Countdown: Die Kraft der Psyche (Seite 116-119)
Motivation Schmerz
Hast du schon einmal Schmerzen in den Armen gehabt? Wenn ja, dann war zu diesem Zeitpunkt dein Katecholamingehalt so groß, dass dir deine Blutpipeline zu diesen während des Laufens völlig unwichtigen Muskeln den roten Saft nur noch tröpfchenweise geliefert hat. Deine motorischen Einheiten in diesem Bereich, die hauptsächlich für die Versorgung der Hände da sind, haben ob des geringen Nahrungsangebotes beleidigt und drohend mit Schmerzen geantwortet.
Es ist eigentlich ganz einfach. Mehr Katecholamine ergeben mehr Leistung der arbeitenden Muskulatur. Der Haken ist nun, dass im gleichen Umfang des Anstiegs auch die geistige Leistung gebremst wird. Diese Hormone haben gewissermaßen eine Schalterfunktion zu erfüllen. Wenn es gefährlich wird - und im Wettkampf simulieren wir ja höchste Gefahr -, dreht das Adrenalin dem Geist erst einmal den Hahn ab. Seine kreativen, träumerischen, philosophischen Gedanken werden nun nicht mehr gebraucht, es zählt nur noch das eigene Überleben. Der Geist fokussiert das Ziel; Überleben durch Flucht.
Motivation Adrenalinkick
Jetzt hilft nämlich nicht mehr die hochintelligente Auseinandersetzung mit der Gefahr, jetzt reagiert das Gesetz des Dschungels! Leben oder Sterben, Flucht oder Kampf sind angesagt. Und wie soll nun der wahre Kämpfertyp reagieren, wenn ihm in einem unwichtigen Wettkampf der Adrenalinspiegel an der Oberkante der Unterlippe steht, weil ihn einer seiner nächsten Konkurrenten am Start wieder so frech angeguckt hat? Da kann er nicht anders! Dann geht es rund. Dem muss er es zeigen. Mit mindestens 2 min Vorsprung muss unser Athlet die Altersklassen-Kreismeisterschaft gewinnen. Seine Hormone, das Erbe seiner Zeit als Neandertaler, haben es ihm befohlen.
Motivation: Glücksgefühl
Auch andere sehr stark gefühlsmäßige Regungen beeinflussen unseren Stresshormonhaushalt. Einige von uns haben schon einmal die so glückverheißende Erfahrung gemacht, in einem Rennen an der Spitze zu liegen und den Sieg vor Augen zu haben. Dieses so großartige Gefühl setzt auch solche Hormonmengen frei, dass sich niemand mehr Gedanken um seine Motivation machen muss. In solchen Momenten kannst du dich in einen Rausch hineinlaufen, bei dem du nur noch die unsichtbaren Kräfte spürst, die dich in das Ziel tragen.
Doch Vorsicht! Sei auf der Hut, rechne dir aus, dass doch jemand von hinten kommen könnte. Wie oft haben wir schon den totalen Einbruch gesehen, wenn der so lange und weit führende Läufer plötzlich in den Rücken eines Gegners sieht. Der Rausch endet dann mit einem Kater und der totalen Lähmung.
Motivation: Jagd - Du kannst diese Motivationseinbrüche verhindern, wenn du dir das folgende Prinzip zu eigen machst: "Sei stets der Jäger, niemals die Beute!"
Es ist für dein ICH unheimlich wichtig, dass du derjenige bist, der die Beute macht, der die Nase in die Luft streckt und wittert, dass da vorne gerade jemand Schwierigkeiten hat, der vielleicht auch noch nominell schneller ist als du. Du kennst dieses Gefühl des Jagdtriebs, welches dich in solchen Momenten überkommt. Alles, was vorher so bitter, so hart war, geht leichter. Da vorn ist der, der dich immer und immer wieder "zersägt" hat, dir nie die Spur einer Chance gelassen hat, immer oben auf dem Treppchen gestanden, die Preise und die Händedrücke kassiert hat, dich nie zuerst gegrüßt und immer so überlegen gelächelt hat. Jetzt riechst du sein Blut und seinen Angstschweiß. Er leidet und du willst ihn, wirst ihn bekommen. Deine Augen bohren sich in seinen Rücken, du wischt ihn weg.
Genießt den Triumph, empfängst am Ziel ganz nonchalant seine Glückwünsche. Du hast noch die Größe, deinen Konkurrenten trotz seiner Niederlage zu trösten. Dann aber schwärmst du aus, um möglichst vielen, die es wissen wollen oder auch nicht, davon zu berichten. Du hast ihn geschlagen, ihn, den Großen! Wenn du gar niemanden kennst, der dich so behandelt wie er, lege einfach in deiner Fantasie die negativen Eigenschaften in den Läufer, den du schlagen willst. Nenn ihn Holger und hasse ihn aus tiefstem Herzen. Keine Angst. Dir hilft es und ihm schadet es nicht, nach dem Zieleinlauf seid ihr wieder die besten Kumpels und könnt etwas zusammen trinken gehen.
Holger Meier: Deine Jagdbeute!
Was ist hier passiert? Simple, dein Geist hat ein "Opfer" erkannt, welches ihm besiegbar erschien, und das hat deine Agressionsbereitschaft in ungeahnte Höhen getrieben. So hat dein Körper den Befehl zur Produktion einer mächtigen Portion von Cortisol bekommen. Dadurch liefen die beschriebenen Regelkreise an. Dein System setzt die nötige Energie frei, beschleunigte den Kreislauf, erhöhte den Blutdruck, und schon war dein Ziel erreicht. Es ist natürlich alles viel komplizierter, ich habe dies nur alles sehr einfach beschrieben, um dir ein Ideenmodell zu liefern, mit dem du hantieren kannst.