Heute beschäftigen wir uns mit einem Menschen, der nicht zu unserer Szene gehört, aber dennoch ein Geistesverwandter ist. Es ist der über 40 Jahre alte Profiradrennfahrer Jens Voigt, der über sich und sein Alter nachgedacht hat und zu Schlüssen kam, die ich nachfolgend kommentieren werde.
Wir wissen, dass die Leser unseres Newsletter im Durchschnitt etwa 45 Jahre alt sind. Also sind wir praktisch genau in dem Alter welches Jens Vogt "The Iron Age", das eiserne Alter nennt. Und darum sollten seine Gedanken auch an dieser Stelle passen.
Gebracht hat mich auf diesen Artikel Oliver Richter mit einer Mail, in der er schrieb: „Hallo Peter, ich lese seit Jahren euren interessanten Newsletter. Da ich auch gerne Rennrad fahre, bin ich während der diesjährigen Tour de France auf den Blog von Jens Voigt gestoßen.
Nächstes Jahr werde ich 40ig, da fand ich den Blog Eintrag "The Iron Age" besonders interessant. Ich dachte mir, der Beitrag könnte auch für euch und den Greif Club interessant sein. Jensie ist wirklich einer der ganz besonderen. Gruß Oliver." Oliver hat dankenswerterweise auch diesen Text aus dem Englischen übersetzt.
Nachfolgend die kommentierten Absätze des Textes von Jens Voigt:
Die Herausforderungen:
1. Es dauert länger in Form zu kommen. Wenn du 21 bist machst du schnell Fortschritte. Schon nach einer Woche hartem Training merkst du schon Verbesserungen. Diese Dinge gehen nicht mehr so schnell, wenn du älter wirst, das heißt du brauchst mehr Zeit dich auf deine Ziele/Wettkämpf vorzubereiten".
Da hat Jens nur oberflächlich gesehen recht. Es ist nämlich so, dass ein älterer Athlet seine Form genauso schnell findet, wie ein junger. Nur wird im jugendlichen Alter die Form von der Leistungsentwicklung verdeckt.
D.h., dass ein junger Mensch seine Leistungfähigkeit noch nicht vollständig entwickelt hat. Somit macht er in seiner Jugend Riesen-Leistungssprünge und kann somit seine Form gar nicht erkennen.
Als ehemaliger Jugendtrainer haben meine jugendlichen Athleten genau die gleiche Periodisierung durchgemacht wie die Erwachsenen. Die ausgereiften Läufer rannten meist nur in ihrem Hochformbereich im Frühjahr und im Herbst persönliche Rekorde. Im Gegensatz dazu die Jungs, die erzielten das ganze Jahr über Bestzeiten.
"2. Du musst besonders deine Fähigkeit zu Sprinten trainieren. Je älter du wirst, desto langsamer wirst du. Du verlierst deine schnellen Muskelfasern mit dem Alter. Das heißt, mach mehr Sprinttraining! Du brauchst kurze Power Workouts, schmerzhafte, sehr anaerobe Intervalle mit Höchstgeschwindigkeit.
Ich war nie ein Sprinter, aber die Fähigkeit ist manchmal nützlich, wenn du z.B. stark beschleunigst um in eine Ausreißergruppe zu kommen. Ich mache Serien von 30 Sekunden voll Speed Sprints mit einer 2 minütigen Erholung. Ich kann dir sagen, das ist die Hölle in den Beinen!"
Ja, da hat Jens völlig recht. In unserem Greif Trainingsplänen sollten unsere Mitglieder nach jeder Ausdauereinheit ein sogenanntes Testo-Training durchführen, dies sind 3-5 mal Sprints über 30-50 m.
Leider weiß ich aus Erfahrung, dass diese Trainings-Empfehlung oft unterschlagen wird. Testo-Training hat nicht nur einen Reiz auf die schnellen Muskelfasern, sondern bringt auch den Testosterongehalt im Körper erheblich nach oben.
Testosteron ist ein körpereigenes leistungsförderndes Hormon, von dem wir gar nicht genug im Körper haben können. Es macht nicht nur deine Muskeln stärker und erhöht die Ausdauer, sondern das Vorhandensein von Testosteron verkürzt auch die Regeneration erheblich.
Nicht ohne Grund ist das Testosteron-Gel ein sehr beliebtes Dopingmittel. Wir brauchen aber dieses Gel nicht, wenn wir uns trainingsmethodisch richtig verhalten. Wichtig dabei ist ein Sprinttraining niemals länger als 30 min durchzuführen und in den Sprintpausen Ruhe zu bewahren.
D.h. etwas zu tun was wir Läufer praktisch niemals machen: Nach dem Sprint gehen oder besser noch hinsetzen. Ja, du hast dich nicht verlesen. Denn es lässt sich eindeutig im Blut messen, dass nach mehr als 30 min Sprinttraining dieses zum Ausdauertraining wird. Damit fallen die Testosteron Werte schon nach 40-50 min drastisch ab. Also Testo-Training immer am Ende einer Einheit durchführen und auch danach nicht auslaufen.
"3. Du musst mehr schlafen. Je älter du wirst, je mehr Zipperlein hast du und sich von diesen zu Erholen dauert länger. Gut zu Schlafen macht einen großen Unterschied. Ich meine idealerweise eine ganze Nacht ohne Unterbrechungen (mit sechs Kindern weiß ich, was ich verlange ;-)), aber 8 Stunden insgesamt sind für mich ok. Außerdem: Schlaf vor Mitternacht ist wichtiger als Schlaf in den Morgenstunden."
