Das erste Wochenende der großen Marathons und Halbmarathons ist gelaufen, die nächsten Highlights warten an den kommenden Wochenenden. Aus diesem Grund und aus aktuellem Anlass möchte ich nochmal auf die unmittelbare Wettkampfvorbereitung eingehen. Ich weiß schon, die alten Hasen verdrehen gleich die Augen. Du glaubst aber nicht, was so alles passiert.
Da trainiert man monatelang konsequent nach Trainingsplan, setzt alle Vorgaben um, ist gut in Form und zerstört sich seinen Wettkampf direkt vor dem Start.
Letzte Woche schrieb mir ein Club-Mitglied folgende Mail:
"Leider ist es wieder nichts mit einer Zeit unter 3 Stunden geworden. Obwohl ich das Training immer eingehalten habe. Am Anfang lief alles nach Plan. Um 4 Uhr raus aus dem Bett - Wasser (Elektrolyte und Calcium) - Tee - WC. Mit "entleertem" Magen dann auf den Weg zum Startort. Auf dem Weg Wasser (Elektrolyte), ca. 1 Liter, vor dem Start Banane und einen Energy Bar, letztes mal auf das WC und dann 1 Stunde vor dem Start nichts mehr.
Die ersten 7 km liefen ganz gut und ich fühlte mich wohl. Doch dann drückte die Blase und ich konnte es bei km 11 nicht mehr ignorieren. Bis ca. km 20 war alles ok, dann dachte ich, mein Körper ist dabei zu explodieren. Ich hatte Magendrücken und es verging auch nicht. Bei ca. km 22 ab ins WC. Bei ca. km 27 wieder dasselbe. Von da an ging es nur mehr mit Gehen/Laufen/Gehen/Laufen. Im Training hatte ich nie diese Probleme. Der Unterschied, im Marathon habe ich bei ca. km 21 und km 30 ein Gel genommen."
Allein beim Lesen der Mail habe ich Magenschmerzen bekommen. 1 Liter Elektrolyt-Drink (!!!), Banane und Energy-Riegel. Dazu ab km 21 Gels. Da muss man Magendrücken bekommen. Der eine Liter Flüssigkeit hatte reichlich Zeit die Blase zu füllen. Man muss sich nur mal die Zusammensetzung dieser Elektrolyt-Getränke anschauen.
Ich frage mich immer, wo solch ein Verfahren beschrieben wird. Er hat alles komplett anders gemacht als vor jedem Training und vor jedem langen Lauf. Er kannte die Gels nicht, hatte sie vorher nie ausprobiert. Er hatte auch vor dem Training keine Banane und keine Riegel gegessen. In dem Versuch alles richtig zu machen, erreicht man oft das Gegenteil. Ich frage mich warum das immer wieder passiert. Sind es Zweifel an der eigenen Leistungsfähigkeit, der Versuch sich noch etwas Form einzuverleiben?
Ich habe es oft genug auf Marathon-Messen beobachten können. Da gibt es genug Stände von Riegel-, Gel- und Getränkeherstellern die kostenlose Proben anbieten. Wieviele Läufer sich da in Ihrer scheinbaren Verzweiflung auf der Suche nach Ihrer Form etliches von diesen klebrigen Produkten reinstopfen, ist unglaublich, Das sie sich damit den Magen für den Wettkampf am nächsten Tag verkleben, daran denkt keiner.
Ich möchte hier nicht zum wiederholten Male eine Liste zur Wettkampfvorbereitung bringen. Tipps findest du in unzähligen Artikeln in unserem Newsletter-Archiv. Sowohl zur Vorwettkampf-Ernährung als auch zum Thema Trinken vor und im Wettkampf. Nutze einfach die Suchfunktion und probiere verschiedene Suchbegriffe aus. Wir empfehlen übrigens seit vielen Jahren den 1/4 bis 1/2 Liter Wasser eine halbe Stunde vor dem Start. Warum? Damit es keine Zeit hat deine Blase zu füllen und du mit dem Wasser im Bauch nicht zu schnell angehst. Sei jetzt im April vorsichtig mit dem Wasser an den Verpflegungsständen! Bei einem Start um 9 Uhr ist es morgens noch angenehm frisch. D.h. auch das gereichte Wasser ist fast eiskalt und kann dir auf den Magen schlagen. Wenn du es einrichten kannst, lasse dir lieber von einer Begleitperson eine Flasche reichen.
