Ist dir eigentlich schon einmal aufgefallen, dass die afrikanische Elite Marathon- und Halbmarathonläufer von deutlich geringeren Trainingsumfängen sprechen als unsere heimische Elite? Die Weltbesten berichten meist von 140 Kilometer in der Woche bis maximal 200 Kilometer.
Unsere deutschen Eliteläufer versuchen aber in der Regel über 200 Kilometer zu laufen, wenn sie denn die Zeit dazu haben. Ich weiß auch von einigen, die schon an 300 Wochen Kilometer heran gekommen sind.
Wie kommt es aber, dass die Afrikaner so deutlich schneller laufen als unsere heimischen Athleten? Schaut man sich aber die Anzahl der Trainingsstunden an, dann kann irgendetwas nicht stimmen. Diese Läufer aus dem südlichen Kontinent trainieren viele Stunden, aber die können nicht allein mit intensiven Belastungen erfüllt sein.
Wenn wir einmal nicht genau die einzelnen Einheiten betrachten, sondern nur zwischen regenerativen, moderaten und intensiven Belastungen unterscheiden, dann kommen wir der Sache schon näher.
Die meisten afrikanischen Läufer zählen nur ihre intensiven Einheiten als Training, d.h. Qualitätskilometer. Und 140 Qualitätskilometer in der Woche muss man erstmal zusammen bekommen. So viel schafft man nicht einmal bei uns in einem Trainingslager. Nun ja, wir sind nun einmal keine Profis in dem wahren Sinne des Wortes. D.h. wir verdienen unser Geld nicht durch Laufen.
Wenn man sich die Realität eines ehrgeizigen deutschen Elite-Trainingslagers ansieht, dann kommen die Trainierenden auf maximal 80 Qualitätskilometer. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass die jetzige deutsche Elite mehr intensive Kilometer läuft als die frühere.
Kommen wir aber einmal zurück auf uns selber, die wir maximal sieben Mal in der Woche trainieren, aber darauf achten möglichst viele Kilometer am Wochenende im Trainingsbuch stehen zu haben. Aber was sind das für Kilometer?
Bei uns wird grundsätzlich jeder gelaufene Kilometer mit eingetragen, sei es das Ein- und Auslaufen und auch das Hinlaufen zur Laufbahn oder ähnlichen Treffpunkten. Es gibt dabei Läufer und es sind immer männliche, mit denen ich gar lächerliche Dinge erlebt habe.
Einige davon waren so etwas von kilometerg..., dass es einfach nicht auszuhalten war. Ich erinnere mich an einen Läufer in einem Trainingslager, der hatte es wirklich drauf. An einem Tage an dem 20 Kilometer angesagt waren und wir schon bei 19,5 Kilometer am geplanten Ziele ankamen, schoss er den Vogel ab.
Das Ziel war unser Trainingslagerhotel und lag direkt an einem kleinen Marktplatz und in der Mitte thronte ein großer Brunnen. Und was machte unser fleißigster Kilometersammler? Er lief noch zehnmal um diesen Brunnen herum, damit er auch wirklich die 20 Kilometer im Sack hatte.
Da stellt sich doch die Frage: Haben ihm diese 500 Meter noch etwas gebracht? Ganz sicher nicht. Denn eines ist sehr vielen deutschen Läufer noch nicht klar geworden: Leistungs-Fortschritte sind nur durch intensives Training mit anschließender Regeneration möglich.
Was aber nichts bringt ist ein intensives Training mit anschließendem langen Auslaufen um eine Kilometer-Anzahl voll zu machen. Das ist der erste Fall von Leerkilometern, den ich hier beschreibe. Und dieses lange und unnütze Auslaufen ist geradezu eine Pest unter unseren deutschen Athleten. Nicht heilbar, aber immer schädlich.
Das liegt daran, dass viele von den überdurchschnittlich schnellen Athleten auf der Langstrecke zuerst für die Mittelstrecken trainiert haben. Beim hoch intensiven Mittelstreckentraining ist es nötig die Ermüdungsstoffe nach einem Tempolauf durch Auslaufen zu eliminieren.
Das ist aber nicht so beim Langstreckentraining, wo Ermüdungsstoffe, wie zum Beispiel Laktat aus der Zelle entfernt werden müssen. Wer eine 10.000 Meter Tempodauerlauf hinter sich hat, sollte danach noch eine lockere Runde drehen und dann Schluss mit lustig. Sofort ausruhen, Essen und Trinken, damit die Regeneration sofort einsetzt.
Und das ist genau der Ansatz, der nicht richtig verstanden wird. Regeneration setzt erst nach Stillstand des Laufens auf Gehniveau und Zufuhr von entsprechenden Ernährungssubstraten wie Proteine und Kohlenhydrate ein. D.h. durch nur kurzes Auslaufen und entsprechende Ernährungsmaßnahmen verlängert sich die Regenerationszeit. Damit wird wieder eine intensivere Belastungen beim nächsten Tempolauf möglich.
