Die Frühjahrs-Marathons sind durch. Die langfristige Vorbereitung auf die Herbst-Veranstaltungen geht wieder los. Dabei vor allem die mentale Vorbereitung, da ja noch die Sommer-Regeneration ansteht. Es gilt sich wieder zu motivieren, entsprechende Ziele zu setzen und ggf. die letzte Vorbereitung bzw. regelmäßig wiederkehrende Probleme zu analysieren.
Wie zum Beispiel in folgender Email, die ich vor ca. 2 Wochen von einem 34 Minuten-Läufer über 10 km erhielt:
Seit Anbeginn meiner Laufzeit (1982) habe ich bei langen Wettkämpfen (Marathon und vereinzelt Halbmarathon) immer wieder Magenprobleme. Deshalb habe ich im Marathon-Geschäft rund 15 oder 20 Jahre ausgesetzt. Auch nach so vielen Jahren bin ich vor so einem wichtigen Wettkampf (zu) nervös, was mir auf den Magen schlägt. Während des Laufes äußert sich das in Unwohlsein und Magenkrämpfen innerhalb von wenigen 100 m oder Kilometern, meist schon ab km 15 oder 20. Entweder bleibt nur das Tempo zurückzuschrauben oder warten bis das Frühstück (oder was davon übrig ist) wieder sichtbar wird. Danach habe ich Magenschmerzen für den Rest des Laufes, was häufig aus Schmerzgründen zur Aufgabe zwang und teilweise für Tage oder im schlimmsten Fall auch für Wochen mit Schmerzen anhielt. Insbesondere bei warmen Wetter passiert mir das, aber auch schon mal bei einem langen und sehr schnellen Trainingslauf wie 35 km mit Endbeschleunigung (ohne Nervosität im Vorfeld). Bei Wettkampfstrecken bis 15 km (HM) bleibt das Problem aus und zumeist bei Ultraläufen (bis 100 km). Es fokussiert sich überwiegend auf die Marathon-Strecke. Ausprobiert habe ich bzgl. Tabletten bislang noch nichts. Gibt es von eurer Seite Ideen hierzu?
Kennst du das auch? Magen- und Darmprobleme aufgrund körperlicher Belastung (Sport) sind nicht selten. Ebenso häufig sind Durchfall und Magenbeschwerden durch Stress. Wir kennen alle leichte Übelkeit in Stress-Situationen wie Prüfungen, Bewerbungen, … Zwischen Gehirn und den Verdauungsorganen gibt es also eine Verbindung, soviel steht fest.
Klar, der sportliche Wettkampf ist eine hohe körperliche Belastung, aber auch eine Stress-Situation. Der Körper befindet sich im Ausnahmezustand, im Überlebensmodus. Empfinden wir diesen Stress jetzt negativ, verursacht er Angst. Diese Angst lähmt uns und kann zu Problemen führen. In der Zeit vor dem Start wird plötzlich an allem gezweifelt, am Training, an der eigenen Form, am selbstgesteckten Ziel, … Das gilt es abzustellen.
Das die in der Mail beschriebene Nervosität nur beim Marathon und nicht bei Ultras auftrat, könnte ich mir damit erklären, das sich ein 34 min Läufer bei einem Marathon mit einer selbstgesetzten Zielzeit deutlich mehr unter Druck setzt als z.B. beim Rennsteiglauf. Dort gibt es eher keine Referenz-Zeiten und man läßt es innerlich ruhiger angehen. Der Stress hält sich in Grenzen.
Stress setzt große Mengen des Stresshormons Cortisol frei. Dies führt zu einer körperlichen Reaktion wie auch durch die sportliche Belastung selbst. Die Atmung wird beschleunigt, die Herzfrequenz erhöht und die Muskulatur durchblutet. Die dafür notwendige Energie für Herz, Lunge und Muskeln, werden aus dem Magen-Darm-Trakt abgezogen. Dieser benötigt für die Verdauungsprozesse allerdings selbst sehr viel Energie, Sauerstoff und Blut.