Also: mache vor deinem wichtigsten Wettkampf des ersten Halbjahres nichts anders als im Training. Probiere keine neuen Produkte aus die du nicht kennst. Mache alles so wie vor deinen langen Läufen! Damit kannst du nicht falsch liegen. Du befindest dich im Wettkampf-Stress. Da wird der Magen ggf. sowieso etwas nervös reagieren. Belaste ihn nicht zusätzlich! Wenn du etwas bei uns z.B. von dem zusätzlichen Löffel Guarana-Pulver o.ä. liest, dann solltest du das nur nehmen, wenn du es im Trainings ausprobiert hast. Nicht in der Hoffnung reinschaufeln, es könnte dich doch noch 2 min schneller machen. Verzichte im Rennen auch auf Gels die du nie ausprobiert hast.
Eine weitere Mail in der letzten Woche ließ mich fast verzweifeln. Eine Athletin, die mich oft mit Fragen zum Training bombardierte, wollte am gestrigen Sonntag in Wien den Halbmarathon laufen. Sie ließ mich aber wissen, dass sie in den letzten 2 Tagen (Freitag und Samstag) die im Trainingsplan stehenden kurzen Läufe nicht mehr machen werde, da sie schon viel durch die Stadt spazieren werden. Ich riet ihr ab, wurde aber nicht erhört. Das Ergebnis lag deutlich unter ihren Möglichkeiten.
Warum tut man sich das nach Wochen und Monaten des harten Trainings selbst an? Wien ist zweifelsohne eine schöne Stadt. Kann man das nicht auch anders organisieren? Warum hängt man nicht 1 oder 2 Tage Urlaub hinten dran? Der Wettkampf ist gerettet, das Sightseeing auch. Man hätte auch die letzten 2 kurzen Läufe im Wiener Prater absolvieren und die Wiener Atmosphäre bei herrlichem Wetter in einem Kaffeehaus auf sich wirken lassen können, statt sich noch mit dem Abarbeiten der Sehenswürdigkeiten-Liste zu stressen. Ich habe 1996 bei meiner Neuseeland Umrundung mit dem Fahrrad an einem Spiegelsee am Fuße des Mount Cook einen älteren Herrn, der scheinbar meditierend auf einer Bank saß, gefragt, was man sich in der Gegend unbedingt noch anschauen sollte. Er sah mich völlig verständnislos an, schüttelte den Kopf und erwiderte: „Ihr Touristen seid alle irre. Setze dich einfach 2 oder 3 Stunden hier auf diese Bank und lasse den Anblick auf dich wirken. So etwas siehst du kein zweites mal auf der Welt. Ihr hetzt umher und verpasst doch das Beste“. Er hatte Recht. Viele besichtige Ort habe ich längst vergessen, das Bild diese Sees und seine Worte sind seit 23 Jahren in meinem Kopf eingebrannt. Seitdem bin ich diesbezüglich völlig relaxed. Mit einem gut vorbereiteten Wettkampf vor der Brust und einer Bestzeit im Sinn, könnte ich wunderbar damit leben, das Hundertwasserhaus in den 2 Tagen vor dem Wettkampf nicht gesehen zu haben.
Über das Herumlaufen auf der Marathonmesse hatte ich schon einmal geschrieben. Da holen Läufer in Hamburg am Samstag um 15 Uhr ihre Startnummer ab. Dann laufen sie 3 h lang durch jede Halle auf der Suche nach dem ultimativen Schäppchen. Lass es sein! Das ist keine professionelle Vorbereitung. Du hast am nächsten Morgen dicke Beine am Start. Die Schnäppchen findest du auch bei uns im Online-Shop! Oder willst du deine neue Bestzeit, nach 3 oder 4 Monaten Training, gegen 10 gesparte Euro für ein Paar Laufschuhe tauschen?
So, nun lass es krachen in den nächsten Wochen. Keine Experimente vor dem Wettkampf! Dann wirst du deine Bestzeit laufen. Manchmal entscheiden Kleinigkeiten.