Man kann über die Psyche viel schreiben und gute Tipps geben wie man sich von ihr keinen Streich spielen lässt. Aber was denkst du, wie oft mich der eigene Kopf schon reingelegt hat. Und das auch noch im "hohen" Alter. Nachfolgend werde ich von einem meiner letzten Wettkämpfe berichten. In diesem Rennen ist mir etwas passiert, was schon fast lächerlich war. Du musst aber versprechen, es keinem weiter zu erzählen.
Diese Sache fiel mir Pfingsten wieder ein, als ich diesen Bereich mit dem Rennrad durchquerte. Es was ein Wettkampf Ende Dezember und der erste und einzige im Jahr. Ich war schlecht trainiert und wollte eigentlich alles ruhig angehen lassen. Aber! Plötzlich hatte ich einen Läufer neben mir, der gut 5 Jahre älter als ich war und früher auch für unseren Verein die LG Seesen startete. Damals kamen wir uns nie ins Gehege, weil ich deutlich stärker war.
Nun aber lief er neben mir und in was für einem Tempo. Ich war vom Start weg am Anschlag und musste schon beißen, um überhaupt mithalten zu können. 3 Runden waren zu laufen und nach zweien war ich schon so fertig wie im Marathonziel. In der 3. Runde zog mein älterer Partner das Tempo auch noch an. Und ich dachte: "Oh nee, er wird noch schneller." Jetzt geht es auch noch an dem Bach entlang und dieses ganze Stück geht bergauf bis hin zum Ziel."
Ich war kurz davor meinen Konkurrenten laufen zu lassen. Dann öffnete sich das Buschwerk, welches am Rand des Weges stand und ich hatte für einen Augenblick den Blick frei auf die Wasserfläche des Baches. Und oh Wunder, der Bach floss in Richtung Ziel. Es ging also zum Ende des Wettkampfs nicht wie angenommen bergauf, sondern bergab. Ein Blitz raste durch mein Gehirn und ein Ruck durch meinen Körper und schon war ich weg von meinem Partner.
Auf den letzten km holte ich noch gut 70 m auf die ältere Konkurrenz heraus und kam euphorisch in das Ziel. Als ich dann diese Sache verarbeitete, wurde mir wieder einmal klar, wie meine Psyche mich im Griff hatte. Als schwerer Läufer habe ich an Steigungen schon immer schlechte Karten gehabt. Das Wissen darum und der Glaube an eine kommende, auch nur ganz leichte Bergaufstrecke lähmte mich.
Kann man sich auf solche Situationen vorbereiten? Ja, ganz sicher. Ich habe im Netz bei Sport und Training einen sehr schönen Artikel gefunden von Andy Lane, Professor für Sportwissenschaft an der University of Wolverhampton und Redakteur für die Zeitschrift "Sport and Exercise Scientist". Den fand ich überragend gut und gebe ihn hier in Auszügen wieder:
"Entwickeln Sie emotionale Kontrolle!
Ihr emotionales Profil als Basis für Ihren Erfolg
Vor wichtigen Ereignissen erlebt jeder große Emotionen. Manche Sportler können diese Gefühle so kanalisieren, dass eine Leistungssteigerung eintritt, andere wiederum können sie steuern und ihre Angst reduzieren. Aber es gibt auch Sportler, die wie gelähmt sind vor Anspannung.
Dabei werden Gefühle selten isoliert empfunden, es werden eher verschiedene Empfindungen parallel verspürt. Bei diesem Beispiel ist der erste Sportler aufgeregt und ruhig, der zweite ängstlich und aufgeregt und der dritte ängstlich und entmutigt. Sportler 1 und 2 schneiden wahrscheinlich erfolgreich ab, während Sportler 3 vermutlich ein schlechtes Ergebnis erzielt. In Abbildung 3 werden die 3 verschiedenen Profile, die nun folgen, grafisch dargestellt
- Sportler 1: Dieses emotionale Profil ist gekennzeichnet durch Kraft, Spritzigkeit und Wachheit sowie Kontrolle. Dieser Athlet hat negative und unangenehme Emotionen im Griff. Dieses Profil wird oft mit extremem Selbstvertrauen und der Einstellung assoziiert, dass jede Herausforderung gemeistert werden kann.
