Heute möchte ich mich etwas zurück lehnen. Der Berliner Statistiker Reiner Braun übernimmt heute einmal die Führung. Rainer hat mit Erlaubnis der Veranstalter vom Berlin-Marathon, die Tempi aller Läufer(innen) über den gesamten Berlin-Marathon 2015 statistisch ausgewertet.
Reiner wiederum hat uns erlaubt, seine Arbeit hier in diesem Newsletter zu veröffentlichen:
Was man hat, das hat man – oder etwa nicht?
Eine Analyse der „offenbarten“ Renntaktiken anhand faktischer Rennverläufe beim Berlin Marathon 2015
Mit freundlicher Unterstützung der SCC Events GmbH
Juli 2016
http://www.blumento.de/DL/BM2015.pdf
Keywords: Renntaktik, Marathon, Endbeschleunigung
© Reiner Braun 2016
WAS MAN HAT, DAS HAT MAN – ODER ETWA NICHT?
Der Sieger des Berlin Marathon 2015 war nach 02:04 Stunden im Ziel. Der letzte Finisher benötigte für die 42,195 km etwas mehr Zeit, für ihn blieb die Uhr nach 07:07 Stunden stehen (Abbildung 1). Das sind die Extreme. Dazwischen laufen Meier, Müller, Schulze.
Von denen finishte knapp die Hälfte unter 4 Stunden, jeder vierte in weniger als 3:35 Stunden und jeder zwanzigste unterschritt sogar die magische 3-Stunden-Grenze. Soweit die Statistik. Aber was unterscheidet eigentlich die schnelleren von den langsameren Läufern?
Klar, im Durchschnitt sind Jüngere schneller als Ältere, Männer schneller als Frauen und Talentierte schneller als Bewegungslegastheniker (Abbildung 2).
Aber nicht alle Faktoren sind vom Läufergott gegeben. Abgesehen vom Trainingsfleiß gibt es einen Parameter, den sich jeder Läufer immer wieder selbst zurechtschmiedet: die Renntaktik.
Abbildung 1: Verteilung der Zielzeiten 2015
Berlin Marathon vom 27.09.2015; N = 36.768 Finisher
Quelle: SCC Events / Berlin Marathon 2015
Abbildung 2:
Mittlere Zielzeiten nach Alter und Geschlecht 2015
Quelle: SCC Events / Berlin Marathon 2015
Das Tempo im Rennverlauf
Der Rennverlauf des durchschnittlichen Marathoni sieht so aus: Bis Kilometer 25 ist das Tempo überdurchschnittlich, dann fällt es zusehends ab.
Aber so wie sich die Zielzeiten unterscheiden, so unterscheiden sich auch diese Tempovariationen. Der eine variiert seine Pace großzügig um +/-15%, die andere weicht kaum 5% vom mittleren Tempo nach oben oder unten ab (Abbildung 3). Doch welche Taktik führt zum Erfolg?
Über Erfolg und Misserfolg dürfte jener Teil des Rennens entscheiden, auf dem die Masse der Läufer ihr Tempo (noch) im Griff hat. Das sind offensichtlich die ersten 25 km, danach kommt irgendwann der Mann mit dem Hammer.
Die Tempovariation auf diesem Teilstück ist demnach ein Indiz für die individuelle Renntaktik. Also schauen wir na dunch, wie sich die Pace vom Anfang bis zum Ende dieser 25 km entwickelt (Einbruchrate).
Der Statistiker geht dabei pragmatisch vor und teilt alle Läufer in „gleichbreite“ Gruppen ein (Breite = halbe Standardabweichung der Einbruchrate; Abbildung 4).
Abbildung 3: „Offenbarte“ Renntaktik nach Läufertypus
Pace-Index (Mean = 100) nach Streckenabschnitt
Quelle: SCC Events / Berlin Marathon 2015
Abbildung 4: Verteilung der Einbruchraten
Einbruchrate = Veränderung der mittleren Pace auf Kilometer 16 bis 25 gegenüber Kilometer 1 bis 10
Mean = arithmetischer Mittelwert = 11,2sec,
Stabw = Standardabweichung = 23,5 sec
Quelle: SCC Events / Berlin Marathon 2015
Fortsetzung im nächsten Newsletter am 26.07.2016!