Im Newsletter vom 05.03.2019 hatte ich dir versprochen, auf das dem Hügeltraining folgende Bahntraining einzugehen. Ja, es gibt auch noch andere Lauf-Distanzen außer Halbmarathon und Marathon. Nein, ich meine nicht den Ultralauf. Ich meine die Bahnläufe im Stadion bis zu Distanzen vom max. 10.000 m. Die Ausrede „Dafür bin ich viel zu langsam“ zählt absolut nicht. Denn diese Läufe, und vor allem das Training dafür, machen dich schneller.
Es gibt mehrere gute Gründe sich auch mal für 1 oder 2 Saisons von den vielen langen Straßenläufen zu verabschieden. Es ist erstaunlich, wie schwer das den meisten Läufern zu fallen scheint. Meist hört sich das so an: „ja ich müßte mal was für die Schnelligkeit tun“ oder „jetzt gehe ich auf die Kurzen aber in 3 Monaten will ich noch Marathon XYZ laufen.“
Woher die „Angst“ kommt, mal längere Zeit umzusteigen, weiß ich nicht. Ich habe am Anfang meiner Lauferei 3 Jahre gebraucht um mich von dem Gedanken „man will mir den Marathon wegnehmen“ zu befreien. Davon kann nämlich nicht die Rede sein. Es geht eher darum, eine richtig gute Geschwindigkeits-Grundlage für die längeren Distanzen zu schaffen.
Viele gelangen irgendwann an einen Punkt, an dem die Leistungen zu stagnieren zu scheinen. Wenn man zu lange an diesem Punkt verweilt, kann es frustrierend werden. Oft können Änderungen im Training oder die Orientierung auf andere Strecken neue Reize setzen und dich so deutlich voranbringen. Nimm dir doch mal die Zeit dafür. Der Marathon läuft dir nicht davon. Den gibt es auch noch in 3 Jahren.
1. Bahntraining und Bahnläufe machen dich schnell
Das Training für die Bahnläufe machen dich schnell, da sie kürzer, schneller und oft mit weniger Wiederholungen gelaufen werden als beim oft ermüdenden Marathon- oder Halbmarathon-Training. Du schaffst dir damit die Tempogrundlagen für die längeren Distanzen. Es gibt klare Zusammenhänge zwischen der 1000 m Zeit und der möglichen 10.000 m Zeit und dann, wie bekannt, wiederum zwischen der 10 km Zeit und der möglichen HM- oder Marathonzeit. Umso schneller du die Distanzen bis 5000 m laufen kannst, umso schneller wirst du in der Regel (bei entsprechendem Training) die längeren Distanzen bewältigen.
2. Bahntraining und Bahnläufe werden dein Laufstil verbessern
Ein wesentlicher Punkt. Zum einen nimmt man sich beim Bahntraining mehr Zeit z.B. für ein ausgiebiges Lauf-ABC. Dies trainiert die Kraft und führt zu einem effektiveren Laufstil. Zum anderen sind die Einheiten oft so schnell, dass du automatisch in den effektiveren Vor- bzw. Mittelfuß-Laufstil kommst. So kommst du schnell aus dem Marathon-Schlappschritt heraus. Das wiederum macht dich schneller.
3. Bahnwettkämpfe machen Spaß
Sie haben etwas von fliegen wenn du mit Langstrecken-Spikes an den Füßen im Wettkampf um die Bahn rennst. Es ist ein riesiger Unterschied, ob du im HM- oder Marathontraining eine Vielzahl von 1000 m Intervallen in 3:15 oder 3:20 min abspulst, dir auch mal einen in 3:05 min rausquetscht oder bei einem 1000 m Wettkampf eine 2:41 min (meine Bestzeit) läufst. Ich sage nur Geschwindigkeitsrausch!
4. Bahntraining und Bahnwettkämpfe können Verkrampfungen im Kopf lösen
Es gibt viele viele Läufer, die an ihren Zielen schlicht verzweifeln. Die einen versuchen seit 5 Jahren die 10 km unter 40 min zu laufen, andere den HM unter 1:30 h. Sie bleiben jedes Mal mehr oder weniger knapp über dem angestrebten Ziel. Trotz allem Spaß am Training verkrampfen sie mehr und mehr und entwickeln schon eine Art Panik vor dem nächsten Wettkampf.
Vergisst du mal für 1 oder 2 Saisons diese dich blockierende Zeit und absolvierst die ganz kurzen Distanzen und das Training dafür, dann wirst du an den nächsten Lauf über deine Zielstrecke ganz anders heran gehen. Es kann sein, dass deine Traumzeit z.B. über 10 km sogar schon im Training fällt.
