Läufer beeindrucken durch außergewöhnliche Aktivität!
512 Läufer und 120 Läuferinnen haben im April über den Newsletter „Greif.de“ an der Befragung „Gesundheit und Training im Laufsport“ teilgenommen: vielen Dank für Eure Mitwirkung an der Studie der Forschungsgruppe Leistungsepidemiologie der Deutschen Sporthochschule Köln!
Der ein oder andere Leser mag sich gefragt haben: „schon wieder eine Studie?“ oder „gibt es denn etwas, was wir noch nicht wissen über das Laufen und die Läufer?“. Manche mögen auch überlegt haben, was die Antworten hochmotivierter Sportler beweisen: sind Läufer fitter, weil sie regelmäßig trainieren oder beginnen nicht ohnehin eher die fitten mit einem regelmäßigen Training? Diese als „Henne-Ei“-Problem bekannte sowie manch andere kritische Frage sind berechtigt. Sie bewahren vor vorschnellen Schlussfolgerungen, schmälern den Sinn und Wert epidemiologischer Erhebungen aber nicht. Denn sie ermöglichen eine Beschreibung der realen (sportlichen) Welt und weisen auf Zusammenhänge, die vielleicht sonst nur zu vermuten sind oder z.B. auf Einzelerfahrungen beruhen. Ohne empirische Erhebungen wären unsere Annahmen über viele Facetten der Sportaktivität weder belegbar noch widerlegbar.
Aber der Reihe nach. Wer hat sich an der Befragung beteiligt? Was charakterisiert die Läufer? Die Befragungsteilnehmer (Teilnehmerinnen) waren im Durchschnitt 53 (52) Jahre alt und führten bereits seit 18 (14) Jahren ein regelmäßiges Lauftraining durch. Die große Lauferfahrung der Gruppe zeigt sich auch im äußerst geringen Anteil (< 3 bzw. < 5 %) von typischen Laufneu- oder Laufwiedereinsteigern, d.h. von Läufern bzw. Läuferinnen, die erst seit maximal 2 Jahren regelmäßig trainieren.
Marathonerfahrung und Trainingsgestaltung
Die eindrucksvolle sportliche Aktivität der Befragten wird auch sichtbar im Anteil von 83 % (73 %) Läufern (Läuferinnen), die bereits mindestens einen (Voll-)Marathonlauf absolviert haben, während nur knapp 3 % bzw. 6 % bislang weder an einen Halb- noch an einem Vollmarathon teilgenommen haben. Die durchschnittliche Trainingshäufigkeit der Gesamtgruppe beträgt 3,7 (3,8) Trainingseinheiten pro Woche. Erwartungsgemäß stark differenziert der im Jahresschnitt erreichte wöchentliche Trainingsumfang in Abhängigkeit von der Marathonerfahrung: Personen ohne jegliche Marathonerfahrung absolvieren 19 (14) km gegenüber 37 (39) km der Halb- und 53 (53) km der Vollmarathonerfahrenen. Als Gruppe mit den höchsten Trainingsumfängen wurden die Läufer (Läuferinnen) identifiziert (jeweils 61 km), die den Marathon auch als ihre Haupt-Laufdisziplin bezeichnen. Die Abbildung zeigt für dieses Kollektiv die großen Verteilungsbereiche, die sich typischerweise zumeist hinter einem Mittelwert verbergen. Als Ranking erlauben diese dem Leser eine persönliche Einordnung der eigenen Angaben. Erkennbar wird beispielsweise, dass etwa jeweils 20 % dieser Befragten weniger als 40 km bzw. mehr als 80 km in der Woche laufen.
Abb. 1: Durchschnittliche wöchentliche Trainingsumfänge von marathonerfahrenen Läufern (n= 183) und Läuferinnen (n=48) mit der Hauptdisziplin „Marathon“.
Die abgefragten Trainingsparameter zeigen insgesamt, dass die absolvierten Trainingsdistanzen der Halb- und Vollmarathonerfahrenen etwa ein Drittel höher liegen, als es im Rahmen der laufenden Befragungsstudie für mehr als 140.000 Stadtlaufteilnehmer ermittelt wurde (1).
Motive & Gründe zum Sporttreiben
Was den einzelnen zu seinen sportlichen Handlungen bewegt und antreibt, wurde für ausgewählte Motive bzw. Gründe zum Sporttreiben auf einer Skala von 1 bis 10 (von „trifft gar nicht auf mich zu“ bis „trifft voll auf mich zu“) in den Bereichen Gesundheit, Körperliche Leistungsfähigkeit, Spaß, Körpergewichts- und Stresskontrolle und soziales Umfeld erfragt. Persönliche Handlungsmotive sind sicherlich nicht einfacher zu ermitteln und für eine Abfrage zugänglich als das konkrete sportliche Handeln. Es wird aber sehr deutlich, dass die mit Abstand stärksten Gründe Sport zu treiben in der Reihenfolge dem körperlichen Leistungsaspekt, dem Spaß am Sport und der Gesundheit zugeordnet werden können. Das gilt gleichermaßen für Männer und Frauen. Geringere Bedeutung für die Sportaktivität wird im Allgemeinen den sozialen Motiven eingeräumt. Viele weitere, zusätzlich genannte Gründe lassen sich zumeist wiederum den am stärksten genannten Gründen der körperlichen Fitness und Gesundheit zuordnen. Insgesamt sind die Ratings bei den drei stärksten Motiven etwas höher ausgeprägt sind, als es bislang in der Befragungsstudie bei Läufern zu beobachten war.