- Sportler 2: Dieser Sportler zeigt in Zusammenhang mit Erfolg ein anderes emotionales Profil. Im Gegensatz zu dem von Sportler 1 kennzeichnen es Kraft, Angespanntheit und Wut. Das Gefühl der Anspannung und Wut hilft Sportler 2, sich zu motivieren. Für ihn kann Angespanntheit wie ein Warnsignal sein – "Ich versuche gerade, ein wichtiges Ziel zu erreichen, und nur wenn ich wirklich hart arbeite, werde ich dies auch schaffen."
- Sportler 3: Dieser Sportler ist ängstlich, wütend, mutlos und niedergeschlagen. Solche Gefühle werden sich wahrscheinlich leistungsmindernd auswirken. Das Gefühl der Anspannung kann noch bewirken, dass sich ein Sportler mehr anstrengt. In Kombination mit dem Gefühl der Niedergeschlagenheit kann es jedoch dazu führen, dass er aufgibt. Besagte Studien haben ergeben, dass Mutlosigkeit und Niedergeschlagenheit wahrscheinlich die unvorteilhaftesten Gefühle sind, die man vor und während eines Wettkampfs haben kann. Wenn Sportler sich gleichzeitig niedergeschlagen, wütend und erschöpft fühlen, neigen sie dazu, die Wut nach innen zu richten, sich selbst die Schuld zu geben und zu implodieren. Eine schlechte Leistung ist dann wahrscheinlich.
Bewerten Sie Ihr emotionales Profil
Ich lasse Sportler vor Trainingseinheiten und vor dem Wettkampf Selbstbeurteilungsskalen ausfüllen. Dabei bitte ich sie auch mitzuteilen, ob sie ihre Ziele erreicht haben. Emotionale Reaktionen treten in solchen Situationen immer auf, und wenn man weiß, wie seine Emotionen sich ändern, erkennt man im besten Falle auch, wie man sein Verhalten ändern kann. Sie sollten Ihr emotionales Profil vor unterschiedlichen Leistungssituationen bewerten. Dies können Sie mithilfe einer Emotions-Bewertungsskala kurz vor einem Wettkampf oder einer Trainingseinheit machen. Nach dem Wettkampf beurteilen Sie dann, ob Sie Ihre Erwartungen erfüllt haben oder nicht.
Die Leistung sollte in Bezug auf die eigenen Erwartungen und Ziele bewertet werden. Sie benötigen etwa 5 gute und 5 schlechte Leistungsergebnisse, um Trends ausmachen zu können. Natürlich ist das nicht immer möglich, denn es kann z. B. auch vorkommen, dass Sie eine Erfolgsserie haben und bei den meisten Ihrer Trainingseinheiten gut abschneiden.
Den Anfang können Sie aber auch machen, indem Sie einige Ihrer letzten Läufe betrachten und beurteilen, wie Sie sich vor Rennen fühlten, bei denen Ihre Leistung gut war (in Bezug auf Ihre eigenen Erwartungen) und vor Läufen, bei denen die Leistung schlecht war (wiederum in Bezug auf Ihre eigenen Erwartungen). Sobald Sie ein Stimmungsprofil in Zusammenhang mit guter und schlechter Leistung erstellt haben, kann ein psychologisches Trainingsprogramm speziell auf Ihre Bedürfe zugeschnitten werden.
Bewerten Sie sich selbst!
Die Emotionen lassen wir durch die Sportler selbst beurteilen, meistens anhand eines Fragebogens. Diese Methode hat natürlich den Nachteil, dass eine genaue Bewertung nur dann möglich ist, wenn die Fragen ehrlich beantwortet werden. Allerdings gibt es meiner Meinung nach keine bessere Alternative, da eine zuverlässige Bewertung von Emotionen nur möglich ist, wenn man Einblick in die Gedanken und Gefühle erhält.
Zwar kann man auch durch Messung von Hormonen (z. B. Adrenalin) auf Emotionen schließen, da diese Hormone bei Gefühlen wie Angst, Wut und Nervosität nachweisbar sind. Der Nachteil bei dieser Methode ist jedoch, dass die Physiologie von Gefühlslagen wie Vitalität oder Nervosität ähnlich ist wie bei anderen Zuständen, die durch hohe Aktivität gekennzeichnet sind, z. B. Angst und Wut.
