Greifen wir die Fragen von der Vorwoche wieder auf, die in der Hauptsache den Leistungsrückgang der deutschen Langstreckenmänner betreffen. Gemeinerweise musste ich darauf hinweisen, dass die deutschen Läufer nicht einmal die Möglichkeit haben sich professionell zu dopen.
Es fehlt einfach an den Finanzen und der medizinischen Infrastruktur. Das ist erst einmal sehr positiv, weil es der Ehrlichkeit in unserem Sport dient. Aber es dient auch der Verstärkung der Mutlosigkeit unserer Läufer.
Schon seit Jahrzehnten kommen immer wieder Athleten auf mich zu, die sich unisono so oder ähnlich beklagen: "Ich habe keine Chance, alle anderen dopen und ich fühle mich allein auf dieser Welt, als der, der sauber bleibt, aber auf ewig hinter her läuft."
Mit diesem Gefühl in der Seele ist schlecht zu trainieren. Entweder der Läufer gibt auf, wird zum Freizeitsportler oder erliegt dem Ruf des Doping.
Diesen Jung's rate ich: Wie in der Vorwoche beschrieben, kann man europäische Spitzenleistungen auch ohne Doping erzielen. Glaube an dich, die Läufer aus den 70- und 80-gern waren keine Übertalente, die hatten aber den Mut und die Kraft für ihren Sport zu leben und zu trainieren.
Und da kommen wir zum Punkt: Ja, leben muss jeder Hochleistungssportler. Wer an die Spitze will, wird diese kaum mit einem vollen Arbeitstag zu erreichen. Die wesentlichen Punkte im Training, die eigentlich immer völlig vergessen werden, sind die täglichen Ruhephasen.
Das Ideal für einen Hochleistungsläufer ist ein dreimaliges tägliches Training und dazwischen nur Ruhe. So machen es die Kenianer, die Äthiopier und die früheren DDR-Club-Athleten (National-Kader). Dazu kommt dann noch Schul- und oder Studienzeiten mit moderater Belastung.
Eingeschlossen in ein leistungsähnliches Trainingsteam, fallen so die Eliteläufer praktisch vom Himmel. Aber wie soll ein deutscher Läufer zu solchen Bedingungen kommen? Es gibt kaum noch Vereine, die die Sportelite fördern, in dem sie gut bezahlte Halbtagsjobs bereit stellen.
Wo sind sie geblieben, die Athletenförderungen von Quelle Fürth, VFL Wolfsburg, TV Wattenscheid, Bayer Leverkusen und andere kleinere Förderer? Aus und vorbei. Hier beißt sich wieder einmal die Katze in den Schwanz.
Ohne Spitzenleistung keine Förderung von Sponsoren und ohne Sponsoren keine Spitzenleistungen. Nur die Bundeswehr stellt noch Arbeitsplätze für Spitzensportler zur Verfügung. Die Normen, um in diese Positionen zu rücken, sind sehr hoch. Man muss eigentlich schon internationaler Medaillenkandidat sein, um einen Posten bei der Bundeswehr mit Trainingsfreistellung zu bekommen.
Aber der allgemeine Leistungsrückschritt in dem letzten Jahrzehnt, ist nicht allein den äußeren Umständen geschuldet, sondern liegt auch in einer gewissen "Trainingsstupidität" begraben. Ich drücke das hier mit Absicht so drastisch aus, weil im Training unserer Spitzenläufer Dinge gemacht und unterlassen werden, die schon seit fast 50 Jahren als bekannt richtig oder falsch angesehen waren.
Schon im Newsletter vom 23.04.12 "Ausdauergrundlagen werden am besten unter Energiemangel entwickelt" wurde beschrieben, wie sich die Leistung mit einfachen Mitteln verbessern lässt. Letzthin sprach ich mit Uli Strunz über dieses Thema, wir konnten es beide nicht fassen, dass Nüchternläufe heute noch diskutiert und sogar angezweifelt werden.
Uli zitierte aus einem englischsprachigen Buch von Arthur Lydiard aus dem Jahr 1960!! In dem dieser schrieb, dass es auf den damaligen 35 km-Läufen nur Wasser und nichts anderes gab. Das ist nun mehr als 50 Jahre her.
Und was war bei uns in dieser Zeit Thema? Kohlenhydrate und Proteine schon rein beim Training, sonst gehst du kaputt und hältst das Training nicht durch und wirst ganz schlechte Zeiten laufen. Das waren die Empfehlungen der Getränkepulverindustrie.
Vom Wasserverkauf kann man nicht leben. Immer und immer wieder kämpfte ich mit einigen wenigen Mitstreitern gegen diese Ideen an. Und immer wieder wurde diese Personengruppe in die Nähe von "Spinnern" gestellt und auf die angeblich eindeutigen wissenschaftlichen Studien hingewiesen.
Jahrelang stritt ich mich mit Dr. Wolfgang Feil von Ultrasports über dieses Thema. Er wollte unbedingt, dass wir in unseren Trainingsurlauben während der Belastung sein Produkt Ultrabuffer trinken sollten und ich lehnte das für die etablierten Leistungsläufer ab, empfahl aber den Anfängern dieses Getränk, weil sie es mit der Hilfe dieses Energiespenders besser schaffen würden, erst einmal die hohe km-Anzahl im Trainingslager schaffen zu können.
Aber einigen konnten Wolfgang und ich uns nicht. Jetzt im Jahr 2012 trug der Sportbiologe und Ultrasportchef in unserem türkischen Trainingsurlaub vor, dass sich Leistung unter Energiemangel besser entwickelt, als mit flüssigen und gelartigen Energiespendern.
