In diesem Schreiben geht Manfred Steffny auf den Newsletter vom 01.05.12 ein, in dem ich mich unter anderem beklage, dass ich jetzt mit fast 70 wesentlich mehr arbeiten muss, als mit 50 Jahren.
Manfred Steffny hat leider keine Vita auf seiner Webseite. So viel: Eri ist Herausgeber des "Spiridon", der ersten deutschen Laufzeitschrift. Manfred hat eine Marathon-Bestzeit, ganz genau weiß ich es nicht, von 2:18 h. Er war Teilnehmer an der Olympiade in Mexiko City 1970.
Lieber Peter,
das glaubt dir kein Mensch, dass du mit (fast) 70 doppelt so viel arbeitest wie mit 50!! Aber ich glaube es Dir, denn mir geht es genauso.
Aber ich lese gerade von einem 8,07 m-Springer (Oliver König), der völlig ausgeburned krankgeschrieben worden ist und dreimal in der Woche bei der Psychotherapie war.
Der DLV hat ihm jetzt eine Stelle bei der Bundeswehr besorgt und freigestellt bis Juli. Sabrina Mockenhaupt hat jetzt vier Trainer - und läuft immer langsamer! Beckmann geht zu Cierpinski. Wer steckt wen an mit der Aussteigerei?
Ich schrieb für SPIRIDON: Die SG Spergau sollte sich umbebenennen und ein kleines u einfügen "Supergau". Wenigstens schrieb ich, hat Waldemar Cierpinski in Hamburg auf dem Rad keinen Plattfuß bekommen.
Siehste mal, und wenn man sich als 70er zusammenreisst, kann man nebenher noch so eine Mail schreiben statt klagend zusammenzubrechen.
Gruss MANFRED
Manfred Steffny, Dorfstr. 18 a, 40699 Erkrath, Graf-Adolf-Str.78, 40210 Düsseldorf, T.0211-36184937
Und nachfolgend antwortet Peter Greif:
Hallo Manfred!
Danke für dein Mitleid, aber da ich dich kenne, bin ich etwas skeptisch, ob du es auch ehrlich meinst. Ich kann von hier aus noch locker die Schlitze in deinen Ohren erkennen.
Ernsthaft: Meine Arbeit hat etwas Großartiges, besonders dann, wenn es mir die Greif-Clubmitglieder danken. Ich bin eigentlich seit Juli 11 arbeitsunfähig. Einmal 2011 eine schwere Endokarditis, eine zweite wesentlich schlimmere Anfang 2012. Ich hatte das Gefühl, eher tot als lebendig zu sein. Meine künstliche Schweineklappe aus 2006, war schon wieder im Arsch. Die versagte auch andererseits. Über einen langen Zeitraum hatte ich die Hoffnung, dass die in Körpermitte einmal wieder etwas kringeln lässt (Schweineschwänzchen). Nichts, gar nichts. ;-)
Nach der Re-OP am 10.03.2012, wollte ich nicht mehr weiter leben. Es waren furchtbare Schmerzen, aber als Marathonläufer hältst du so etwas für 3 Tage aus, dann ging es. Viel schlimmer waren die Störungen im Hirn.
Ich konnte nicht sprechen, als das ging, merkte ich, dass ich nicht mehr im Kopf rechnen konnte, allgemein Körperfunktionen liefen unwillig ab. Testosteron war auf null. Saß aber eine Woche später mit allen 3 Schläuchen im Körper und drei "Abwasserbehältern" als Anhängsel, schon wieder auf der Bettkante und schrieb auf meinem Computer.
10 Tage nach der Herzklappentransplantation, kam ich wieder nach Haus und sollte für drei Monate in die Reha. Jetzt hatte ich eine Kuhklappe. Die warf neue Fragen auf. Meinten die Bullen auf der Weide etwa mich, wenn sie muhten?
Aber der Alltag begann. Was habe ich gemacht? Mich an meinen Schreibtisch gesetzt und gearbeitet. Und es machte mir Spaß. Nur wenn man mich rund um die Frühjahrsmarathon mit Mails und Telefonaten bombardiert, die niemand mehr lesen und ich auch nicht mehr beantworten kann, musste ich die Schotten dicht machen. Und nützt es etwas? Nein in keiner Weise. Der Terror geht weiter.
Ich ziehe jetzt aus in eine andere eigene Wohnung fern vom eigenen Haus, wo ich meine Ruhe habe und schreibe ein Buch. Coautor ist Lothar Pöhlitz. Du hast ja auch dein Apartment über der Redaktion, wo du jede Nacht allein schläfst. ;-)
Ich aber fahre jeden Abend zur Mama und lasse mir etwas Schönes kochen. Meine Frau ist im ganzen Bekanntenkreis die anerkannt beste Köchin. Heute Mittag, am 11.5.12 sollte es Mauseohrensalat (Feld-) mit einer Soße aus süßem Senf anderen Zutaten, sowie warmen Scampis geben. Anschließend Känguru-Filet und Zwiebelbratkartoffel mit Ei. (Für Uli Strunz: Wirklich nur ganz wenig Kartoffeln).
