In den letzten Wochen haben wir uns an dieser Stelle mit dem Training bei hohen Temperaturen beschäftigt. So ist es eine Selbstverständlichkeit, dass ich heute nachfolgend auf das Thema "Trinken bei hohen Temperaturen" eingehe.
Dem Himmel sei Dank, dass das Thema Trinken in den aktuellen Empfehlungen von Fachleuten und Fachzeitschriften auf ein korrektes Niveau heruntergeschraubt wurde. Bis vor fünf Jahren hieß es, trinken, trinken, trinken. Es wurden Empfehlungen ausgesprochen bis zu 3 l Flüssigkeit am Tag zu sich zu nehmen.
In der Zwischenzeit sind sich Wissenschaft und Praxis darüber einig, dass wir uns alle nach unserem Durstgefühl richten und keine Druck- Betankung vornehmen sollten. Wir können kein Wasser im Körper speichern, sondern müssen dies immer zu uns nehmen, wenn das Durstgefühl den Bedarf meldet.
Bis aber diese Erkenntnisse in die Laienkreise vorgedrungen sind, wird noch viel Zeit vergehen. Jeden Mittwoch trainieren unsere Langstreckenläufer auf den gleichem Platz und zur selben Zeit zusammen mit unserer heimischen Kinder-Leichtathletik-Gruppe.
Es ist schier unglaublich, was man dort sehen kann. Jedes, wirklich jedes Kind hat eine Trinkflasche dabei und das bei jedem Wetter bei einer spielerischen anderthalbstündigen Belastung. Nach jeder Übung, die meist nur 2-5 min dauert, stürzt sich die Kinderschar auf ihre Trinkflaschen und schluckt was das Zeug hält.
Dieses Verhalten ist modern, aber gänzlich sinnlos. 1,5 h Kindertraining bei moderaten Temperaturen erfordert keine zusätzliche Flüssigkeit. Schon gar nicht das, was die jungen Leute da in sich hineinschütten.
Meist sind es die schrecklichsten Zuckerwässer, die es auf dem Markt gibt. Witzigerweise sieht man sie nie Cola trinken. Cola ist in deutschen Landen für Kinder als Gift belegt. Dabei wäre zuckerfreie Cola immer noch besser, als die selbst gemachten carbonisierten Sirupmischungen, die häufig zu sehen sind.
Aber nun zurück zu unserem Bedarf. Hier möchte ich zurückgreifen auf Empfehlungen, die hier an dieser Stelle schon vor Jahren einmal veröffentlicht wurden, aber immer noch aktuell sind. Dabei ist das Wichtigste, dass dir klar wird, dass es nur individuelle Trinkempfehlungen gibt.
Wir müssen klare Unterschiede zwischen den Leistungsgruppen machen und besonders zwischen Anfängern und erfahrenen Läufern.
Um den eigentlichen simplen Ernährungsfehler, den wir durch falsches Trinken begehen können zu erklären, muss ich zum besseren Verständnis etwas weit ausholen. Uns allen ist es bekannt, dass die eigentlich knappe Energiequelle das Glykogen ist. Das sind gespeicherte Kohlenhydrate, die während der sportlichen Betätigung wieder abgebaut werden und dem Körper als Glukose (Zucker) die nötige Verbrennungsenergie liefern.
Um ein gutes 42,2 km- oder Halbmarathon-Rennen zu laufen, benötigen wir so viel Glykogen wie möglich. Dieser Speicherstoff wird in der Muskulatur und in der Leber eingelagert. Leider sind diese Speicher klein, sie können aber durch Training vergrößert werden.
Der Reiz zur Einlagerung von mehr Glykogen wird durch eine möglichst tiefe Ausschöpfung dieses Substrats im Training gelegt. Bei einem langen oder schnellem Lauf wird sehr viel von den Glykogenreserven verbraucht. Je höher die Ausschöpfung dieser Reserven ist, desto größer ist auch der Reiz zu mehr Einlagerung von mehr Glykogen.
Das Dumme an der Sache ist, dass unser Organismus nun ganz und gar nicht gerne sein Glykogen hergibt. Am Anfang kommt der Energiestrom noch locker, das Laufen macht uns keine Mühe. Mit zunehmender Länge des Trainings merken wir genau, wie unsere Energie so langsam schwindet.
Unser Körper gibt immer zäher von seinen Reserven ab. Normalerweise kommen wir dann schnell in den Bereich, wo wir das Training abbrechen möchten. Mann bin ich fertig! Ein Langstreckenläufer muss aber an diesem Punkt noch weiter, um seinen Organismus in einen noch stärkeren Energiemangel zu bringen. Einerseits zwingt er dadurch seine Systeme dazu, immer mehr auf den Fettstoffwechsel zurückzugreifen, andererseits werden aber auch die Glykogenreserven tiefer ausgeschöpft.
In diesem Trainingsbereich möchte man eigentlich nicht mehr laufen. Wir alle fühlen uns völlig leer und sollen dennoch weitermachen. Und doch sind wir jetzt genau an dem Punkt angelangt, wo sich unser Training als besonders wirksam erweist. Die Härte gegen sich selbst an dieser Stelle macht einen richtigen Läufer aus.
So und nun kommen wir zum Punkt! Es gibt aber einen Trick, mit dem du dir die ganze Sache scheinbar einfacher machen kannst. In diesem Bereich kommt jetzt die mitgeführte Trinkflasche mit einem Energiegetränk (gesüßt!) und unter Umständen auch noch der Energieriegel oder -gel auf das Trapez.