Im Darm wird der Nahrungsbrei über Darmbewegungen transportiert. Wird nun das Blut aus den Verdauungsorganen abgezogen (bis auf 20%), fehlt ihnen der Sauerstoff und sie stellen ihre Tätigkeit ein. Die Darmbewegungen werden reduziert und die Nahrung nicht mehr weitertransportiert. Sie verbleibt länger als üblich im Darm (vor allem Zucker) und kann bei sportlichen Belastungen Probleme zu Problemen führen. Wird während des Wettkampfes weiter Nahrung oder Flüssigkeit zugeführt, wird der Druck im Darm zu gross. Die Folge: Durchfall.
Eine Ursache für Übelkeit, Erbrechen, Magen- oder Darmkrämpfen kann zudem ein, durch die Bauchmuskulatur ausgelöster, erhöhter Magendruck bei hoher Belastungsintensität sein. Schwer verdauliche Nahrungsmittel vor der sportlichen Belastung können besonders heftige Krämpfe dieser Art auslösen. Ich persönlich empfand ein nasses Laufhemd (durch Schweiß oder übergießen mit Wasser) bei hohen Temperaturen und Gegenwind auf der Bauchmuskulatur als sehr unangenehm.
Lösungsansätze:
Solltest du keine Probleme dieser Art im Wettkampf haben, dann behalte deine Vorbereitung und Wettkampfroutine wie gewohnt bei.
Für alle anderen die mit großer Wettkampf-Nervosität und/oder Magen-Darm-Problemen im Wettkampf zu kämpfen haben, ein paar Hinweise. Ich erhebe dabei keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Ausführlichere Tipps zu den einzelnen Hinweisen oder auch entsprechende „Checklisten“ findest du z.B. im Buch von Peter Greif oder im Internet.
Stress vermeiden bzw. abbauen
Langfristig: Reduziere dein Stressniveau! Wer ständig unter Strom steht, dem gibt eine Akut-Situation den Rest. Verringere die Allgemeinbelastung, z.B. durch Entspannungsübungen. Meditation (immer wieder nachzulesen in den News von Dr. Strunz), Yoga oder progressive Muskelentspannung können helfen besser mit Stress umzugehen. Damit fängst du am besten gleich an.
Kurzfristig: Gönne dir der letzten Woche vor dem Wettkampf ausreichend Schlaf. Vielleicht kannst du es in diesen Tagen auch im Job etwas ruhiger angehen lassen.
Unmittelbar: Vermeide Stress am Wettkampftag. Erstelle dir eine Liste mit den Dingen die du vor, während und nach dem Wettkampf benötigst. Befestige Startnummer und Zeitmess-Chip schon am Vortag am Laufhemd bzw. Schuh. Habe das letze wärmende Kleidungsstück für die Zeit vor dem Start griffbereit. Überprüfe jeden Ausrüstungsgegenstand auf Funktionstüchtigkeit und Defekte. Orientiere dich bei großen City-Marathons rechtzeitig, wenn möglich am Tag vorher. Wo ist dein Startblock, wie kommst du hinein, wo sind die Toiletten, wo wirst du deine Tasche vor dem Start bzw. dein wärmendes Utensil nach dem Start wieder los. Wie kommst du zum Start. Welche S- oder U-Bahn fährt, hast du ein Ticket? All diese und weitere Dinge solltest du schon vor dem Wettkampftag erledigen oder klären. Schlussendlich begib dich rechtzeitig zum Start, um ein nerviges Drängeln und Schubsen zu vermeiden.
Was bei mir auch immer wieder Kopfschütteln hervorruft: Spare dir die Nerven und die Energie der Schnäppchen-Jagd auf der Marathon-Messe am Tag vor dem Marathon. Ich stand viele Jahre mit auf den Messen in Hamburg und Berlin. Wie viele Läufer ich dort am Samstag vor dem Rennen 3 Stunden umherschleichen gesehen habe, war unglaublich. Immer wieder umkreisten die gleichen Gesichter unseren Stand.
