In der letzten Woche hatte ich dir empfohlen, jetzt im Dezember dein Training zur Vorbereitung auf die neue Saison wieder aufzunehmen. Dafür habe ich dir einige Tipps gegeben um auch wieder langsam ins Tempo hereinzukommen.
Heute soll es um den langen Lauf gehen. Auch diesen solltest du unabhängig von deinem Saisonziel ab sofort wieder in dein Training integrieren. Bis zum Jahresende solltest du die volle Streckenlänge deiner langen Runde erreicht haben.
Wie lang sollte jetzt aber deine lange Runde sein? In unseren Greif-Plänen geben wir die lange Runde in den Marathon-Plänen mit 35 km und in den Halbmarathon-Plänen mit 25 km vor. Ich persönlich empfehle dir, unabhängig von deiner Hauptwettkampfstrecke eine lange Runde von 35 km zu laufen. Also auch wenn du in der nächsten Saison nur Wettkämpfe über 10 km oder Halbmarathon laufen möchtest.
Die Läufer, die in den Lauftreffs über die Greif-Pläne mit ihren 35 km Läufen herziehen und sie als viel zu hart bezeichnen, gibt es seit vielen Jahren. Der Wahrheitsgehalt dieser Aussagen nimmt allerdings nicht zu, nur weil man sie über Jahre immer und immer wiederholt.
Es gibt kein zu lang beim langen Lauf! Wenn es etwas gibt, dann ein zu schnell. Sicherlich, du musst die langen Läufe orthopädisch verkraften. Aber auch dies ist ein Anpassungsprozess wie das gesamte Training. Zum anderen solltest du deinen Körper durch Athletik-Training in der hinter uns liegenden Regenerationszeit und in den nächsten Wochen auch auf die Belastungen der langen Läufe vorbereiten.
Beim langen Lauf trainieren wir den Energiestoffwechsel in den Muskeln. Ziel ist vor allem die Energiebereitstellung aus dem Fettstoffwechsel. Dies erreichen wir vor allem durch langsames Laufen. Lang und langsam. Und noch langsamer. Wenn du dieses Ziel des langen Laufes berücksichtigst, wird klar, das ein 25 km Trainingslauf niemals den Effekt eines 35 km Laufes haben kann. Beim 25 km Trainingslauf wird der Körper vor allem auf die für ihn leichter zugänglichen Kohlenhydrat-Speicher zugreifen. Du wirst die muskulären Anpassungen die du mit einem 35 km Lauf erreichst nie mit kürzeren Strecken erreichen.
Auch ich persönlich habe vor 30 Jahren den Fehler gemacht und bin in der Vorbereitung (aufgrund von Tipps einiger kluger Bücher) in der Marathon-Vorbereitung nur 30 km gelaufen. Heute ist mir klar, dass ich deshalb nie meine Leistungsfähigkeit über diese Strecke erreichen konnte. Erst als ich 5 Jahre später die 35 km in mein Wintertraining einbaute, explodierten meine Zeiten über 1000 m, 3000 m, 5000 m, 10 km und den HM.
Mein beliebtestes Beispiel ist jedoch der neuseeländische Mittelstreckler Peter Snell. Er wurde 1960 Olympiasieger über 800 m und 1964 Olympiasieger über 800 m und 1500 m. Er wurde vom von mir sehr verehrten Arthur Lydiard trainiert. Dieser ließ ihn im Winter ein Marathon-Training mit langen Läufen von bis zu 40 km absolvieren. Dies führte dazu, dass Snell über 800 m Olympiasieger wurde, obwohl er von allen Finalisten die langsamste 400 m Zeiten vorweisen stehen hatte.
Warum solltest du jetzt deine langen Läufe starten? Ich gehe von dem klassischen Fall eines Frühjahrs-Marathons oder Halbmarathons Mitte April aus. Die unmittelbare intensive Marathonvorbereitung dauert 8 Wochen (Halbmarathon 6 Wochen). Davor musst du selbstverständlich schon die Grundlagen für diese intensive Vorbereitung gelegt haben. Ich empfehle dir, insgesamt mindestens 8-10 lange Läufe über 35 km vor einem Marathon zu absolvieren. In jedem Fall solltest du vor Beginn der unmittelbaren Vorbereitung die lange Runde sicher durchlaufen können.
Die letzten 8 Wochen vor dem Marathon beginnen dann also Mitte Februar und es gibt in dieser Zeit max. 5 große Runden. Ich rechne einmal rückwärts:
8. Woche: Marathon
7. Woche: Super-Sauerstofflauf ca. 27 km
...
4. Woche: Test-Halb-Marathon
...
Dann bleibt dir der Zeitraum von Anfang Januar bis Mitte Februar für weitere 3-5 lange Läufe. In dieser Zeit möchtest du aber vielleicht noch 1 oder 2 Wettkämpfe machen (die langen Runden fallen aus), hast einmal deine jährliche Erkältung, ...
Du siehst, die Zeit ist knapp. Auch wenn dein Frühjahrs-Marathon Ende April oder Anfang Mai liegt, sieht es nicht besser aus. Dann möchtest du vielleicht noch einen Wettkampf mehr machen oder hast 2 Wochen eine Grippe und musst dann erst wieder reinkommen.
Wie kommst du nun gezielt auf deine längste Strecke? Beginne mit einer Streckenlänge die dich jetzt schon fordert, die du aber gut durchlaufen kannst. Steigere dann jede Woche um 3 km. Zum Beispiel:
1. Woche: 23 km
2. Woche: 26 km
3. Woche: 29 km
4. Woche: 32 oder 35 km
5. Woche: 35 km
Wenn du partout nur 25 oder 30 km laufen möchtest, dann steigere jede Woche um 2 km. Spätestens in der ersten Januar-Woche solltest du deine persönlich längste Strecke erreicht haben.
Wenn du in der nächsten Saison nur kürzere Wettkampfstrecken laufen möchtest, kannst du den langen Lauf ab März auch wieder verkürzen. Z.B. von 35 km auf 30 oder 25 km. Du hast dann aber eine hervorragende Grundlage für sehr intensive Tempoläufe. Deine Wettkampfzeiten werden es dir danken!
Noch ein Tipp für alle die immer wieder vor der Entscheidung Wettkampf oder langer Lauf stehen. Ein Wettkampf ist letztlich das intensivste Training. Es sollte natürlich nicht jede Woche dem langen Lauf vorgezogen werden. Die langen Läufe sollten in der Anzahl überwiegen. Ich bin früher mit meinen Vereinskollegen folgendermaßen vorgegangen:
- Halbmarathon: vorher 3 km Einlaufen, nachher 4-5 km ganz locker in der Gruppe auslaufen. Damit kommst du an diesem Tag auch auf 29 km und kannst ihn für dein Gewissen als langen Lauf abhaken.
- Wettkämpfe zwischen 10 und 16 km (10 Meilen): am Tag nach dem Wettkampf liefen wir die lange Runde als regenerativen Dauerlauf. Ganz langsam. Anschließend gab es einen Tag Pause und 2 Tage regenerative Läufe von 60-70 min oder 3 Tage regenerative Läufe von 2 mal 60 min und einmal 75 min.