Das heutige Thema ist eigentlich ein alter Hut, aber die zahlreichen Anrufe und Mails zeigen, dass dieses Thema in der Laufszene immer noch aktuell ist
Die Frage ist immer und immer wieder, mit welchem Puls ich den Berg hoch laufe. Wenn ich dann umdrehe, mit welcher Herzfrequenz muss ich dann wieder herunter laufen?
Diese Fragen scheinen manche Puls-Freaks schier zur Verzweiflung zu bringen, weil sie einfach keine Formel finden, mit der sie die gefühlte, körperliche Belastung mit der Anzeige auf dem Pulser abgleichen können.
Der Texter dieser Zeilen hat dazu eine klare Meinung, die aber bei etwa der Hälfte der Läufer und Läuferinnen nicht akzeptiert wird. Diese Meinung heißt: Wirf den Pulser weg oder verschenke ihn an ein paar Straßenreiniger, damit diese messen können, ob sie sich überhaupt noch bewegen. ;-)
Grundsätzlich möchte ich diese Zeilen nicht auf das Personal der Straßenreinigung meiner Heimatstadt Seesen beziehen. Die Jungs dort hauen so richtig rein und das ist nicht ironisch gemeint!
In meiner Jugendzeit habe ich mit dem Pulser sehr intensiv experimentiert. Schon in den achtziger Jahren arbeiteten wir im Verein mit einem Pulser.
Wirklich, uns stand einer für gut 100 Trainierende zur Verfügung. Dieser musste wechselweise getragen werden, weil unser ganzes Team nur ein einziges Gerät besaß. Dazu gehörte ein ganzer Koffer zur Auswertung.
Schon nach weniger als einem Jahr benutzten wir das Gerät nicht mehr, weil jeder aus unserer Gruppe die persönliche Belastung genauestens kannte. Wir wussten, mit welcher Intensität wir laufen mussten, wenn es zur Sache ging und ebenso war uns klar, wie langsam gelaufen werden musste, wenn Regeneration anstand.
Es entstand dabei eine so genannte Schwarmintelligenz, d.h. wir haben uns gegenseitig beobachtet und auch die Belastungsparameter im bergigen Gelände diskutiert.
Solche Bedingungen haben natürlich viele Trainierende nicht. Man sieht auf Straße, Wald und Park meistens allein Trainierende oder auch Pärchen. Größere Gruppen, die sich austauschen könnten, gibt es doch relativ selten.
Da nutzt natürlich auch kein Trainingsplan, wie zum Beispiel unsere Greif-Club-Pläne. Diese enthalten für jeden Läufer(in) die Laufzeiten in km/min und zusätzlich noch die daraus resultierende, individuelle Herzfrequenz.
Dort steht dann für eine durchschnittliche Läuferin zum Beispiel: "15 - 17 km extensiver Dauerlauf in 5:45 - 6:00 min/km. Pulsbereich 126 - 139." Tempo und Puls passen aber nur zusammen, wenn diese Läuferin ihre maximale Herzfrequenz richtig ermittelt hat und auf einer ebenen Strecke und bei durchschnittlichen Wetterverhältnissen gelaufen wird.
Was aber, wenn diese Läuferin mitten in einer Hügellandschaft wohnt und ihr gar keine flachen Kurse zur Verfügung stehen? Auf der Bahn wird sie wohl einen Dauerlauf, wie den obig beschriebenen, nicht laufen wollen. Also muss sie zwangsläufig auf den kupierten Strecken trainieren, die ihr zur Verfügung stehen.
Schon am ersten leichten Anstieg geht ihr Puls vielleicht schon auf 150 und der km eins wird eventuell mit über 7 min gemessen? Versucht sie auch nur den zeitlichen unteren Tempobereich zu treffen, steigt ihre Herzfrequenz schon auf 160. Egal, welchen Parameter sie zur Leistungssteuerung heranzieht, einer davon ist immer falsch.
Darum sollten wir gar nicht lange herumreden, denn es steht fest: Du kannst dein Tempo im bergigen oder hügeligen Gelände weder mittels Pulsmessung, noch mit der Uhr steuern. Denn bei zehn Prozent Steigung wirst du wohl auch dein langsames Dauerlauftempo aus dem Flachland hier gar nicht mehr laufen können.
Nach der alten Läuferregel "wo es bergauf geht, geht es auch wieder runter" könnte man ja auf die Idee kommen, die Leistung von der Bergauf- mit der der Bergabstrecke zu mitteln. Dann sollte doch in etwa die geforderte Zeit oder Puls wieder im vorgeschriebenen Rahmen liegen.
