Es gibt immer wieder überraschende Phänomene, die Trainingshäufigkeit, Intensität sowie Regeneration betreffen und nicht immer mit der gängigen Trainingsmethodik zu erklären ist. Es gibt wie immer mehrere Weg die nach Rom, in diesem Fall zum läuferischen Erfolg führen. Jeder kann und muss da verschiedene Wege individuell ausprobieren.
Natürlich führt ein über einen langen Zeitraum kontinuierlich angewendeter, durchdachter Trainingsplan mit systematischen Aufbau in aller Regel zum Erfolg. Die Fortschritte sind im Allgemeinen nicht linear. Selbst dann nicht, wenn keine Verletzung oder Krankheit das Training stört.
Empfohlen wird ein Training mit über die gesamte Woche verteilten abwechslungsreichen Trainingsinhalten und Intensitäten. Der Wechsel zwischen Belastung, regenerativem Training und einer Periodisierung ist Bestandteil jedes guten Trainingsplans, so z.B. auch der Greif-Pläne. Das sorgt für die entsprechende körperliche Anpassung, die Erholung und damit für den Leistungszuwachs. Die Erhöhung der Trainingstage pro Woche ist ein regelrechter Leistungs-Booster.
Was aber, wenn das persönliche Zeitmanagement oder auch Verletzungen bzw. Krankheiten dieses „empfohlene Training“ nicht möglich machen? Muss man sich dann von seinen läuferischen Zielen verabschieden und zum Fitness-Läufer werden? Wohl nicht! Mit unkonventionellen Anpassungen des Trainings und einigem Probieren kann es durchaus vorangehen. Dazu ein paar paar Beispiele.
Ein Greif-Club Mitglied lief in diesem Jahr in Hamburg eine neue Marathon-Bestzeit von 2:55 h. Das interessante daran ist, er trainiert nach einem Greif-Plan mit 3 Einheiten pro Woche. Da musste ich kurz stutzen. Auf meine Nachfrage ob er wirklich nur 3 mal pro Woche trainiert, bestätigte er mir dies. Er bekommt es zeitlich nicht anders hin. Wenn man allerdings bedenkt, dass er eine 36er Bestzeit über 10 km stehen hat und mit den 3, über die Woche verteilten Einheiten, auf ca. 80 km pro Woche kommt, dann ist diese Marathonzeit möglich. Mit der 36er Zeit über 10 km ist er auch zu den talentierten Läufern zu zählen.
In diesem Zusammenhang erinnere ich mich an einen US-amerikanischen Läufer aus den 80er/90er Jahren. Leider erinnere ich mich nicht mehr an seinen Namen, da ich den Artikel Anfang der 90er Jahr las. Dieser Läufer war die ganze Woche (Mo-Do) unterwegs und konnte nur jeweils am Wochenende (incl. Freitag) trainieren. In diesen 3 Tagen des Wochenendes lief er, in bis zu 3 Einheiten täglich, ca. 160 km. Dieses ungewöhnlich Training brachte ihn auf eine Marathonzeit von 2:18 h. Dieses Beispiel machte mir damals bewusst, dass es immer Möglichkeiten und Optionen gibt.
Das letzte Beispiel betrifft mich selbst. Im Newsletter vom 16.04.2019 hatte ich es kurz angedeutet. Es ging damals um das Thema „Laufen mit Schmerzen“. Ich befand mich im Sommer 1989 in der Marathon-Vorbereitung, als mich eine schmerzhafte Knöchelverletzung ereilte. Ein Arzt-Besuch, bei dem ich Wärme und eine Laufpause empfohlen bekam, brachte keine Linderung. Nach 3 Tagen waren die Schmerzen heftiger als vorher. Ich änderte die „Behandlung“ in täglich mehrfache Kühlung mit Eis. Außerdem stellte ich fest, dass schnelles Laufen funktionierte, während Gehen auf der Straße und lockerer Dauerlauf vor Schmerz nicht funktionierten. Also entschloss ich mich, bis auf weiteres nur schnelle Läufe zu absolvieren. Im folgenden siehst du, was ich in den Monaten Juli und August 1989 lief:
Datum | Training | Zeit |
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Mo, 03.07.1989 | TDL 10 km | 38:14 |