Die Bewertung einer physiologischen Messung – also ob es sich bei den gemessenen Werten um Angst oder Vitalität handelt – ist nur durch eine ehrliche Selbstbeurteilung des Sportlers möglich, d. h. indem man die Person fragt, ob sie wütend, ängstlich oder aufgeregt war.
Es ist wichtig, dass Sie wissen, welche Emotionen Sie bei Erfolg oder Misserfolg empfinden. Wenn Sie ihre Gefühlslage in Zusammenhang mit einer schlechten Leistung bringen können, können Sie auch beginnen, eine Strategie zur Verbesserung dieses Faktors zu entwickeln.
Visualisieren Sie den Erfolg
Eine Strategie, wie Sie emotionale Kontrolle entwickeln können, ist, von Ihrer Vorstellungskraft Gebrauch zu machen. Die Vorstellungskraft kann sehr hilfreich sein, weil man mit ihrer Hilfe Situationen nochmals abrufen kann. Die dabei erlebten Emotionen können von dysfunktionalen in funktionale Emotionen umgewandelt werden. Hierbei ist die Aufgabe der Vorstellungskraft, die Situation gedanklich erneut zu durchleben, aber einzelne Aspekte zu verändern.
Wenn Sie lernen möchten, mit Ihrer Vorstellungskraft zu arbeiten, dann suchen Sie sich zunächst einen ruhigen Ort. Setzen Sie sich in einen Sessel, und machen Sie es sich bequem. Schließen Sie die Augen, und atmen Sie tief und gleichmäßig, bis Sie sich ruhig und entspannt fühlen. Stellen Sie sich vor, Sie befänden sich in der betreffenden Wettkampfsituation.
Versuchen Sie, möglichst viele Einzelheiten wahrzunehmen. Was können Sie hören? Wie riecht es in Ihrer Wettkampfumgebung? Wie fühlen Sie sich? Tauchen Sie mit allen Sinnen in Ihre Wettkampfumgebung ein. Sie sollten die Erfahrung in 30-Sekunden-Blöcken nochmal in Echtzeit vor ihrem inneren Auge durchleben. Wir ermutigen Sportler, in der Ich-Form zu visualisieren ("Ich befinde mich in ...") und sich an die emotionalen Erfahrungen vor und während der Wettkampfleistung zu erinnern.
Wir nutzen die Vorstellungskraft aber auch, um Sportlern zu zeigen, wie sie mit schwierigen Situationen umgehen können. Sie sollten versuchen, eine schwierige Situation zu antizipieren und sich vorzustellen, wie Sie sie erfolgreich bewältigen. Wichtig bei diesem Prozess ist, dass Sie sich vorstellen, wie Sie Faktoren in Angriff nehmen, die bei Ihrer jeweiligen Aufgabe eine Schwierigkeit darstellen. Unterschätzen Sie aber nicht die Schwierigkeit der Aufgabe, denn dies könnte falsches Selbstvertrauen erzeugen.
Stellen Sie sich z. B. vor, wie Sie gerade den härtesten Teil eines Laufes bewältigen und Ihr Körper sich erschöpft fühlt. Stellen Sie sich vor, wie Sie erfolgreich gegen die Ermüdung ankämpfen, wie langsam Wut und Niedergeschlagenheit aufkommen, wenn Sie spüren, dass Ihre körperliche Fitness dem angestrebten Leistungsstand nicht genügt.
Während der Sitzungen, in denen Sie mit Ihrer Vorstellungskraft arbeiten, sollten Sie Strategien nutzen, um sich psychisch aufzubauen und Kraft zu schöpfen.
Für Ultra-Ausdauer-Events wie beispielsweise den Marathon des Sables sollten Sie sich vorstellen, wie Sie sich zu Beginn einer schwierigen Etappe fühlen. Dies könnten z. B. 3 Tage einer mehrtägigen Veranstaltung sein, bei denen Sie ständig Müdigkeit verspüren. Stellen Sie sich vor, wie Sie sich sagen, dass Sie bereit sind, weiterzulaufen, wie Sie das Schmerzgefühl herunterspielen.