Die erfahrenen mehrmaligen Teilnehmer(innen) konnten nicht glauben, was sie dort hörten. Zu lange hatte Wolfgang Feil seine Sicht der Dinge als wahr gepredigt.
Aber er zeigte sich als großer Mann und entschuldigte sich, für seine nun als unrichtig dastehenden Empfehlungen mit den Worten: "Ja, es war falsch, was wir die ganzen Jahre empfohlen haben, aber wir Wissenschaftler haben keine andere Möglichkeit als uns nach der Studienlage zu richten. Und die war lange Zeit eindeutig pro Energiezufuhr im Training."
Und an den Schreiber dieser Zeilen gerichtet: "Du hattest zusätzlich deine eigenen Erfahrungen und konntest daraus erkennen, was jetzt als richtig angesehen wird. Wir hatten diese Möglichkeiten nicht."
Wenn man diese Aussagen richtig interpretiert, dann soll das wohl heißen: Glaube nicht den Wissenschaftlern, sondern den Praktikern.
Aber alle diese Ernährungsdinge sind Nebenkriegsschauplätze. Obwohl sich jeder deutsche Läufer und jede Läuferin nach Möglichkeit ihre Form "anfressen" wollen. Aber dennoch, kann man nur mit dem Kopf schütteln, wenn man hört, was deutsche Spitzenleister in ihren Trainingslagern so alles anzetteln.
Die Truppe von der Manfred Steffny in Spiridon schrieb: "Die SG Spergau sollte sich umbenennen und ein kleines u einfügen "Supergau"."
Diese Gruppe, zu der auch der früher von mir trainierte Tobias Sauter gehörte, flog nach Kenia ins Höhen-Trainingslager. 3 Wochen lang sollten sie sich dort ihre Wettkampfform holen. Das war schon ein Fehler. Drei Wochen Höhentraining sind viel zu wenig, um die positiven Auswirkungen des Höhentrainings zu erringen.
Dann sind wir auch hier schon wieder beim Thema. Wer soll denn die nötigen zwei Monate Höhentraining bezahlen? Profis wie Victor Röthlin können das und dort oben finden ihn die Dopingfahnder garantiert nicht. Und die nötigen Mittelchen sind, so wie wir jetzt wissen, in Kenia locker zu beschaffen.
Aber das wussten die Spergauer ganz sicher noch nicht. Aber sie waren noch nicht einmal schlau genug den Kenianern etwas beim Training abzuschauen. Diese trainierten vor dem Frühstück - also nüchtern - und die deutsche Truppe schlug sich erst einmal gemütlich den Bauch voll, um dann erst zu trainieren. Eigentlich ist so etwas ein Verhalten von Urlaubern und nicht von Spitzensportlern.
Die Resultate der Herren Falk Cierpinski, Martin Beckmann und Tobias Sauter sind seit diesen Tagen grottenschlecht in Hinsicht auf ihre Möglichkeiten geblieben. Dies ist so bedauerlich, dass die ganze Situation nach Hilfe schreit: So kann es nicht weiter gehen.
Besonders tut es mir um Tobias Sauter leid, der vor Ehrgeiz brennt, ein ganz lieber Mensch, aber auch ein Wirrkopf ist. Ein dauerhaftes und gleichmäßiges Training mit Ziel einer kontinuierlichen Leistungsentwicklung bringt er nicht zusammen.
Er hat jeden Morgen, wenn er aufsteht, eine neue Idee wie er schneller zu höherer Leistung kommt. Das Einzige aber was aus seinen Ideen resultiert, sind Verletzungen in eine Art und Häufigkeit, wie ich sie in meiner langen Zeit in der Läuferszene noch nie erlebt habe.
Und diese wirren Trainingsideen hatte er auch schon zu der Zeit, als ich ihn noch betreute. Leider ist Tobias Sauter nicht so hochtalentiert, dass aus seinem Trainingswirrwar irgendwann doch etwas Erstklassiges herauskommt.
Wenn ich bedenke, was so Läufer, wie der auch von mir betreute Fabian Lafrenz sein Training und Wettkampf aufbaut und wie es Tobi macht, dann weiß man schon vor dem Start, wer der Erfolgreichere sein wird.
Fabian ist manchmal auch mit einigen meiner Einheiten unzufrieden. Wir diskutieren dann die Umstände und wenn ich ihn überzeugt habe, dann trainiert er seine Einheiten runter nach Vorschrift.
Und es gelingt ihm aber dann auch auf den Tag genau fit zu sein, wie bei der deutschen HM-Meisterschaft 2012 in Griesheim und auch bis auf wenige Sekunden die vorgegebene Zeit zu laufen und überlegen die M45 zu gewinnen.
So stellt sich ein Trainer einen Athleten vor, kritisch aber doch seine Vorgaben sauber erfüllend. Ich musste immer wieder erleben, dass gerade die Läufer ihre Ziele erreichten, die ohne Diskussion die Trainingsvorgaben erfüllten. Und dies auch, wenn das Training manches Mal zu hart oder auch unsinnig erschien. Am Ende zählte nur der Erfolg.
Die Chaostrainierer hingegen trainieren immer wieder etwas Neues, streuen eine "geile" Einheit ein oder laufen wieder einmal einen Wettkampf zu einem Zeitpunkt, wo er nun gerade nicht hinpasst.
Was ich dir mit diesen Zeilen sagen möchte: Laufen für Siege und Bestzeiten erfordert Disziplin und Planung, dann kommen die Erfolge von ganz allein. Aber ist das nicht im gesamten Leben so?