Di, 04.07.1989 | TDL 10 km | 38:18 |
Mi, 05.07.1989 | TDL 10 km | 37:28 |
Do, 06.07.1989 | TDL 10 km | 38:36 |
Fr. 07.07.1989 | TL 1x2000m, 1x1600m, 1x1200m | |
Sa, 08.07.1989 | TDL 10 km | 38:17 |
So, 09.07.1989 | TDL 10 km | 37:46 |
Mo, 10.07.1989 | TDL 10 km | 38:38 |
Di, 11.07.1989 | TL 3x400m, 1x1600m, 1x1200m, 3x400m | |
Mi, 12.07.1989 | Fahrtspiel 10 km | 41:32 |
Do, 13.07.1989 | TDL 10 km | 37:36 |
Fr, 14.07.1989 | TDL 10 km | 37:40 |
Sa, 15.07.1989 | TDL 10 km | 38:11 |
So, 16.07.1989 | Pause | |
Mo, 17.07.1989 | TDL 10 km | 37:10 |
Di, 18.07.1989 | TDL 10 km | 38:01 |
Mi, 19.07.1989 | Fahrtspiel 10 km | 42:10 |
Do, 20.07.1989 | TL 10x400m | |
Fr, 21.07.1989 | TDL 10 km | 37:06 |
Sa, 22.07.1989 | TDL 15 km | 57:01 |
So, 23.07.1989 | DL 20 km | |
Mo, 24.07.1989 | TL 20x200m | |
Di, 25.07.1989 | TDL 10 km | 38:00 |
Mi, 26.07.1989 | Fahrtspiel 10 km | 41:46 |
Do, 27.07.1989 | TDL 10 km | 37:07 |
Fr, 28.07.1989 | TL 1x2000m, 1x1600m, 1x1200m | |
Sa, 29.07.1989 | TDL 20 km | 1:15:52 |
So, 30.07.1989 | DL 26 km | |
Mo, 31.07.1989 | TL 20x200m | |
Di, 01.08.1989 | TDL 10 km | 37:29 |
Mi, 02.08.1989 | Fahrtspiel 10 km | 41:26 |
Do, 03.08.1989 | Pause | |
Fr, 04.08.1989 | TDL 10 km | 37:27 |
Sa, 05.08.1989 | TDL 15 km | 57:52 |
So, 06.08.1989 | DL 26 km | |
Mo, 07.08.1989 | Fahrtspiel 10 km | |
Di, 08.08.1989 | TDL 10 km | 39:58 |
Mi, 09.08.1989 | Pause | |
Do, 10.08.1989 | Wettkampf 13,4 km | 50:29 |
Fr, 11.08.1989 | DL2 15 km | |
Sa, 12.08.1989 | TDL 20 km | 1:15:36 |
So, 13.08.1989 | DL 25 km | |
Mo, 14.08.1989 | TL 10x200m | |
Di, 15.08.1989 | DL 10 km | |
Mi, 16.08.1989 | Pause | |
Do, 17.08.1989 | DL 10 km | |
Fr, 18.08.1989 | TL 4x200m, 1x2000m, 1x1600m, 1x1200m | |
Sa, 19.08.1989 | TDL 20 km | 1:15:15 |
So, 20.08.1989 | DL 32 km | |
Mo, 21.08.1989 | TL 10x200m | |
Di, 22.08.1989 | TDL 10 km | 36:25 |
Mi, 23.08.1989 | Fahrtspiel 16 km | |
Do, 24.08.1989 | TDL 10 km | 35:50 |
Fr, 25.08.1989 | Pause | |
Sa, 26.08.1989 | DL 15 km | |
So, 27.08.1989 | DL 15 km | |
Mo, 28.08.1989 | TDL 10 km | 37:29 |
Di, 29.08.1989 | DL2 16 km | |
Mi, 30.08.1989 | TDL 20 km | 1:14:55 |
Die längeren sonntäglichen DL ab der 3. Woche waren mit Schmerzen verbunden, aber ich quälte mich irgendwie durch. Ende August waren die Schmerzen vollständig verschwunden. Ich konnte das normale Training wieder aufnehmen und auch mal wieder locker laufen.
Ich bin bin keiner Weise stolz auf dieses Training und warne dringend vor Nachahmung. Ich wollte unbedingt laufen und habe einen möglichen Weg gesucht. Es zeigt nur, was abseits der „gültigen Trainingsmethodik“ möglich ist. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt eine 10 km Bestzeit von 34:19 min. Im Oktober konnte ich meine Marathon-Bestzeit von 2:46 h auf 2:42 h steigern. Es hat also funktioniert. Mit einer Laufpause im Sommer wäre es wohl nicht möglich gewesen. Ich hatte in diesen 2 Monaten auch keinerlei Anzeichen eines Übertrainings durch die höheren Intensitäten. Die Regenerationszeit von 23 Stunden hat immer ausgereicht. Mit Mitte 20 war ich auch eher noch im jugendlichen Alter.
Ehe mir jetzt Greif-Club-Mitglieder schreiben, im Juli wäre doch Sommer-Regeneration. Zum einen gab es 1989 noch keine Greif-Pläne ;-)) Zum anderen lief ich zu diesem Zeitpunkt gerade einmal seit 1 Jahr und 8 Monate. Nach so kurzer läuferischer Aktivität ist man immer noch auf dem aufsteigenden Ast. In den darauf folgenden Jahren gab es selbstredend auch bei mir eine Sommer-Regeneration.