5. Bahntraining bringt Abwechslung
Ja, es bringt Abwechslung. Vor allem ein anderes Tempogefühl, einen anderen Schritt. Du kannst kürzere Intervalle laufen, die du sonst auf der Straße nicht machen würdest. Ich habe jedenfalls auf der Straße noch nie jemanden 200m Intervalle laufen sehen. Manche Läufer meinen, sie mögen das Runterlaufen nicht. Dort kannst du dich aber vollständig auf dich konzentrieren. Kein GPS-Gefummel, keine löchrigen Wege. Nur schnell geradeaus laufen.
6. Wettkämpfe werden zum Training
Bei einer Bahnsaison mit Strecken zwischen 1000 m und 5000 m (auch mal 10.000 m) hast du die Möglichkeit, jede Woche 1-2 Wettkämpfe auf höchstem Niveau zu bestreiten. Die benötigten Regenerationphasen sind kurz. Das hat den Vorteil, dass du ein in den Sand gesetzten Wettkampf innerhalb weniger Tage korrigieren kannst. Bei 2 Wettkämpfen in der Woche (z.B. Mi/Do und am Wochenende) werden die Wettkämpfe während der Saison zum eigentlichen Training. Die Tage dazwischen lassen sich mit regenerativen Läufen füllen.
Es gibt, neben den oben genannten Gründen, noch einen warum ich für Bahnwettkämpfe plädiere. Die Bahnwettkämpfe (Abendsportfeste, Serien, Meisterschaften) werden von den Leichtathletik-Vereinen veranstaltet. Unzählige ehrenamtliche Helfer organisieren und führen diese Veranstaltungen durch. Bei unfassbar geringen Startgebühren stehen sie oft vor fast leeren Starterfeldern, weil viele Läufer denken, sie seien zu langsam und müssten eher ihren 27. Halbmarathon oder 19. Marathon bestreiten.
Ehrlich, bei dieser Entwicklung kommen mir die Tränen. Anfang der 90er gab es in Berlin, Potsdam und Umgebung so viele Bahnwettkämpfe, das man zwischen Mai und August mindestens 2 Veranstaltungen pro Woche zur Auswahl hatte. Eine unter der Woche, einen am Wochenende. Jede Strecke wurde angeboten: 1000m, 1500m, Meile, 2000m, 3000m, 3000m Hindernis, 5000m und 10.000m. Jeder Verein organisierte mindestens ein Abendsportfest, manche auch Serien mit 4 Veranstaltungen. Dazu gab es Meisterschaften aller Art. Es war ein Traum, man konnte 2 Wettkämpfe pro Woche laufen. Der Wettkampf war quasi das Training. Die Läufe waren in der Regel gut besetzt, sowohl von Masse als auch von Klasse. Man konnte seine Leistung gut entwickeln.
Diese Wettkämpfe findest du natürlich in der Regel nicht im Volkslauf-Kalender. Dazu musst du mal die Internetseite deines Leichtathletik-Verbandes konsultieren. Dort findest du die entsprechenden Wettkampf-Kalender.
Wie machst du aber nun genau? Dazu gleich. Vorab eine Warnung. Versuche nicht das Training in dieser Art durchzuführen, wenn dir die Grundlagen aus dem Winter fehlen. Du solltest eine hervorragende Grundlagenausdauer über ein „Marathontraining“ im Winter und die entsprechende Kraftausdauer über das im Newsletter vom 05.03.2019 Hügeltraining erworben haben.
Der Jahres-Ablauf in meinen erfolgreichsten Jahren war immer gleich:
- Dezember bis Februar „Marathontraining“ mit langen Läufen bis 35 km
- Ende Januar ein Trainingsmarathon, meist der Team-Marathon in Berlin, den wir bis zu 2:50 h gelaufen sind (je nach Mannschaft)
- Anfang März ein 25 km Wettkampf
- März 4 Wochen Hügeltraining
- Ende März/Anfang April 1 Woche Trainingslager
- Erstes April-Wochenende Wettkampf 10 km oder Halbmarathon
- April bis Anfang Mai 4-5 Wochen Bahntraining
- Ab Anfang Mai bis Mitte Juli Bahnsaison
Gut, wir haben also im Winter über extensive Dauerläufe und Tempodauerläufe unser Herz-Kreislauf-System trainiert, über lange Läufe unseren Stoffwechsel angepasst und über das Hügeltraining Kraftausdauer getankt. Nun können wir speziell an der Schnelligkeitsausdauer feilen. Wie gehst du es aber nun auf der Bahn an? Ich habe mich damals ziemlich genau an die Vorschläge meines Trainer-Vorbilds Arthur Lydiard gehalten. Du kannst ohne Probleme für 4 oder 5 Wochen 5-6 mal pro Woche auf die Bahn gehen. Dort wechselst du zwischen 1 längeren Lauf (3000m oder 5000m), kürzeren Intervallen mit wenig Wiederholungen und höherem Tempo, kürzeren Intervallen mit mehr Wiederholungen und geringerem Tempo, längeren Intervallen mit wenig Wiederholungen, Sprinttraining, Tempowechselläufen und Testläufen.
