Wie angekündigt kommen wir heute zum letzten Kapitel über Trinken im Wettkampf. Zu diesem Thema hatte ich in unserem Trainingslager in Wolfshagen im August 2012 ein interessantes Erlebnis. Es fanden sich unter anderem zwei junge Damen hier ein, die nicht gerade in das Gruppenprofil passten.
Sie hatten noch überhaupt keine Wettkämpfe absolviert und planten aber in Zukunft einen Halbmarathon und dann einen Marathon zu laufen. Es stand zu Beginn des Trainingslagers ein 10 km-Tempodauerlauf auf dem Plan, dieser sollte mit maximalem Einsatz gelaufen werden.
Diese beiden Frauen kamen aus einem Ort und trainierten jede Einheit zusammen. Es zeigte sich, dass sie auch den Tempo-Dauerlauf gemeinsam laufen wollten und ganz exakt darauf achteten, dass ja nicht eine von beiden auch nur eine Brustbreite vorn lag. Auch die Intervention des Trainers war nutzlos, der darauf hinwies, das so ein Training einen Wettkampfcharakter hat.
Diesem wurde aber sehr schnell klar, dass die beiden auch nicht 1 s lang begriffen hatten, um was es hier geht. Die 10 km wurden auf einer 2,5 km langen Wendestrecke absolviert. Als beide gemeinsam wieder zum Start zurückkamen, um auf die zweiten 5 km zu gehen, wendeten sie nicht, sondern sie gingen locker zu ihren Trinkflaschen mit den Worten: "Wir haben Durst!" Das war nach etwa 30 min Laufzeit.
Der Trainer war einem Herzinfarkt nahe und versuchte beide zu bewegen weiter zu laufen. "Nein, wir haben Durst, wir müssen jetzt trinken!" Tja, was soll ich machen? Flasche aus der Hand reißen oder sie am Kragen wieder auf die Strecke ziehen? Nichts da, ich weinte nur innerlich in mich rein und dachte, wer hat diesen beiden zu so einem Sch… geraten.
Als ich mich dann beruhigt hatte, kam dann wieder der Kopf zum Einsatz. Mir war dann sofort klar, dass diese beiden Läuferinnen eigentlich nur das getan haben, was Apotheken-Fachblätter und schlechte Läufermagazine früher ständig geschrieben haben. Trinken, trinken, trinken...!
Zur Ehrenrettung der Beiden ist festzuhalten, dass sie sich im Laufe der Woche zunehmend veränderten. Beim nächsten Tempolauf gaben sie sich dann schon richtig die "Kante".
Aber wir müssen uns fragen, haben die beiden denn Durst haben können? Nein! Sie hatten vor dem Start ausgiebig getrunken und so war es unmöglich, dass es ihnen an Flüssigkeit fehlte. (Siehe Kasten unten).
Zugegeben, es war ziemlich warm, in der Nähe von 30° im Schatten. Aber auch diese hohe Temperatur treibt nicht einen einzigen Läufer oder Läuferin innerhalb von 30 min in einen Wassermangel. Was aber trieb sie zu ihrer Trinkflasche?
Da half nur denken. Wie war das bei mir in meinem Höchstleistungs-Zeitraum? Niemals hatte ich auch nur eine Idee nach 30 min Laufzeit Wasser oder etwas Ähnliches zu mir zu nehmen.
Dann aber erinnerte ich mich an eine kürzlich durchgeführte Fahrradtour mit Temperaturen zwischen 35 und 38° im Schatten. Zudem verlief diese Strecke zu 80% im Sonnenschein und die Luftfeuchtigkeit betrug 28%.
Als ich losfuhr, trank ich ausgiebig und dennoch verspürte ich schon nach 10 min radeln Durst. Kann doch nicht sein, dachte ich, du hast doch gerade getrunken. Abermals Kopf und Gefühl eingesetzt und schon im nächsten Moment wurde mir klar was los war: Ich hatte gar keinen Durst, sondern mein Mund war völlig ausgetrocknet. Darum verlangte mein Gefühl nach Wasser.
"Mund zu machen und durch die Nase atmen, das müsste helfen." Gesagt und getan und schon war mein Durstgefühl weg. "Man dachte ich, dazu hast du jetzt 50 Jahre gebraucht, damit dir dieser banale Umstand klar wird."
Und in diesem Moment war mir genau so klar, warum auch Spitzenathleten im Marathon und Halbmarathon nach der Wasserstelle geiern und dann nur einen einzigen Schluck trinken. Manche Läufer bekommen fast einen Herzinfarkt, wenn sie ihre Trinkflasche verpassen.
Erst in diesem Moment ging mir das Licht auf, warum alle Welt auf das Trinken im Marathon schwörte und wir Seesener dieses auch bei Hitzerennen unterließen. Wir hatten gelernt, auf unserer sehr schweren 35 km Runde ohne Trinken auszukommen und hatten dabei kaum jemals Durst. Wir hatten nur geübt, unseren Speichelfluss so zu managen, dass wir keinen trockenen Mund bekamen.
So kann ich dir nur raten: Versuche schon im Training ohne Wasser auszukommen und schon gar nicht energiereiche Getränke zu dir zu nehmen. Denn wenn du dieses Verhalten nicht trainierst, dann wird dich in jedem Rennen mit etwas höheren Temperaturen der Trocken-Mund-Durst treffen.
Und der ist unangenehm ohne Zweifel. Da innerhalb der meisten Langstreckenwettkämpfe die Verpflegungsstationen im 5 km Abstand stehen, wirst du nach dem ersten Becher Wasser dennoch schon 4 km weiter unter dem Trocken-Mund-Durst leiden.
Und dieses Leiden ist unnötig, also lerne deinen Mund feucht zu halten. Denn du hast im Rennen genug damit zu tun, dein Tempo zu entwickeln oder es zu halten. Und immer wieder droht ein Holger dir wegzulaufen, was auf keinen Fall geht. ;-) Es weiß jeder: Holgers müssen umgemacht werden, komme was da wolle. Oder besser noch: Komme was da laufe!
Damit beenden wir die "Trinkserie". Vielen Dank, dass du mein Leser warst. Schönen Gruß an alle, auch an deinen Holger und die, die mich so oder so nicht mögen.
Greif 2006 Organismus-Wasser, ml |
2:30 h-Läufer mit 600g Glykogen, verbraucht davon 80%. Angenommene Schweißrate 800 ml/h |
3:15 h-Läufer mit 500g Glykogen, verbraucht davon 70%. Angenommene Schweißrate 600 ml/h |
4:00 h-Läufer mit 400g Glykogen, verbraucht davon 60%. Angenommene Schweißrate 500 ml/h |
Vorher getrunken | 600 | 600 | 600 |
Glykogen-Bindungs-H2O | 1200 | 350 | 240 |
Oxidationswasser | 200 | 250 | 300 |
Gesamtes zur Verfügung stehendes H2O | 2000 | 1200 | 1140 |
Angenommener Gesamt-Schweißverlust | 2000 | 1950 | 2000 |
Auszugleichende Flüssigkeitsmenge | 0 | -750 | -860 |
Benötigte Flüssigkeit ml/h | 0 | 231 | 215 |