Auweiah! Da habe ich aber letzte Woche in ein Ameisennest gefasst. Und es ist mir wirklich gelungen, das zu erreichen, was meine Absicht war. Die, denen das Hemd passte, haben es sich angezogen. Und es wurde diskutiert, natürlich auf mich geschimpft, doch meistens wurde der Artikel gelobt. Am besten war die Reaktion mit den Worten: "Jipiiiii! Hahaha! Großartig!"
Einige Läufer sahen sich in der (unberechtigten) Kritik. Jemand der krank und zudem beruflich überlastet war, fühlte sich gemeint. Obwohl ich doch ausdrücklich von jungen und gesunden Männern geschrieben habe. Ein anderer sah sich und seinen Suizidversuch im Focus, von dem ich nichts wusste und nicht wissen konnte.
Ein Siebzigjähriger fühlte sich verunglimpft, weil er über 2 h im HM lief. So beschlich mich das Gefühl, dass jeder etwas anderes aus den Zeilen der Vorwoche herauslas. Nur nicht das, was ich sagen wollte: Wenn wir uns alle dem Bequem- und Wenn-es-gerade-passt-Training ergeben, dann wird das negative Auswirkungen auf unsere Gesellschaft haben.
Wir verlieren an Kraft, Gesundheit und Selbstvertrauen. Unser Volk ist bereits dabei in vielen Bereichen sportlich von der 2. in die 3. Liga abzusteigen. Führend sind in diesem Bereich unnatürlicher weise wir Langstreckenläufer(innen). Wir sind im freien Flug von der 5. in die 6. Liga.
Man kann es auch so ausdrücken: Alles was in Deutschland mit ausdauernder körperlicher Arbeit zu tun hat, wird so langsam, aber sicher als unnötig angesehen. Wichtig ist der Spaß, das Computerspiel und die Fernsehsendung "Wilde Liebe im kalten Bett". Das alles geht vor Training. Ist ja auch weniger anstrengend.
Und wenn dann jemand zu mehr Aktionen und setzen von Prioritäten auffordert, dann beleidigt er angeblich die langsamen Läufer(innen). Diese Idee ist grundfalsch. Ich versuche nur die Traumzeitenträumer und Möchtegernschnellen zu wecken, die keinen Mumm und Mut haben ihre eigenen Talente zu entwickeln und dann aber dennoch mit ihren sportlichen Schneckenleistungen prahlen.
Genau der vorhergehende Halbsatz ist mein Focus.
Ich anerkenne jede Laufschnecke und ich freue mich über jeden der langsam durch den Wald joggt und so seine Gesundheit verbessert. Glaubst du nicht? Doch, wenn es denn anders wäre, dann müsste ich mich ja selbst verachten. Wenn ich laufe, dann ist das so langsam, dass ich befürchte, es könnte mich jemand fragen, seit wann ich denn zum Spaziergänger geworden bin.
Vielleicht glaubst du mir immer noch nicht. Dann frage doch einmal unsere Clubmitglieder. Die treten oft bei uns mit einer 10 km-Wettkampfzeit von annähernd 70 min und einer HM-Zeit von weit über 2 h an und wollen einen Plan um schneller zu werden. Um diese Menschen kümmere mich genau so, wie um jemand aus dem durchschnittlichen oder hohem Leistungsbereich.
Du wirst dich fragen, warum ich dann aber andererseits die "Prahlzeit" aus Laufzeitenvergleich III von 2:05 h als lächerlich empfunden habe? Der Grund sind die Personen, die man individuell betrachten muss. Einerseits ein schlanker und gesunder Mann, der eigentlich nach 6 Wochen locker unter 2 h im HM laufen können müsste.
Auf der anderen Seite zum Beispiel vielleicht eine Frau mittleren Alters, die übergewichtig ist und nun ihre Leistung von 2:15 über die 21,1 km zu einer Zeit von unter 2 h aufwerten möchte. Da liegt meine Sympathie natürlich bei dieser Frau, weil die sich nämlich verbessern möchte und einen hohen Einsatz erbringt, obwohl ihr das Training wegen ihres Übergewichts ungleich schwerer fällt als dem schlanken jungen Mann.
Es ist für mich genau so eine Freude, wenn diese Frau ihr Ziel erreicht hat, wie Freude über einen jungen Läufer, der es vielleicht erstmals schafft unter 40 min über die 10 km-Distanz zu kommen. Zu dem ist es nicht wichtig mit welcher Zeit man startet, sondern immer nur, was man aus seinem mehr oder weniger großen Talent macht.
Dazu bin ich als Trainer da und für diese Werte stehe ich. Und es können sich alle meine Kritiker die Vorwürfe sparen, die mir unterstellen wollen, dass ich auf langsamere Läufer(innen) herab sehe. Diese Kritik perlt an mir ab, weil es nur eine Meinung und nicht die Wahrheit ist.
Die Wahrheit erkennst du hier an den Beispielen der nachfolgenden Läufer(innen), die sich von mäßigen Zeiten heraus ganz schnell verbessert haben:
Name | Strecke | Zeit alt | Zeit neu | Ort/Datum |
Christian Brachvogel (Hamburg, T5M, M30) |
21,1 | 2:25:00 | 1:56:06 | Hamburg 13.02.2010 |
Sabrina Painhaupt (Wien, T4B, W30) |
21,1 | 2:15:28 | 2:02:12 | Wien 24.10.2010 |
Pierre Ecoeur (St. Gallen, T4Y, M60) |
21,1 | 2:15:00 | 1:58:49 | Greifensee 18.09.2010 |
Martin Eifried (Linz, T7S, M55) |
21,1 | 2:20:50 | 2:11:46 | Graz 10.10.2010 |
Annette Klug (Hennigsdorf, T4M, W45) |
21,1 | 2:12:03 | 1:59:31 | Berlin 05.09.2010 |
Hannelore Voigt (Schieder-S., T3B, W55) |
21,1 | 2:16:19 | 2:13:13 | Bremen 19.09.2010 |
Nicht alle haben riesige Sprünge gemacht, aber auch geringe Verbesserungen werden mit Freude aufgenommen. Hauptsache, es geht vorwärts. Jede neue Bestzeit macht glücklich.
Nun sind wir heute abermals nicht zum Laufzeitenvergleich gekommen. Ich bin etwas im Zeitdruck, weil gerade aus dem Urlaub zurück. Wir hatten absolutes Spitzenwetter auf Fuerteventura. Gelaufen bin ich dort keinen Meter, weil aus mir so eine "Schnecke" geworden ist. Ich bin aber auf der mir von einem Verleiher zugemuteten "Radgurke", genannt Mountainbike, jeden Tag unterwegs gewesen.