Silvesterlauf, Hannover-Marathon Anfang April, dann den wichtigen Firmenlauf sowie Dorfläufe in der Umgebung, Swiss Alpin Ende Juli, Halbmarathons Mitte September und Anfang Oktober und dann den New York Marathon Anfang November. Das alles natürlich in Top-Form. Anschließend geht es genauso wieder von vorn los. Das ist die Vorstellung noch immer vieler Läufer von ihrem Laufjahr.
Wenn du ganz am Anfang deiner Laufkarriere stehst, dann mag dieses Verfahren 1 oder auch 2 Jahre gut gehen. Du wirst über diesen Zeitraum einen kontinuierlichen Fortschritt erzielen. Dein Körper passt sich über lange Zeit an, wenn du vom Nichtläufer zum Läufer wirst. Irgendwann werden deine Leistungen stagnieren und du fragst dich frustriert warum.
Auch wenn du immer eher immer im ruhigen Trainingstempo unterwegs bist, selten mal einen Tempolauf machst und nach Wettkämpfen in der Regel erst mal einige Zeit die Füße hochlegst, wird es funktionieren.
Wenn du allerdings kontinuierlich deine Leistungen verbessern möchtest, intensiv trainierst und ambitioniert an Wettkämpfen teilnimmst, dann funktioniert oben genannter Jahresablauf nicht. Dann braucht es Regenerationsphasen. Die Zeit dafür ist genau jetzt gekommen, im Juli! Später dann noch einmal im Herbst, z.B. im November.
Jeder Organismus, der eine Wettkampfsaison hinter sich hat, benötigt einen Regenerationszeitraum. Nur so kann er später das Training wieder annehmen und setzt dieses in höhere Leistung um. Es ist das allseits bekannte Prinzip der Superkompensation.
Auf Belastung (Training) folgt Regeneration und sorgt so für die Anpassung des Körpers und führt zur Leistungssteigerung. So, und nur so funktioniert Training. Dies sowohl im Mikro- als auch im Makrozyklus, also im Tages-, Wochen-, Monats- und Jahresverlauf. Dies gilt eben nicht nur für die anderen, sondern auch für dich! Es funktioniert bei jedem genau so.
Natürlich ist es möglich 3 Marathonläufe im Jahr (April, Juli, Oktober) zu laufen und mit einer Bestzeit abzuschließen. Auch auf hohem Niveau. Das war und ist z.T. der Rhythmus der Topläufer. Im April Quali für die internationalen Meisterschaften (z.B. WM), im Juli diese Meisterschaft und im Oktober noch einen um etwas Geld zu verdienen. Aber erstens gibt es da nach jedem Wettkampf eine kurze Regeneration von 2-3 Wochen um dann wieder aufzubauen und zweitens nach dem letzten Lauf eine entsprechend lange Regenerationsphase.
Ich frage mich, ob der sogenannte „Durchtrainierer“ auch mal seinen Blick links und rechts schweifen lässt und über den Tellerrand schaut. In JEDER Sportart gibt es diese Regeneration. Bei meinem zweiten Lieblings-Fußballverein, dem FC Union Berlin lagen zwischen Aufstiegsspielen und Trainingsstart 5 Wochen. Urlaub für die Spieler. Sicherlich mit individuellen Trainingsplänen, die aber vor allem Athletik und lockere Läufe beinhalteten, aber keine kraftraubenden intensiven Belastungen. Ich habe noch keinen Spieler erlebt, der plötzlich 10 Spieltage vor Saisonende durchgestartet ist. Den nächsten Entwicklungsschritt in der Leistung gäbe es immer nach der Regeneration und einer intensiven Vorbereitung.
Genau das ist der Punkt. Du sollst jetzt keine Pause machen und die Füße hochlegen. Genau das ist nicht mit Regeneration gemeint.
Was machst du aber nun während der Regeneration? Kein Problem, ich verrate dir ein paar Geheimnisse. Ab dem 1. Juli läufst du 3 bis 4 Wochen lang 20-25% weniger km und diese im Durchschnitt auch um 20 Sekunden pro Kilometer langsamer. Du lässt alle Tempoläufe weg, erfreust dich einfach an diesem schönen ruhigen Training und sorgst für deine athletische und technische Ausbildung (!!). Alternativ zum Laufen kannst du auch Radfahren, Schwimmen, Skaten, Wandern, Aqua-Jogging, … Alle Ausdauersportarten sind erlaubt.
Dazu läufst du zweimal in der Woche jeweils 3-5 Steigerungen, bis an den unteren Rand deiner persönlichen Sprintgeschwindigkeit. Diese Maßnahme dient dazu, deine Grundschnelligkeit zu erhalten. Verfalle nur nicht in Panik, wenn du wieder startest. Es dauert nur 2 bis 3 Wochen bis du wieder dein altes Niveau erreicht hast.
Zusammengefasst heißt das:
- regeneriere 3-4 Wochen physisch und psychisch vom Training im Winter/Frühjahr und der Wettkampfsaison
- reduziere den Umfang um 20-25%
- lasse Tempoeinheiten weg und laufe deine DL um 20 sec/km ruhiger
- nutze Alternativsportarten um andere Muskelgruppen zu belasten und das Bewegungsmuster zu ändern
- bereite dich mit Athletik-Training auf die kommenden Belastungen vor
- verbessere deine Lauftechnik sowie deine Kraft durch den Einsatz von Lauf-ABC
Leider wird vielfach immer noch das Athletik- und Techniktraining vernachlässigt. Jetzt ist die Zeit dafür! Versuche doch mal folgendes Training: suche dir jetzt im Sommer ein schattiges Plätzchen, absolviere eine Athletikeinheit von ca. 45 min und laufe anschließend noch locker 5 km.