Mir persönlich bereiteten lange Autofahrten (z.B. Berlin - Schweiz) zu den Wettkämpfen die größten Magen- und Darmbeschwerden. Ich hatte immer den Eindruck, das sich durch die eingeengte Sitzhaltung im Auto die Innereien im Unterbauch verkrampften und brauchte mindestens 2 Tage, bis sich die Verdauung wieder reguliert hatte. Daher der Tipp, reise rechtzeitig an. Wenn du es einrichten kannst, auch 2-3 Tage vorher. Du vermeidest zusätzlichen Stress durch die Verkehrslage und kannst die letzten Einheiten vor Ort absolvieren.
Ernährung
Langfristig bei Nervosität vor dem Wettkampf: Hier könnten Nahrungsergänzungsmittel Abhilfe schaffen. Nicht erst vor dem Wettkampf, sondern langfristig und kontinuierlich. Meine Favoriten wären dabei (nach Dr. Strunz) Tryptophan, Magnesium und Zink. Tryptophan ist die Vorstufe von Serotonin, dem Glücks- bzw. Chefhormon. Es macht souverän, schafft Distanz zum Stress, kann Ängste nehmen und Panik abstellen. Zink ist entscheidend für die Umwandlung von Tryptophan in Serotonin. Ohne geht es nicht. Magnesium, das Salz der inneren Ruhe (im Volksmund „Stress-Mineral“) macht stressresistent. Magnesium nimmt außerdem den Druck aus dem Darm und sorgt für einen stressfreien Stuhlgang. Bei der Art des Magnesiums und der Dosierung mußt du ggf. etwas probieren, da es schon mal zu Durchfall führen kann. Aber diese „Entspannung“ ist ja der Sinn des Magnesiums.
Kurzes Abschweifen: wie in einem Newsletter geschrieben, bin ich leidenschaftlicher Tango-Tänzer. Nicht nur das, auch Tango-Musiker. Ich spiele Bandoneon, das Instrument des argentinischen Tangos schlechthin. Mit unserer Tango-Band spielen wir bei diversen Tanzveranstaltungen zum Tanz. 20 Jahre lang war ich bei jedem Auftritt fürchterlich nervös. Panik machte sich breit. Ich versuchte nur zu „überleben“ und bekam von der Atmosphäre der Milonga nicht viel mit. Seit 2 Jahren ist die Aufregung restlos weg, ich kann beim spielen die Tänzer beobachten, sie anlächeln. Bis vor wenigen Tagen war mir der Zusammenhang nicht klar. Mein Besuch bei Dr. Strunz war vor 2 1/2 Jahren. Er empfahl mir die 3 oben genannten NEMs zum Stressabbau und für einen entspannten Schlaf. Die Wirkung von 1500 mg Tryptophan, 30-60 mg Zink und 1600 mg Magnesium pro Tag war dann doch eine weitreichendere …
Einen weiteren interessanten Aspekt fand ich in der News von Dr. Strunz vom 07.09.2009. Zitat:
Laufen macht Bauchweh. Bei vielen Menschen. Hören Sie sich in Hawaii einmal die Triathleten nach dem Wettkampf an: Fast alle hatten gelitten an Magenschmerzen, Magenkrämpfen, Bauchweh, Blähungen bis hin zum Durchfall. Nennt man dann "Runners diarrhoea". Klingt immer so klug. Erklärt natürlich gar nichts.
Bis man dann einmal dem Weltbesten zuhört, nämlich Marc Allen, der erzählt, dass er während des Sportes ausschließlich Wasser und Traubenzucker zu sich nähme.
Traubenzucker? Wir nehmen doch ganz bewusst spezielle Gels (Power Gel) mit kombiniert lang- und kurzkettigen Kohlenhydraten. Also schnell- und langsam wirkenden. Weil wir doch so klug sind.
Marc Allen weiß etwas. Er weiß, dass ein Drittel von uns, ein Drittel der Deutschen keine Fruktose vertragen. Es aber nicht wissen. Fruktose, Fruchtzucker bereitet jedem dritten Mitteleuropäer Verdauungsprobleme wie "Übelkeit, Blähungen, Koliken und Durchfall". Und Fruktose ist natürlich genau in diesen Sport-Gels enthalten. Die Sportler wissen das bloß nicht.