Wer jetzt oder vorher trinkt oder isst, führt dem Körper Kohlenhydrate zu. Nun ist er nicht mehr allein auf das Glykogen aus Muskel und Leber angewiesen, sondern kann auf den frischen Zucker zugreifen, den ihm der Verdauungstrakt liefert. Das geht insbesondere gut nur im Training, weil jetzt noch genug Kreislaufreserven zur Verfügung stehen, um die Verdauungsorgane zu durchbluten.
Die Folge dieser Maßnahme sind einerseits, dass es nicht zu einer tiefen Ausschöpfung der Glykogenreserven kommt, aber auch negativ der gewünschte hohe Anteil der Energiegewinnung aus dem Fettstoffwechsel geringer ausfällt, man sich aber andererseits gesamtkörperlich nicht so ausgepowert fühlt.
Die eigentliche Folge aber ist fatal. Dass, was wir eigentlich erreichen wollten, bleibt aus. Das Ziel einer tiefen Ausschöpfung der Kohlenhydratvorräte wird nicht erreicht. Wir haben die Chance vertan unsere Glykogenreserven entscheidend zu erhöhen. Durch die Zufuhr von Zucker wurde eine Kausalkette unterbrochen.
Natürlich werden nicht nur wenige von uns auf die Idee kommen, das sei alles kein Problem, ich kann ja auch im Wettkampf energiereiche Getränke zu mir nehmen. Ja, kann man! Leider aber kommt die Energie nicht mehr dorthin, wo sie gebraucht wird. Denn in einem engagiert gelaufenen Wettkampf sitzt jeder mögliche Milliliter Blut in der arbeitenden Muskulatur und nicht im Verdauungstrakt. Die zugeführten Säftchen werden erst verdaut, wenn du im Ziel bist.
Es gibt aber einen Trost. Je langsamer jemand läuft, desto besser kann er auch noch innerhalb einer langen Runde Gewinn aus frisch zugeführter Energie ziehen. Andererseits ist es logischerweise dann auch so, dass schnelle Leute in sich reinstopfen können was sie wollen. Deren Chance auf energetischen Zugewinn ist nur minimal.
In Zusammenfassung rate ich folgendes: Leistungsstarke Läufer unter 3:30 h sollten während der 35 km nur Wasser trinken. Langsameren rate ich, protein-und kohlenhydratreiche- Getränkemischungen zu sich zu nehmen, so lange sie noch Probleme mit der Strecke haben. Kommt es nicht mehr innerhalb des Trainings zu starken Erschöpfungszuständen, sollte auch diese Gruppe auf Wasser umsteigen. Bei kürzeren Läufen reicht es aus, wenn der Flüssigkeitsverlust nach dem Training ersetzt wird.
Wir können nämlich den Fettstoffwechsel unter Umständen übertölpeln. Der Trick bei der Sache ist, dass dieser einige Zeit braucht um optimal zu funktionieren. Dazu muss man auf der langen Runde erst einmal 15 km in einem Tempo von etwa 70% seines Höchstpulses laufen. Bis dahin sollten alle Leistungsklassen nur Wasser trinken. Denn erst nach ca. 15 km läuft der Fettstoffwechsel optimal. Nachfolgend arbeitet er aber auch auf hohem Niveau weiter, auch wenn man dem Organismus süße Getränke zuführt.
Danach kannst du dich nach folgenden Empfehlungen im Training richten:
Marathon in 3:30 h und Halbmarathon 1:40 h und langsamer: Bis 15 km Wasser, danach energiereiche Protein- Kohlenhydratmischungen wie Ultra Buffer.
Marathon zwischen 3:10 und 3:30 h und Halbmarathon zwischen 1:30 und 1:40 h: Bis 20 km Wasser, danach energiereiche Protein-Kohlenhydratmischungen.
Marathon schneller als 3:10 h und Halbmarathon unter 1:30 h: Durchgängig Wasser oder wenn man es aus psychologischen Gründen braucht, Wasser bis zum Beginn der Endbeschleunigung und dann kurz vor der Beschleunigung Protein-Kohlenhydratmischungen. Dabei sollte aber dein Streben danach gehen, dir dieses Verfahren langsam abzugewöhnen.
Grundsätzlich empfehlen wir aber Läufer(innen) jeder Leistungsklasse, die Schwierigkeiten haben die 25-35 km erst einmal überhaupt zu schaffen, von Anfang an auf energiereiche Getränke zurückzugreifen. Wenn du zu dieser Läufergruppe gehörst, dann empfehle ich dir erst einmal die lange Runde mit einer Protein-Kohlenhydrat-Mischung zu bestreiten.
Das Wichtigste für dich ist aber, dass du im Verlauf deiner Leistungsentwicklung den Energiegehalt deines Trainingsgetränks ständig verringert. Denn du weißt aus den letzten Artikeln über Laufen bei Hitze, dass sich die Ausdauer unter Energiemangel am besten entwickelt. Dein Streben sollte sein, deine lange Runde sofort oder irgendwann nur mit Wasser zu bestreiten.
Und auch da solltest du ritualisiert handeln. Trinke alle 5 km einen Schluck, dann hast du nicht das Gefühl eines trockenen Mundes. Dieses Gefühl wird oft mit Durst gleichgesetzt, ist es aber nicht, denn wenn du relativ schnell läufst, die Luft trocken ist und du durch den Mund atmen musst, dann stellt sich der trockene Mund ganz schnell ein.
Du wirst sehen, dass sich dieses Trinkverhalten auch bei höheren Temperaturen deutlich über 20° bewährt. Du trinkst dann einfach zwei statt einen Schluck. Zum Schluss sollte ich dich darauf aufmerksam machen, dass man es auch lernen kann bei Temperaturen unter 20° eine lange Runde ohne jede Flüssigkeits- und Energiezufuhr zu absolvieren.
Das sollte dein Ziel sein.