Leider klappt das auch nicht, obwohl die meisten Pulser den Mittelwert nach Trainingsende anzeigen. Obwohl es oberflächlich doch klappen müsste.
Dass dies nicht so ist, ist der menschlichen Muskelstruktur geschuldet. Die vorwärtstreibende und anhebende Muskulatur, die bergauf die hauptsächliche Arbeit übernimmt, ist deutlich stärker als die bremsende Bergabmuskulatur.
Diese ist nur etwa ein Drittel so stark wie die vorwärtstreibende Muskulatur. Und wenn wir es dann den Berg herunter so richtig rollen lassen, wird dieser Anteil der Muskeln gnadenlos überlastet.
Das hat dann zur Folge, dass der Schritt nicht mehr richtig gefangen werden kann und der Knorpel von Knie, Hüfte und anderen Strukturen Schaden nehmen können.
Es fehlt nämlich durch das abfallende Gelände auch ein großer Teil der Dämpfung durch das Fußgelenk, denn der Winkel zwischen Ferse und Boden wird kleiner. Selbst bei reinen Ballenläufern wird der Auftritt durch die Schräge des Untergrunds immer weiter zur Ferse hin verlagert.
Noch schlimmer ist es dann bei den Fersenläufern, die knallen dann sofort hinten so richtig auf. Da jubelt der Knorpel dem Verfall entgegen. Ich weiß ganz genau, wovon ich spreche. Austrainiert, 85 kg wiegend, kam ich die Berge nun nicht gerade gemsengleich hoch, dafür ließ ich es dann auf dem abfallenden Teil so richtig krachen.
Langer Schritt und höchstes Tempo, es war herrlich so an den "Händln" (Östr. - bayr. Ausdruck für untergewichtige Läufer) vorbei zu schießen. Nur wenn die Gefällstrecke lang genug war, dann hatte ich unten Gummibeine und die Händln flatterten wieder locker an mir vorbei und gegackert haben sie auch noch, diese Alpingerippe.
Zusammengefasst: Du kannst machen, was du willst, du wirst im Durchschnitt in einem kupierten Gelände niemals so schnell sein können wie im Flachen. Das geht noch nicht einmal mit dem Fahrrad, welches in einem wesentlich größeren Maße die Energie auf der Gefällstrecke wieder zurückgibt, die berghoch eingesetzt wurde.
So gibt es am Berg nur eines auf das du dich verlassen kannst, das ist dein Gefühl. Du musst dich natürlich auf den Bergaufstrecken deutlich mehr anstrengen als im Flachen. Dies ist auch richtig so, denn du erntest dabei einen ganz hervorragenden Trainingseffekt.
Du solltest aber unbedingt darauf achten, dass du an einem Trainingstag, wie dem oben beschriebenen, nicht in den anaeroben Leistungsbereich hineingerätst. Es sollte so sein, dass das Bergauflaufen zwar anstrengend ist, aber dich nicht außer Atem kommen lässt.
Wenn es dann wieder runter geht, kannst du dich erholen. Schone dich und deine Knochen, denn du hast vorher schon den entsprechenden Leistungsreiz eingefahren. Vergiss einfach die km-Zeit und deinen Herzschlag, du wirst mit einem Training AUCH in den Bergen weiter kommen, als allein mit einem im völlig flachen Gelände.
Das kann ich dir aus langjähriger Erfahrung zusichern, denn hier bei uns in Seesen und in der Umgebung gibt es keinen einzigen völlig ebenen km und unsere berühmt-berüchtigte 35 km-Runde ist besonders einladend durch ihre knapp 680 Hm.
Und die sind wir jede Woche mindestens einmal und der Autor dieser Zeilen oft sogar zweimal gelaufen. Und der Erfolg gab uns Recht, und ich bin mir ziemlich sicher, dass wir diese Erfolge so nicht erreicht hätten, wenn wir in einer Gegend trainiert hätten, in dem man die Hügel suchen müsste.
Damit du aber dennoch überprüfen kannst, in welchem Maße du dich beim Berglaufen mehr belastest, habe ich diesen Rechner geschaffen.
Bitte gehe aber nun nicht hin und reduziere deinen Umfang um die km, die dir der Rechner als umgerechnet mehr gelaufene km ausgibt. Nimm diese als einen zusätzlichen Vorteil im Kampf gegen Gegner und alte Bestzeiten.