Aber es war schönes Wetter und meine Frau ging raus in den Garten. Und das ist so eine Sache. Sie versinkt in ihrer Arbeit und vergisst ihren Termin um 12:30 Uhr. So auch heute. So gab es dann Frühkartoffeln, Spargelspitzen und Känguru-Filet. War auch sehr lecker.
Dann 4 Wochen nach der OP unser Trainingsurlaub in der Türkei. Da musste ich mit, denn keiner von meinen Trainern kannte auch nur einen Meter-Strecke in dieser Region. So bin ich dann 3 Tage vorher mit Doro und Peter Frey sowie Robert Jäkel nach Kizilagac geflogen und wird sind dann mit dem Auto in der Region umhergefahren. War abenteuerlich in den flachen, aber sehr engen Küstenhügel mit dem Auto zu fahren. In den Dörfern kamen wir zwischen zwei Häusern manchmal gerade noch durch.
Laufen und Radfahren konnte ich nicht. Gehen auf ebenen Boden schon, nur musste ich immer nach unten schauen. Aber auch wenn du in Bergen bist, musst du dich einmal entwässern. Dieses kannst du aber in der Türkei nicht am Straßenrand machen. Die Büsche und Kiefern stehen weit auseinander. Also ich musste rein in ins Gelände, hin zu einem Busch.
Keinen Meter konnte ich gehen, weil mein völlig zerstörtes Gleichgewichtsorgan im Ohr diesen Dienst versagte. Ich kroch also auf allen Vieren auf den ausgewählten nächsten Busch zu. Natürlich hätte ich um Hilfe bitten können, aber so etwas versagt sich der Wettkämpfer. Das Rutschen auf den Knien, tat meiner Haut nicht gut.
Es erinnerte mich wieder an Zeiten als wir alle im Jahr sechs - acht 25 km-Läufe rannten. Meistens vorne mit 15 Mann starker Gruppe. Ich lief damals mit einem zu 25% gelähmten Unterschenkel und zu 80% gelähmten Fußhebermuskeln. Wenn jemand an mein linkes Bein kam, hakte der rechte Fuß hinter das linke Bein. Und schon lag ich auf der Klappe.
Aber ich hatte das Aufstehen perfektioniert. Erste Stütze auf den rechten Unterarm abrollen über die Schulter und in einem Schwung stand ich wieder. So verlor ich maximal 2 m auf die Gruppe. Nur die Hautabschürfungen wie in den türkischen Bergen blieben. Es sickerte etwas Blut an Arm und Bein herunter und wir rannten weiter. Damit können wir der heutigen Generation beweisen, dass die Metapher "bis aufs Blut kämpfen" von uns, den uralten Marathonläufern stammt.
Und nicht wegen des Blutes, sondern wegen meiner Behinderungen schrieb man mir 25% Gesamtinvalidität zu. Habe ich heute noch, die 25%. Gott sei Dank, bezog sich diese nicht auf Geist und Seele. Und wenn du glaubst, dass du aus allen diesen körperlichen Tiefen herauskommst, dann schreckt dich so ein bisschen Brustaufsägen bei der Herz-OP nach dem Abklingen der Schmerzen nicht mehr.
Aber zurück zu doppelten Arbeit. Ich werde diese Zeilen auch in unserem Newsletter einstellen. Darum fahre ich jetzt mit der Ansprache an unsere Newsletterleser fort:" Die typische Mail fängt so: "Hallo Peter, ich weiß das du im Stress bist. Aber ich habe..... Und es folgt eine halbe Seite Text. Dazu brauche ich 10 min, um die zu lesen und zu verstehen. Aber jeder Anschreiber denkt ja, er wäre der Einzige, der fragt. Nein, es sind 100-te. Darum bleibt mir vom Hals. Fragt auf unserer Facebook-Seite die Greif-Club-Community. Dort sind Leute, die wissen genau so viel wie ich und sie haben noch etwas Zeit frei und antworten dir.
Es ist schade, dass es so kommen musste. Früher saß ich hier am Telefon und konnte in aller Ruhe, den Läufer(innen) helfen. Aber auch die muss ich jetzt aus Selbstschutzgründen abweisen.
Ich verlinke diese Mail auf unsere Facebookseite. Was aber auch nicht viel hilft, weil viele Läufer(innen) den Sensationsmedien mehr glauben als den Internetprofis. Die Erfahrung zeigt, dass gerade diese Typen Facebook für ein Verbrecherinstrument halten. Aber es ist umgekehrt, es sind die Junkmailer, die auf die Anklagebank gehören. Vielleicht lege ich mir gleich ein Formblatt für eine polizeiliche Anzeige zu. Oder sende ein paar schwarze Männer. :-))
Ich melde mich über den Fortgang meiner Rekonvaleszenz noch einmal nach dem 13.06.12. Dort habe ich einen Nachuntersuchung bei dem von mir sehr verehrten Prof. Hasenfuß, an der Uni Göttingen. Der mir sagen wird, wie es mir geht. ;-) Und dann ist aber auch Schluss mit diesen Berichten.
Mit herzlichen Grüßen, dein Peter