Um es vorwegzunehmen: Aus dieser Falle kommt er schnell wieder raus, auch mit Hilfe dieses Newsletters. Obwohl er im Augenblick noch mit aller Gewalt versucht, sich tiefer in dieser Falle zu verstricken.
Aber lies erst einmal seine Mail:
"Hallo Peter,
am Sonntag, den 12.02.2012 habe ich dann doch den Rat von Herrn Köhler befolgt und trotz Schneeboden und -14 C meinen ersten Wettkampf in diesem Jahr absolviert. Ein Halbmarathon sollte es sein und zu deiner Genesung wollte ich beitragen. Natürlich bin ich trotz dieser Witterung Bestzeit gelaufen. Sie steht jetzt bei 1:35:45 Std (alt: 1:36:54). Da ich die zweite Hälfte sogar noch ein bissl schneller als die erste gelaufen bin, war ich ganz zufrieden (man hofft ja trotzdem immer auf mehr).
So jetzt kommt es aber: Seit dem bin ich eigentlich platt: Montag regenerativ 15 km in 5:50 min/km ging ja noch. Dienstag war aber schon nach einem km extensivem Versuch in 5:36 min der Ofen aus, sodass die 16 km zum Schluss auch nur in 5:51 waren.
Die 4 x 4 km am Mittwoch waren eine absolute Tortur. In 18:16 min sollte ich sie laufen. Schon beim ersten Lauf habe ich nach 2,5 km einen Krampf oder eine Zerrung im Oberschenkel (hinten) bekommen, hab sie aber noch in 18:11 geschafft.
Ich weiß nicht, ob ich da sofort hätte abbrechen müssen, mein Ehrgeiz ist aber so brutal, dass ich die anderen drei Läufe mit Hinkebein in 18:33 - 18:52 und 18:28 durchgewuchtet habe, wohlhoffend, dass es einen Tag später schon wieder gehen wird.
Na ja, am Donnerstag stand ja nur regenerativer DL in 6:06 - 5:18 min/km auf dem Programm. Von einer 5:?? min/km kann ich derzeit nur träumen. Mit viel Mühe habe ich die 15 km in 6:15 min/km geschafft und so habe ich dann Freitag den extensiven Lauf über 16 km komplett gestrichen, um die lange Runde am Samstag nicht zu gefährden.
Na ja, zu meiner relativ flachen 40 km Runde (HM ca. 60 m) hatte ich gestern überhaupt keine Lust und so bin ich einfach mal Richtung Taunus losgelaufen. Die Runde war sehr wellig: rauf gings langsam in ca 5:39 min/km und ich fühlte mich gut, gings runter wars die Hölle (mir tat jeder Muskel weh) und so bin ich einen Höhenmeter nach dem anderen raufgeklettert (ca. 400 können es dann schon geworden sein).
Bis km 24 gings dann rauf, aber dann kamen noch gut 20 km "Abstieg". Die Füße taten weh, die Knie taten weh, die Oberschenkel brannten. Zum Schluss standen 44,3 km in 4:05 Std. (5:32min/km). Dass ich heute (Sonntag) wieder total platt sein werde, damit habe ich schon gerechnet.
Das der regenerative Lauf über 90 min dann aber im 6:28 min/km lief, fand ich dann irgendwie erschreckend. Morgen stehen 18 km in 4:57 min auf dem Programm. Wie ich die schaffen soll, weiß ich noch gar nicht. Peter, was mache ich falsch? Habe ich zu hart trainiert oder ist das alles normal?
Wenn du kannst, gib mir einen Tipp, wie ich das Desaster wieder in die richtige Richtung bekomme?
Michael aus L."
Was konnte ich diesem Läufer nun raten? Erst einmal musste ich mich im Krankenhaus liegend kurz fassen, weil ich doch noch ziemlich schwach war. Diese Zeilen konnte ich ihm schreiben:
"Was dir passiert ist, ist völlig normal. Es ist ein Gesetz des Laufens: Wenn man eine längere Wettkampfpause gemacht hat, dann läuft der erste sehr gut, aber die kommenden 7 - 10 Trainingstage sind mies und das nächste Rennen meist auch. Aber du kannst fast sicher sein, dass es dir heute schon wieder besser geht."
Das ist natürlich nicht alles, was ich hätte antworten können, aber wichtig war erst einmal diesen am Boden liegenden Läufer zu trösten und wieder aufzurichten. Da er aber praktisch alles falsch gemacht hat, was man falsch machen kann, entstehen jetzt die nachfolgenden Zeilen.