Weißt du es von dir? Viele Läufer greifen in Ihrer Vorstart-Panik noch schnell zum Gel oder Riegel, die sie sonst nie verzehren. Alles was greifbar ist wird reingeschoben. Als ob sie sich noch etwas Leistung anfressen könnten.
Auch ich nehme mich da nicht aus. Beim Rotterdam-Marathon 1990 griff ich bei ca. km 25 aus reiner Not, weil es langsam schwer ging, nach einem angebotenen Iso-Getränk. Ich hatte es vorher nie getrunken. 100 m nach der Verpflegungsstation war es wieder draußen. Es hatte zum Glück keine Auswirkung auf Ausgang des Rennens, war mir aber bis heute eine Warnung.
Lass es! Keine Experimente vor und im Wettkampf. Esse und trinke nichts das du nicht vorher im Training ausprobiert hast! Dafür ist lange vorher Zeit. Verzichte vor und im Wettkampf auf die Banane, den Fruchtsaft, das Gel den Riegel oder fruktosehaltige Süßgetränke, wenn du dir nicht sicher bist ob du die Fruktose unter „Belastung“ verträgst. Siehe oben, sie verbleiben länger als üblich im Darm. Auch hier gilt: widerstehe dem Verkostungs-Wahnsinn auf der Marathon-Messe! Probiere nicht jeden neuen Riegel, jedes neue Gel oder Getränk das dort angeboten wird am Tag vor dem Wettkampf auf den du Wochen und Monate hingearbeitet hast.
Ansonsten gelten die üblichen Empfehlungen:
- ernähre dich gesund und abwechslungsreich
- plane ausreichend Zeit zum Essen ein, esse regelmäßig und kaue die Speisen gründlich. Plane danach noch Zeit für Entspannung ein (kurzer Spaziergang, lesen oder auch eine Tasse Tee).
- trainiere nie mit vollem Magen
- reduziere oder verzichte auch folgende Dinge: Kaffee, kalte Süssgetränke, kohlensäurehaltige Getränke, unverdünnte Fruchtsäfte, Alkohol, Süßigkeiten und Zucker, scharfe Gerichte, Kohl, Zwiebeln, Knoblauch oder Sellerie
- nimm die letzte, leicht verdauliche Hauptmahlzeit 3 h vor dem Wettkampf ein. Suche noch vor dem Aufbruch zum Start in Ruhe die Toilette auf.
- durch kleine Mahlzeiten mit wenig Fett und Ballaststoffen werden Magen und Darm weniger belastet. Diese Stoffe werden besonders langsam verdaut. Daher wird empfohlen in den letzten 2-3 Tagen vor dem Wettkampf darauf zu verzichten.
Vor allem den letzten Punkt solltest du ausprobieren. Ich bin da etwas kritisch und immer gut damit gefahren, nichts im Gegensatz zu meinem Alltag zu ändern. Wenn ich plötzlich etwas ändere, womit ich bei Tempoläufen und langen Läufen mit Endbeschleunigung gut klargekommen bin, dann rechne ich eher damit, das der Körper sich daran erstmal anpassen muss. Ich habe lediglich versucht, bis zur Wochenmitte vor dem Marathon meine Speicher zu füllen.
Stopfe dich nicht am letzten Abend voll. Das machst du am Abend vor einem 35er vermutlich auch nicht. Lasse die Pasta-Party abends vor dem Wettkampf links liegen! Esse die letzte größere Mahlzeit zum Mittag am Tag vor dem Wettkampf, am Abend dann etwas Kleines und Leichtes. So belastest du dein Verdauungssystem nicht über Nacht und kannst gut schlafen.
Fazit: Kümmere dich um dein Serotonin, nutze die Meditation zum Stress-Abbau. Du hast gut trainiert, der nächste Wettkampf kann kommen. Der bevorstehende Marathon soll Spaß machen! Es geht nicht um dein Leben!