Natürlich ist eine gut trainierte Beinmuskulatur entscheidend für deine Laufleistung. Ein gekräftigter Oberkörper und Rumpf ist dagegen ein von Läufern oft unterschätzter Faktor für gute Laufzeiten. Die Stabilität des Oberkörpers spielt eine entscheidende Rolle. Verantwortlich dafür sind Bauch- und Rückenmuskulatur. Sind diese zu schwach ausgebildet, kann es beim Laufen zu Ausweichbewegungen kommen. Die Folge ist eine verminderte Abstoß-Energie nach vorne.
Ein stabiler Oberkörper ist für eine effiziente Kraftübertragung unverzichtbar. Nur so kann sich auch die richtige Armtechnik optimal auf die Beine übertragen. Wußtest du, dass bis zu 70% des Vortriebs aus den Armen kommt? Ein effektiver Laufstil hilft schneller zu werden und weniger Energie zu verbrauchen. Außerdem unterstützt eine gut entwickelte Bauch- und Rückenmuskulatur deine Wirbelsäule gegen die grundsätzlich bei jedem Schritt auftretenden Stoßbelastungen. Ein starker Rumpf bildet damit einen natürlichen Schutz gegen Überlastungen beim Laufen.
Empfehlenswert sind die sogenannten Body-Weight-Übungen, also Übungen bei denen du nur dein eigenes Körpergewicht nutzt. Komplexe Ganzkörperübungen wie Planks, Liegestütze und Burpees sprechen deine stabilisierende Becken-, Bauch- und Rückenmuskulatur optimal an. Aber auch Übungen wie die Seit- und Vorwärtshalte sowie Bridging in verschiedenen Variationen sind sehr effektiv. Du wirst im Internet (YouTube) schnell fündig um die ein entsprechendes Programm zusammenzustellen. Ansonsten empfehlen wir gern Übungen aus dem Buch MaxxF.
Ebenso wäre jetzt die Zeit, mehrmals in der Woche in Ruhe ein Lauf-ABC zu absolvieren. Diese Übungen bringen dir Beinkraft, verbessern deinen Laufstil und bringen Abwechslung in dein Training. Dein Laufstil wird ökonomischer, du bekommst mehr Vortrieb und wirst schneller.
Dafür könntest du dir bei Sommerhitze einen etwas kühleren Park oder Wald suchen. Absolviere alle Übungen nach einem kurzen Einlaufen 3-4 mal technisch ganz sauber über 30-50 m mit kurzer Pause. Anschließend gehst du noch locker 5 bis 10 km laufen. Hier einige Übungen zur Auswahl:
- Fußgelenksarbeit
- Skippings
- Kniehebelauf
- Anfersen
- Kombinationsübungen (z.B. 2 mal Anfersen, 2 mal Knieheben, usw. Die Möglichkeiten sind fast unendlich)
- Hopserlauf
- Sidesteps
- Kreuzlauf
- Sprunglauf
- Rückwärtslauf
- Steigerungslauf
- Frequenzlauf
Viel Spaß bringen auch die sogenannten Drills, die die afrikanischen Läufer in ihren Laufschulen in großen Gruppen absolvieren. Das sind verschiedenartige Kombinationsübungen. Auch hier wirst du bei YouTube fündig.
So ein Regenerationszeitraum mit geringeren Umfängen ist auch immer eine gute Möglichkeit mal über den Wechsel zum natürlichen Vorfuß-Laufstil (mindestens aber Mittelfuß) nachzudenken und sich ggf. heranzutasten. Vielleicht sogar mit Barfußlaufschuhen. Dieser Laufstil ist effektiver und vermeidet Verletzungen, da die Stöße der Laufbewegung nicht durch den Körper geleitet werden (egal wie viel Dämpfung dein Schuh hat) sondern natürlich vom Fuß abgefedert werden.
Noch ein Hinweis. Solltest du aus irgend einem Grund (Krankheit, Verletzung, …) im Frühjahr nicht wie gewünscht trainiert und deine Form nicht gefunden haben, versuche nicht dieses Training jetzt im Juli nachzuholen. Dann nutze diesen Monat zum Wiedereinstieg. Durch die ruhigen Dauerläufe, Lauf-ABC und Athletiktraining kannst du wieder ins Training finden und z.B. bis zum Beginn eines Marathon-Trainings wieder fit werden. Die eigentliche Marathonvorbereitung von 8 Wochen startest du dann anschließend.
Zum Schluss verrate ich dir noch, was ich in meinen besten Laufjahren während der Sommer-Regeneration gemacht habe. Ich habe über mehrere Jahre nacheinander in den Semesterferien ab Juli lange Radtouren von mind. 4 Wochen gemacht. Die führten mich über 2500 bis 3500 km u.a. nach Frankreich, zum Nordkap und von Istanbul nach Venedig. Urlaub sowie Ausdauertraining ohne Intensitäten und ohne Laufen.