Eigentlich wollte ich etwas anderes heute schreiben, wurde aber angeregt durch eine Mail von M.T. über das Thema Muskelkater zu schreiben. Denn M. hatte doch ein massives Problem. Er schrieb:
"Hallo Peter,
ich schlage mich mit einem "Grundmuskelkater" rum, den ich nicht mehr recht los werde. Ich habe die Steigerungen im Trainingsplan gut geschafft (die 44.00 Zielzeit ist ok, müsste ich eigentlich anheben können auf 43.00 zumindest), in den letzten drei Wochen baut sich aber etwas zwischen schweren Beinen und Muskelkater auf.
Normalerweise erhole ich mich nach den intensiveren Einheiten gut (So / Di für mich, donnerstags lange Runde), jetzt ist es aber so, dass ich mich eher durch die Gegend schleppe. Mit Druck schaffe ich dann die Vorgaben nach Plan (wie 18 km in ~5.00 oder 7 km in 4.40), aber irgendwas ist da krumm. Es geht nicht darum, dass ich mich vor dem Februar/März drücken möchte, ich habe nur das Gefühl, irgendetwas falsch zu machen. Während des Laufens selber ist alles ok, mit normaler Ermüdung über die Einheit hinweg.
Es ist kein spezifischer Schmerz, eher ein dumpfes "Nicht-Wollen" aus der Muskulatur, alles andere ist ok. Ich nehme Magnesium, ohne verstärkt sich der Effekt. Ich hatte etwas ähnliches schon mal, damals habe ich dann zwei Wochen durchgehangen und dann wurde es wieder besser.
Was tun - zum Sportarzt?"
Dieses Schreiben brachte mich dann zum Grübeln? Was verursacht einen dauerhaften Muskelkater? Nach Überlegen, war klar, dass es einen dauerhaften Muskelkater nicht gibt, nur einen auf und abschwellenden.
Aber wir werden oft von Schmerzen geplagt, die wir für einen Muskelkater halten, die aber ganz anderen Umständen geschuldet sind. So kam es auch bei den Schmerzen von M.T. zu einem ganz überraschenden Ausgang, aber dazu später.
Eigene Erfahrungen mit dauerhaften Muskelkater habe ich genug. Als ich 1982 mit dem Laufen begann, ging es nur um Tempo und die Anzahl der Runden von 3000 m, die man laufen konnte.
Ich versuchte damals von 1 bis 7 Runden die Rekorde auf diesem Kurs aufzustellen. Was heißt, dass ich immer schneller und immer weiter lief. Hatte ich einen Rekord geknackt versuchte ich diesen zu brechen.
Diese ständig gesteigerte Trainingsleistung brachte mir einen permanenten Muskelkater ein. Meine erfahrenen Mitläufer kannten so etwas nicht und mit dem damaligen Wissen konnte ich mir diese Schmerzen nicht erklären.
Damals nahm man an, dass der Muskelkater durch die Übersäuerung durch Laktat kam. Das ist aber durch modernere Untersuchungen nachweisbar falsch. Laktat hat keinen Einfluss auf den Muskelkater. Vielmehr kommt im Muskel bei einer nicht gewohnten Belastung zu Mikrorissen innerhalb der Muskulatur.
Das war zuerst ein Indiz, konnte aber spätetestens nach den elektronenmikroskopischen Aufnahmen von D. Bönig, veröffentlich in der DEUTSCHE ZEITSCHRIFT FÜR SPORTMEDIZIN, Nr 2, 2000 nachgewiesen werden.
Abbildung: Foto Bönig: Muskelkater im elektronenmikroskopischen Bild. In der linken Faser sind die Sarkomere völlig intakt, rechts sind Z-Scheiben (dicke schwarze Striche) z.T. zerstört.
Bönig schrieb dazu zusammenfassend: "Muskelkater (verzögerter Muskelschmerz von etwa einwöchiger Dauer) tritt meist nach exzentrischen Kontraktionen, insbesondere mit schlechter Koordination, auf. Hohe Dehnungsbelastungen bewirken Zerreißungen von Z-Scheiben und Auflösung der Sarkomerstruktur bei einzelnen Fibrillen.
Der Schmerz entsteht vermutlich durch Autolyse zerstörter Faserstrukturen, Ödeme und teilweise auch Entzündung. Eine seltenere Form gibt es bei intensivem Stoffwechsel durch Dauerbelastungen; hierbei lassen sich Entzündungsreaktionen mit Leukocyteneinwanderung nachweisen.