Dabei sollte man natürlich nicht zu der Idee kommen die regenerativen Läufe schneller zu laufen oder sie gar ganz zu streichen.
Damit unterbricht man die Regeneration. Das geht am Anfang relativ gut, weil der Körper an Gewicht verliert. Das verbessert das Kraftleistungsverhältnis und der betroffene Läufer kann schneller laufen.
Leider geht das nicht lange gut. So etwas hält ein Organismus nur maximal drei Wochen aus und dann kommt ein körperlicher Zusammenbruch. Wenn man seinem Körper nicht das gibt, was er benötigt, nämlich die richtige Ernährung und Erholung, dann macht er irgendwann den Laden zu. Und dann ist das Gejammer groß.
Natürlich sind auch die bei einigen unendlichen Einlaufkilometer als nutzloses Training zu bezeichnen. Es gibt durchaus nicht wenige Personen in unserer Szene, die laufen sich vor einem 10-Kilometer-Wettkampf fünf Kilometer lang ein. Völlig überflüssig so eine Übersprungshandlung, welche nicht getrieben wird durch den Sinn der Sache, sondern durch Stress und Nervosität.
Wichtig ist bei Wettkämpfen bis zehn Kilometer drei bis vier Steigerungen bis zum Renntempo zu absolvieren, um den Körper auf die kommende Belastung einzustimmen. Mehr als zehn Minuten sollte man für dieses Programm nicht einsetzen.
Als leere Kilometer sind auch die zu bezeichnen, die wir so gerne haben. Du kommst nach Hause, hast einen harten Arbeitstag hinter dir und es stehen 20 Kilometer im flotten Tempo auf deinem Plan. Du bist aber psychisch völlig erschöpft und dir graut vor dieser Einheit.
Was machst du? Du gehst raus läufst eine Stunde ruhig im Wald. Danach fühlst du dich geistig erholt und entspannt. Aber dennoch hast du ein schlechtes Gefühl, bist bedrückt weil doch heute ein Tempolauf auf dem Plan stand. Diese Einheit war kein Regenerationslauf, sondern ein psychischer Erholungslauf.
Aber hast du dich wirklich danach psychisch erholt? Ganz sicher nicht, denn irgendetwas in dir bohrt immer weiter, weil es deine Pflicht war 15 Kilometer schnell zu laufen. Du warst ja nicht körperlich erschöpft, sondern du hattest nur deinen Kopf voll von Arbeit und Stress. Und was du danach dann produziertest waren leere Kilometer.
Du kannst ganz sicher sein, dass du zusammen in einer Trainingsgruppe niemals diesen Tempolauf gestrichen hättest. Und du kannst ebenso sicher sein, dass für dich trotz deiner Arbeitsbelastung ein befriedigendes Trainingserlebnis herausgekommen wäre.
Darum rate ich dir zu zwei Dingen: 1. Streiche nach harten geistigen Arbeitstagen keine Tempoläufe und 2. Sorge dafür, dass du immer mit jemanden trainieren kannst. Dieser Mensch muss nicht unbedingt deine Leistungsstärke haben, sondern ihr müsst nur die Möglichkeit haben euch aneinander zu messen.
Das lässt sich besonders gut auf der Bahn machen. Dort kann man dann auch einmal später kommen und sich dennoch in den Tempolauf einreihen und sich mitziehen lassen. Wer keine Bahn zu Verfügung hat, kann seine Tempoläufe auch auf eine ein bis zwei Kilometer lange flache Straßen- oder Radweg-Wendestrecke verlegen.
Wichtig ist dabei nur, dass es eine feste Abmachung innerhalb der Trainingsgruppe gibt, dass ein Lauftraining zum Beispiel immer Alltags zwischen 17:30 und 19 Uhr stattfindet. Du kannst sicher sein, dass sich solch eine Laufgruppe immer weiter vergrößert.
Dabei müsst ihr euch klarmachen, dass jeder, der zur Gruppe gehört auf der Trainingsstrecke bleibt und sich nicht beim Anblick des leeren Kurses denkt: "Ist wieder keiner da heute, ich gehe in den Wald laufen."
Denn wenn dieser Mensch sich sofort verzieht, dann kommt in den Minuten danach, der nächste und denkt das Gleiche und verschwindet vom Kurs. Und so sterben dann die Laufgruppen. In solch einer Situation meint jeder, der andere hat Schuld, obwohl jeder Einzelne die Verantwortung trägt. Diese Regel ist unglaublich schwer in die Köpfe von uns Läufern hereinzubringen.
Da gibt es wirklich Typen, die heulen dann herum: "Ich war gestern und vorgestern pünktlich da und es war immer keiner da, was sollte ich denn da auf unserer Strecke?" Die Antwort ist ganz einfach: anfangen und warten auf die anderen, die noch kommen werden. Denn wenn der Betroffene vor Enttäuschung dann wieder alleine in den Wald läuft, dann kommt nur eines heraus und das sind die leeren nutzlosen Kilometer.