training nur kurz mit mäßig warmen Wasser abduschen und nur einmal in der Woche die oben beschriebenen Reinigungsmittel zu nutzen. Deine Haut wird es dir danken.