Muskelkater ist durch die gleiche Bewegung für mehrere Wochen nicht erneut auslösbar und hinterlässt keine bleibenden Schäden. Er wird durch leichte dynamische Arbeit gemildert. Eine sicher wirksame medikamentöse Behandlung gibt es nicht."
Beachte bitte beachte besonders diesen Satz: "Muskelkater ist durch die gleiche Bewegung für mehrere Wochen nicht erneut auslösbar". Aber wenn du die Belastung erhöhst, dann kanst du nachfolgend ohne Probleme einen neuen Muskelkater auslösen.
Das ist für uns eine Binsenweisheit. Muskelkater kommt nach ungewohnter Belastung und dies auch dann schon, wenn gewohnte Übungen drei Wochen lang nicht ausgeführt wurden.
Grundsätzlich kann man sagen, dass jeder Muskelkater uns nach seinem Abklingen auf ein höheres Leitungsniveau hebt. Er macht uns besser. Man findet in 2-min-Eier-Zeitschriften oft den Hinweis, nicht so hart zu trainieren, damit als Folge dieses Trainings ein kein Muskelkater entsteht.
Ja, das kann man sicher machen, aber eine gesteigerte Leistungsfähigkeit resultiert daraus nur geringfügig. Einem Jogger macht das nichts aus, denn der läuft für seine Gesundheit.
Wir aber für erfolgreiche Wettkämpfe und damit müssen wir die Belastungen erhöhen und oft auch einen Muskelkater ertragen. Dies kommt besonders auf unserer längsten Trainingsstrecke vor.
Wir müssen uns so oder so fragen, ob wir unseren Leistungszuwachs nicht auch allein oder zum Teil durch einen vorherigen Muskelkater bekommen. Ich habe auch so eine Ahnung, dass selbst der Umbau weißer Schnellkraft- hin zur roten Ausdauermuskulatur über den Weg Muskelkater geht.
Die Erfahrung zeigt aber auch, dass bei gleichen Belastungssteigerungen nicht jeder beteiligte Athlet auch den gleichen schmerzhaften Muskelkater bekommt. In jedem Menschen stecken die eigenen und damit unterschiedlichen Erfahrungen seiner Muskulatur, denn in der Hauptsache kommen wir doch nicht alle von der Leichtathletik, sondern aus dem ganzen Spektrum der Sportarten oder wir begannen sogar ohne jemals eine organisierte Sportart betrieben zu haben.
Das heißt, jeder trägt sein eigenes unterschiedlich schweres Muskelkaterpäckchen selbst und manchmal wird er es für lange Zeit überhaupt nicht los. So einen Dauermuskelkater musste ich selbst am eigenen Körper verspüren, als der Schreiber dieser Zeilen 1982 eine Idee zu unserem winterlichen Athletiktraining hatte.
Als wir damit starteten, wurden die Wiederholungen jeder Übung gezählt und so lange ausgeführt, bis eine weitere nicht mehr möglich war. Und dann kam dieser Menschenquäler auf die Idee, auf diese Wiederholungen an jedem Trainingstag eine weitere drauf zu setzen.
Ich kann dir sagen, das war eine Quälerei! Es gab nur 3 Tage in der Woche, wo du dich einigermaßen ohne Muskelkaterschmerzen bewegen konntest. An den anderen Tagen konnte ich mich kaum aus dem Bürostuhl erheben. Wiederum gab es einige Läufer in unserer Trainingsgruppe die litten wesentlich weniger.
Innerhalb des Lauftrainings waren die Schmerzen nicht so präsent, nachdem man warm war. Es war so, dass nicht alle aus unserer damaligen Trainingsgruppe die gleichen Probleme hatten wie ich.
"Ja, ich habe so ein dumpfes Gefühl und wenn ich auf meine Muskeln drücke, schmerzen die ein bisschen." Diesen Satz bekam ich oft zu hören. Voller Eifersucht litt ich weiter.
Es könnte sein, dass sich meine damalige Muskelstruktur umstellte von Sprung- und Sprintvermögen auf Ausdauerfähigkeiten. Als früherer Handballer gelang es mir in meiner aktiven Zeit im Sprung ohne Probleme meine Hand über den Basketballkorb zu legen.
Als ich dann aber meine Ausdauerfähigkeiten stark verbessert hatte, kam ich nicht einmal mehr an den Ring des Korbes, sondern blieb 10 - 15 cm darunter.
In der nächsten Woche an dieser Stelle mehr vom Muskelkater.