Stellen Sie sich vor, wie Sie die Strecke laufen. Konzentrieren Sie sich auf jeden einzelnen Schritt, auf alle kleinen Details, und sehen Sie selbst, wie gut Sie die einzelnen Etappen schaffen können, wenn sie in einfache Abschnitte unterteilt sind. Auf diese Art und Weise können Sie wirksame Bewältigungsstrategien entwickeln, die Ihnen helfen, unangenehme Emotionen in Wettkampfsituationen erfolgreich zu bekämpfen.
Reden Sie mit sich
Emotionen während eines Wettkampfs im Griff zu haben, bedeutet, die innere Stimme im Kopf zu kontrollieren. Wenn Sie sich müde fühlen, kann diese innere Stimme eine ausgesprochen negative Wirkung haben. Sie kann Ihre Tätigkeit anzweifeln, Ihnen einreden, dass Sie aufhören sollen, und sie kann ziemlich lästig werden. Wenn Sie sich müde fühlen, brauchen Sie jedoch positive Selbstbotschaften.
Zum Ausdauerlaufen gehört es, gegen die auftretende Ermüdung anzugehen. Dies kann man lernen. Sie können die innere Stimme ein- und ausblenden, und Sie können sie von negativ auf positiv umschalten. Denken Sie einmal an die Situationen bei Läufen zurück, in denen Sie sich müde fühlten. Überlegen Sie, was Ihre innere Stimme damals sagte, und schreiben Sie es auf. Im nächsten Schritt wandeln Sie dann die negativen Selbstbotschaft in positive Selbstinstruktionen um.
Nehmen Sie z. B. die negative Selbstbotschaft: "Meine Beine haben keine Kraft mehr. Ich muss aufhören." Eine solche Beziehung zwischen Müdigkeitsgefühl und der weiteren Vorgehensweise ist sehr schädlich für die Leistung. Sie müssen daher beide Aussagen dieser Botschaft ändern. Anstatt zu sagen "Meine Beine haben keine Kraft mehr", sollten Sie eher eine Formulierung wählen, die einen vorübergehenden Charakter hat, wie z. B. "Meine Beine sind müde". Dies trifft die Situation häufig auch besser. Müdigkeit tritt beim Ausdauerlauf meistens in Wellen auf, und starke körperliche Müdigkeitsgefühle können vorübergehen.
Es ist wichtig, die Strategie für den Umgang mit der Ermüdung zu ändern. Ich empfehle Läufern, sich auf ihre Technik zu konzentrieren, wenn sie sich müde fühlen. Dies ist eine gute Strategie, da sie weitestgehend vom Sportler selbst kontrolliert wird. Wenn der Läufer seine gesamte Aufmerksamkeit auf die Technik richtet, wird seine Aufmerksamkeit von der Müdigkeit abgelenkt. Das Ergebnis ist eine wesentlich positivere Selbstbotschaft: "Meine Beine sind müde, also konzentriere ich mich auf meine Technik, um effizienter zu laufen."
Positive Selbstgespräche eignen sich sehr gut, um schwierige Momente während des Wettkampfs oder Trainings gedanklich vorwegzunehmen. Erstellen Sie Skripte für solche Selbstgespräche, um negative Szenarien in positive zu verwandeln. Kombinieren Sie Vorstellungskraft und Selbstgespräch, um Situationen zu schaffen, in denen Sie unangenehme Emotionen durchleben. Dann stellen Sie sich vor, wie Sie erfolgreich mit diesen Situationen umgehen, und schreiben Sie die positiven Selbstbotschaften auf, mit denen Sie die negative innere Stimme im Kopf kontrollieren können."
Diesem Artikel ist eigentlich nichts hinzufügen. Er ist meinen eigenen Erfahrungen praktisch deckungsgleich. Nur eines kannst nur du allein, dich an die Arbeit machen und die Tipps umsetzen, die die vorhergehenden Zeilen dir vorgeben.
Falls du ein Ultraläufer bist, lohnt es sich auch den ganzen Artikel zu lesen, denn er bezieht sich im Weiteren auf den Marathon de Sables.