In letzter Zeit habe ich meine 5 jährige Tochter besonders intensiv beobachtet. Es ist eine wahre Freude zuzusehen wie sie völlig ausgelassen durch die Gegend springt, hüpft, rennt, tanzt oder mit dem Rad um die Ecken zischt. Es braucht keinen Anstoß von außen oder das Überwinden des inneren Schweinehundes. Der Bewegungsdrang und die Energie dafür ist ganz natürlich da und wird immer und überall ausgelebt und eingesetzt bis vor völliger Erschöpfung die Augen zufallen.
Zugegeben, nicht immer ganz einfach für mich alten Sack. Aber damit sind wir auch schon beim Punkt. Mit "Grausen" denke ich ans nächste Jahr. Da kommt sie zu Schule und der Wahnsinn des stundenlangen Sitzens beginnt. Etwas, wofür wir von der Natur nicht geschaffen sind.
Oft frage ich mich, wo dieser kindliche Bewegungsdrang und die unendliche Energie bei vielen von uns geblieben ist. Er muss wohl irgendwo zwischen Schule, Ausbildung und Bürojob auf der Strecke geblieben sein. Wir sitzen morgens beim Frühstück, dann im Auto oder den öffentlichen Verkehrsmitteln auf dem Weg zu Arbeit (zwischen unendlich vielen Menschen mit hängenden Mundwinkeln), 8 h oder länger im Büro, auf dem Weg nach Hause, wieder beim Essen und abends auf dem Sofa. Zwischendurch sorgen wir mit viel Stress und wenig Entspannung dafür, dass unsere Hormone verrückt spielen. Wie z.B. das Testosteron, Symbol für inneren Antrieb, Lebensenergie, Spaß und Lebensfreude. Um nur mal eines der Wichtigsten zu nennen. Ergebnis sind Müdigkeit, Lustlosigkeit und Antriebslosigkeit.
Wohl dem, der sich dann noch aufraffen kann zum Training. Egal ob zum Laufen, Radfahren, Schwimmen, Krafttraining, … Dazu vielleicht noch zu einem in gewissem Maße leistungsorientierten Training.
Ich hatte ja im Sommer im Newsletter angekündigt, selbst ein Trainingsprojekt zu starten. Es ging darum, 30 Jahre nach meinem Beginn als Läufer mit vielen intensiven und ganz erfolgreichen Jahren nochmal durchzustarten. Dies unter Berücksichtigung, dass mein letzter ernsthafter Wettkampf 7 Jahre zurückliegt und ich mich seitdem auf 30 min tägliches Joggen verlegt habe. Sollte es möglich sein, den Schalter umzulegen und mich zu motivieren, mit meinen 55 Jahren täglich nochmal ein umfangreicheres und forderndes Training zu absolvieren?
Über den Verlauf meines bisherigen Trainings werde ich im nächsten Newsletter eingehen. Es gab nämlich auch für mich einen kleinen Rückschlag. Was die Motivation angeht, kann ich die oben gestellte Frage klar mit ja beantworten. Nachdem ich mir das Ziel einer 10 km Zeit von unter 36 min gestellt und dieses öffentlich gemacht hatte, gab es kein zurück mehr. So war ich seit Mitte August mit 4 Ausnahmen täglich zum Training unterwegs.
Es ist nicht so, das ich wenig zu tun hätte. Im Gegenteil, hier in der Firma ist reichlich zu tun. Natürlich immer alles dringend und sofort zu bearbeiten. Trotzdem zieht es mich nahezu täglich raus. Manchmal früh um 5:30 Uhr, manchmal in der Mittagspause und manchmal abends 21 Uhr. Bei meiner derzeitigen Motivation stelle ich mir manchmal die Frage, ob dies schon Züge einer Sucht sind. Dann schaue ich meine Tochter an und weis wieder: nein, ich habe mir noch etwas vom kindlichen Bewegungsdrang erhalten. Ich könnte gar nicht ohne meine tägliche Portion Bewegung. Mir würde etwas fehlen.
Im Oktober war ich an einem Samstag Morgen um 6:50 Uhr auf der Piste. Dabei entstand unterwegs nebenstehendes Foto. Was gibt es herrlicheres als in den Sonnenaufgang zu laufen? Traumhaft. Als ich um 8:30 Uhr ausgepowert zurück war, lächelnd auf dem Balkon stand, einen Eiweiß-Shake genoss und in die inzwischen höher stehende Sonne schaute, sah ich auf einem Nachbar-Balkon auch in 2 verschlafene graue Gesichter, Mundwinkel nach unten und jeweils eine Kippe zwischen den Lippen. Da fängt man an über das Leben zu philosophieren und sich so seine Gedanken zu machen.
Trotz des hohen Ziels genieße ich das Training viel mehr wie früher. Da habe ich mich durchgekämpft und war oft froh wenn es vorbei war. Heute genieße ich jeden einzelnen km und sage unterwegs zu mir "wunderbar, ich darf heute noch 4 km laufen".
Immer wieder wundere ich mich über Läufer die sich einen Trainingsplan bestellen, mir aber erstmal versuchen klarzumachen, dass sie dieses und jenes nicht trainieren wollen, oder an 5 Tagen in der Woche nicht laufen möchten. Oder noch besser: "Ich habe aber erstmal Urlaub, da kann ich nicht laufen". Auf Nachfrage wohin er denn jetzt im November fährt kommt die Antwort: "3 Wochen Gran Canaria". Puh. Da bin ich sprachlos. Urlaub, kein Stress, 25 Grad, … da würde ich vermutlich 2 mal täglich laufen gehen. Was gibt es idealeres für einen Einstieg?
Ich wünsche dir, dass du deinen Bewegungsdrang nicht verlierst oder diesen wiederfindest und dich immer motivieren kannst. Oft hilft es sich ein Ziel zu setzen. Bleibe aktiv vor allem in der jetzigen Vorweihnachtszeit mit seinen süßen Verlockungen und dunklen Nachmittagen. Gehe lieber 2 mal mehr laufen als einmal zu wenig.
In diesem Sinne mache ich mich jetzt an diesem Montag Nachmittag auf zu einem intensiven 16 km Dauerlauf. In der nächsten Woche werde ich, da mich viele Leser darauf angesprochen haben, über mein eigentliches Training im o.g. Projekt berichten.