Michael ist erst seit September 2011 bei uns im Club, also relativ unerfahren mit unserem Training. Darum sei vorausgeschickt, dass hier keine Kritik von meiner Seite ausgeübt wird. Alles ist verziehen; so etwas macht man eben, wenn man ehrgeizig ist und dieses auch nicht nur im jugendlichen Alter.
Schauen wir uns einmal sein Verhalten an:
Sonntag 12.02.2012 |
HM Wettkampf von 1:36:54 auf 1:35:45 h |
Montag 13.02.2012 |
Alles richtig gemacht, aber Schneeboden und PB hinterlassen Spuren im Körper. Statt nun einen Tag Pause zu machen oder auch die 15 km zu "schleichen", trainiert Michael weiter nach Plantempo. |
Dienstag 14.02.2012 |
Wieder Kampf gegen die Uhr, obwohl ihm sein Körper schon meldet, dass die Plananforderungen nicht zu erfüllen sind. |
Mittwoch 15.02.2012 |
Der "Hammerfehler" kommt am Mittwoch. 4 x 4000 m in 18:16:min." Schon beim ersten Lauf habe ich nach 2,5 km einen Krampf oder eine Zerrung im Oberschenkel (hinten) bekommen, hab sie aber noch in 18:11 geschafft." Michael versucht hier seinem Körper endlich den Rest zu geben. |
Donnerstag 16.02.2012 |
An diesem Tag gibt sein Organismus ihm eine weitere Warnung, nicht einmal dann akzeptiert er diese und läuft Tempo nach Plan. Und es muss jemand schon völlig "breit" sein, wenn er nicht einmal das Tempo des regenerativen Dauerlaufs schafft. |
Freitag 17.02.2012 |
Endlich gibt Michael nach und macht an diesem Tag Pause. Richtig so! |
Samstag 18.02.2012 |
Dann kommt der Supergau: 44 km durch die Berge unter Schmerzen. Das war die wahre Selbstverstümmelung. |
Sonntag 19.02.2012 |
Und diese Zeile von Michael, sagt alles weitere: "der regenerative Lauf über 90 min dann aber im 6:28 min/km lief, fand ich dann irgendwie erschreckend. |
In der Gesamtheit hat Michael eine Menge Fehler gemacht und sich im Verlauf der Woche immer tiefer in den Leistungskeller geschoben. Die Schwäche am Wochenanfang war nicht zu vermeiden, die ist seinem Wettkampf unter schlechten Bedingungen geschuldet.
Aber schon der nicht wirklich regenerative Dauerlauf am Montag war ein grober Fehler. Alles was danach kam, bis auf den Freitag, machte dieses Leistungsdilemma noch unerträglicher.
31 Jahre schreibe ich Trainingspläne und genau denselben Zeitraum lang rate ich allen Läufern gebetsmühlenhaft: "Gefühl geht vor Trainingsplan!" Ein Plan kann nicht wissen, welche Bedingungen an einem bestimmten Trainingstag vorherrschen. Ein Trainingsplan kann immer nur Empfehlungen geben.
Und was soll Michael nun machen, wenn es ihm in der Woche vom 20. bis zum 27. immer noch schlecht geht? Kein Problem, eine Woche jeden Plan-km 15 sec/km langsamer laufen und die regenerativen Läufe wirklich regenerativ machen. Das heißt, ganz gemütlich ohne Anstrengung joggen gehen.
Dann kommt er ganz schnell wieder auf die Beine und hat auch nichts verloren in Hinsicht auf seinen Hauptwettkampf einen Mai-Marathon. Aber ich habe so eine Ahnung, dass dies nichts wird. Läufer mit Persönlichkeitsstrukturen, wie die von Michael, gönnen sich keine richtige Ruhe.
Nicht dass sie ihren Fehler nicht erkennen. O doch! Sie trainieren dann einen Tag oder maximal zwei ruhiger. Danach packt sie aber das sprichwörtliche schlechte Gewissen wieder, nicht hart genug zu trainieren. Und schon geht es abermals los mit der wilden "Keulerei".
Da diese Strukturen in der Kindheit gelegt werden, kann kaum jemand und ganz bestimmt nicht der Ferntrainer, etwas an diesem Verhalten ändern. Nur dir kann ich vielleicht noch helfen, diese groben Trainingsfehler nicht zu begehen. Aber du trainierst doch sicher immer in einem vernünftigen Rahmen. Oder?