Auch hier kann ich Jens nur teilweise Recht geben. Es stimmt, dass schlafen sehr wichtig ist für eine Leistungssportler, aber das ist mit 8 h Schlaf nicht getan. In unseren Trainingslagern bläue ich am ersten Tag den Läufer und Läuferinnen ein einen Mittagsschlaf zu halten.
Dieser wirkt wahre Wunder bei einem zweimaligen täglichen Training. Ein großer Teil des Leistungssprungs nach einem Trainingslager ist bei zweimaligen täglichen Training dem vermehrten Schlaf zuzuschreiben.
Afrikanische Elite-Langstreckenläufer machen Folgendes: 6:00 Uhr Training dann frühstücken, anschließend hinlegen bis 11:00 Uhr, dann Training, anschließend Mittagessen, nachfolgend wieder hinlegen und um 18:00 Uhr abermals Training. Zum Abschluss dann Abendessen und ab in die Falle.
So werden Weltklasseläufer gemacht! Im Großen und Ganzen meinen die Europäer die Kenianer und Äthiopier haben Trainingsgeheimnisse. Nein, haben sie nicht. Die haben alles trainingsmethodische von uns abgeschaut und es in ihr eigenes spielerisches Laufen eingebaut.
Das dreimalige tägliche Training mit viel Ruhephasen ist ein alter Hut. Das war eine Methode mit der die Läufer und Läuferinnen in der ehemaligen DDR zu Weltklasseathleten heranreiften.
Ich mache jede Wette das, wenn wir hier in Deutschland die Ausdauer-Trainingsmethoden von damals wieder anwenden, werden wir in zehn Jahren auch bei den Langstrecklern-Läufern wieder auf Weltspitzenniveau sein.
Dazu brauchen wir aber Geld, viel Geld um die jungen Leute bezahlen zu können, die dann Profisportler sein müßten. Entweder muss der Staat eingreifen um alle talentierten jungen Sportler zu fördern und nicht nur die, die schon auf Weltspitzenniveau sind oder wir Privatleute müssen ein System erfinden dieses Geld zu beschaffen.
Ich habe schon eine Idee dazu, aber dazu müsste ich meinen Job aufgeben. Aber schauen wir mal was die Zukunft bringt, ich bin ja erst knapp 70 und da kann ich bis 100 noch viel bewegen .:-)
"4. Du musst Stretchen. Dein alter Körper oder zumindest meiner wird steif wie ein Brett. Die Vorteile des Stretching werden nicht so schnell sichtbar (und es ist wirklich manchmal recht schmerzhaft), aber im Laufe der Zeit wirst du merken, dass du dich besser fühlst. Ich bin kein flexibilty Maniac wie Stuart O’Grady, aber ich baue ein paar einfache Stretching-Programme in meinen Tag ein, wenn ich mir die Zähne putze oder auf einen Bus oder ein Taxi warte. Meistens beziehe ich die Waden und den unteren Rücken mit ein."
Da stimmt was Jens hier schreibt. Mir ging es genauso wie ihm. Hier in Seesen machen mit unserer kleinen Leistungsgruppe im Winter ein ganz intensives Stretching- und Kraftprogramm. Es beginnt im November und wir wundern uns immer wieder, wenn wir dann zu diesem Zeitpunkt nach der Saison wieder einmal merken wie steif und schlapp wir sind.
Aber schon zu Weihnachten sind wir fit, wie Jens Voigt bei der Tour de France. Ich empfehle auch in unseren Plänen dieses Verfahren und weise darauf hin, dass in jeder Woche ein Erhaltensreiz auf die jetzt erworbene größere Flexibilität und Kraft gesetzt werden muss.
Aber auch da weiß ich, dass bei vielen meiner Läufern und Läuferinnen der Wille da, aber der Geist schwach ist. Und so habe ich in dieser Hinsicht eine gewisse Lethargie entwickelt, weil ich als Ferntrainer eh nichts ändern kann. So herrscht bei mir der Gedanke vor: Jeder ist für sich selbst verantwortlich und jeder bringt sich so gut um wie er kann.
"5. Du bist so gut wie du isst. Als ich jünger war konnte ich alles essen. Und um ehrlich zu sein hatte ich auch keine Wahl. Als Teil des ostdeutschen Sport-Schul-Systems, habe ich in einem Zimmer gewohnt und in der Cafeteria immer Essen mit viel Kohlenhydraten und Chemie gegessen.
Jetzt merke ich einen Unterschied im Fahren, wenn ich frische Sachen esse und mein Essen beim Bio-Hofladen ohne viel Chemie kaufe. Der Nachteil ist, dass die Sachen nicht so haltbar sind, die ostdeutsche Milch in Flaschen hat sich 3 Monate gehalten!"
Dem ist nichts hinzuzufügen! In der nächsten Woche werde ich hier an dieser Stelle die Vorteile der Verhaltensweisen von Jens Vogt kommentieren. Bis dahin denke einmal über dich selbst nach, ob du einige der Ideen von Jens auch für dich umsetzen kannst. Sie werden dir Vorteile bringen.