Aus einer Vielzahl von möglichen Strecken habe ich dir hier ein paar zusammengestellt. Aus diesen läßt sich ein gutes und effektives Programm zusammenstellen.
- 1x 3000m
- 1x 5000m
- 10x 200m (höheres Tempo)
- 20x 200m (geringeres Tempo)
- 10x 400m (höheres Tempo)
- 20x 400m (geringeres Tempo)
- Sprinttraining: 6x 150m (erste 40 m gesteigert) + 100m + 200m Test oder 100m + 400m Test
- 5000m (nach jeweils 400m einen 100m Sprint)
- 10.000m (nach jeweils 400m einen 100m Sprint)
- 3000m-5000m Wind Sprints (50m Sprint, 60 m traben)
- 6x 800m
- 3x 1500m
- Tempowechsel 8x 400m/200m
- Tempowechsel 16x 200m/100m
- Tempowechsel 25x 100m/100m
- Test-Läufe 3000m, 5000m oder 10.000m
- 4000m Hindernislauf (einfach mal zur Abwechslung ausprobieren!) als Kraftausdauer-Einheit (mit 5 Hürden auf der 400m-Runde)
Am Sonntag machst du weiterhin einen langen Lauf von 25 km. Eine Beispiel-Woche könnte so aussehen:
Mo: 1x 3000m
Di: 10x 200m zügig
Mi: 6x 150m (erste 40m gesteigert) + 100m und 200m Test
Do: Tempowechsel 5000m, nach jeweils 400m ein 100m Sprint
Fr.: 6x 150m (erste 40m gesteigert) und 6 Antritte über 30 bis 50m
Sa: 20x 400m mittleres Tempo
So: langer Lauf
oder auch so:
Mo: 3x 1500m mittleres Tempo
Di: 10x 200m zügig
Mi: 6x 150m (erste 40m gesteigert) + 100m und 400m Test
Do: 6x 800m mittleres Tempo
Fr.: 6x 150m (erste 40m gesteigert) und 6 Antritte über 30 bis 50m
Sa: Tempowechsel 8x 400m/200m
So: langer Lauf
Die einzelnen Tempoeinheiten kannst du „einrahmen“ von einem Ein- bzw. Auslaufen zwischen 10 und 15 km. Vor dem jeweiligen Programm absolvierst du noch Lauf-ABC Übungen. Wahrscheinlich hast du beim Lesen von „6 mal pro Woche auf die Bahn“ einen Schreck bekommen. Ich kann dir versichern, es funktioniert. Ich habe es über 3 Jahre genau in dieser Weise absolviert. Nochmals Achtung: es funktioniert nur, wenn du dir die Grundlagen im Winter erarbeitet hast! Es ist ein intensives Training der Schnelligkeitsausdauer! Es funktioniert nicht, wenn du damit fehlendes Training ausgleichen willst. Dann wirst du damit scheitern.
Du erkennst das Prinzip dahinter? Längere Tempostücke wechseln mit kürzeren Intervallen und Sprinttraining ab. Das sogenannte „Sprinttraining“ (6x 150m) ist quasi eine regenerative Einheit. Es fühlt sich an, als ob du zu deinem normalen DL (Ein- und Auslaufen) 6 Steigerungsläufe absolvierst. Natürlich solltest du auf dein Körpergefühl hören und ggf. zusätzliche Regenerations-Tage einlegen. Vorsicht ist auch für die Läufer der höheren Altersklassen geboten. Die kurzen Intervalle und Steigerungen bergen ein höheres Risiko für muskuläre Verletzungen.
Auf Tempo-Angaben habe ich an dieser Stelle verzichtet. In Abhängigkeit der persönlichen Leistungsfähigkeit über die einzelnen Intervall-Strecken lassen sich natürlich sehr exakte Tempovorgaben machen. Wenn du es genauer wissen willst: ab Herbst werden wir wohl auch wieder Bahn-Trainingspläne in unserem Trainingsplan-Angabot haben.