Gesundheitsfaktoren
Bewegung und v.a. Ausdauersport fördern bekanntermaßen die Gesundheit und sind sogar mit geringeren Erkrankungs- und Mortalitätsraten verbunden. Sie beinhalten ein enormes Potenzial, medizinische Risikofaktoren zu verhindern oder zumindest teilweise auszugleichen. In der Befragung mit dem integrierten Gesundheits-Check (modifizierter PAR-Q Fragebogen) werden diese entsprechend günstigen statistischen Zusammenhänge und sicherlich mit auch kausalen Effekte eindrucksvoll bestätigt: Nahezu die Hälfte der Befragten wies keinen der 12 betrachteten Risikomerkmale auf. Etwa 30 % berichteten über einen einzigen Risikofaktor, nur ca. 3 % von drei und mehr Risikomerkmalen. Zunehmende Trainingsumfänge sind mit zunehmend weniger Risikomerkmalen verknüpft. Einzelne, besonders schwerwiegende Risiken, die in der „Normalbevölkerung“ weit verbreitet sind und das Gesundheitssystem mit an die Grenze der Belastbarbarkeit geführt haben (z.B. starkes Übergewicht, Diabetes, Bluthochdruck, Rauchen), sind in dem Läuferkollektiv um ein Vielfaches geringer vertreten. Risikokonstellationen des sogenannten metabolischen Syndroms (gleichzeitiges Vorliegen von mindestens drei der vier Faktoren Adipositas, Diabetes (Insulinresistenz), Bluthochdruck, Blutfettstoffwechselstörungen), die in der durch Bewegungsmangel und Überernährung gekennzeichneten Bevölkerung nahezu „Normalität“ besitzen, sind in dem Befragungskollektiv verschwindend gering. Die hierzu vorliegenden eindrucksvollen Ergebnisse sind annähernd identisch mit den bereits veröffentlichten Ergebnissen (1). Zudem finden wir einen starken Indikator für eine von vielen Befragten erfolgreich vollzogene gesundheitsorientierte Lebensstilumstellung: die mit 4 % sehr geringe Quote des regelmäßigen oder gelegentlichen Rauchens. Dagegen geben etwa 1/3 der Befragten an, früher mal geraucht zu haben.
Bestätigung bisheriger und Gewinn neuer Erkenntnisse
Was haben wir dazugelernt? Trotz gewisser methodischer Einschränkungen, die zumeist mit Befragungs- und Beobachtungsstudien verknüpft sind, und der Frage, was letztlich Ursache und was Wirkung ist, bestätigen die Ergebnisse das enorme gesundheitliche, präventive Potenzial des Ausdauer- bzw. Laufsportes. Die Sportler realisieren auf beispielhafte Weise weitgehend und häufig auch darüberhinausgehend die regelmäßige körperliche Bewegung, wie sie die WHO als (Mindest-) Empfehlung für die Gesamtbevölkerung als notwendig erachtet. Die überwiegend sehr günstigen gesundheitsbezogenen Ergebnisse sowie die außergewöhnliche Aktivität der „greif.de-Läufer“ motivieren vielleicht diejenigen, die noch nicht die Perspektive und den Weg in die selbstmotivierte körperliche/sportliche Aktivität gefunden haben. Aber auch für die bereits erfahrenen und fitten Sportler sollte die Befragungsteilnahme ein Anlass sein, die eigenen gesundheitlichen Voraussetzungen kritisch im Blick zu halten und ggf. in einer sportärztlichen Untersuchung überprüfen zu lassen. Ein Gesundheitsfragebogen kann eine medizinische Untersuchung nicht ersetzen.
Für alle, die noch an der Befragung teilnehmen möchten:
1Rüther et al. 2018 Dtsch Z Sportmed 69 5 2018 S179
Anmerkung: Vereine, Sportlergruppen und sonstige Einrichtungen aus allen Bereichen und Disziplinen des Sports, die ihre Mitglieder und Freunde ebenfalls für gesundheitliche Fragen und Voraussetzungen der Sportaktivität sensibilisieren möchten, können sich an dem online-Befragungsprojekt kostenlos beteiligen. Anfragen hierzu sind bitte zu richten an: