Heute ist Sonntag der 24.3.2013 und ich schreibe diese Zeilen bei strahlendem Sonnenschein hier in Okurcalar/Türkei. Wir trainieren hier bei besten Bedingungen und immer in "kurz", dennoch lassen uns die z.Z. herrschenden winterlichen Bedingungen in Deutschland nicht kalt.
Wir alle hier stehen in Verbindung mit dem Heimatland, denn im Stundentakt wird berichtet über Schneehöhen und Eiseskälte. So erreichte mich vor wenigen Tagen auch eine Mail von Marcus Kirchhoff aus Schortens (nah Bremen), die nachfolgend aufgeführt ist:
"Hallo Peter, ich habe da mal eine Frage:
Ich bin letztens einen Marathon gelaufen, wo die Wetterbedingungen nicht so prall waren. Es waren -6°C bei sehr starkem Ostwind, der leider direkt von vorne kam (gefühlte -12°C) und man selbst Windschattenlaufen vergessen konnte, Rückenwindpassagen gab es kaum.
Ab dem 34 km musste ich langsam die Zeit runterschrauben, weil der Kampf gegen den Wind doch sehr viel Kraft gekostet hat und im Endeffekt ich meine Bestzeit nicht ganz geschafft habe.
Wie verhält es sich eigentlich mit der Laufleistung bei Kälte und starkem Gegenwind? Das man das volle Tempo nicht auf Dauer halten kann, liegt nahe, aber die Kälte beeinflusst doch auch die Laufleistung?
Vielleicht kannst du da ja auch mal in deinem Newsletter drauf eingehen. Ich danke dir jetzt schon mal.
Liebe Grüße aus dem Norden, Marcus Kirchhoff."
Diese beiden Fragen, einmal wie der Wind und anderes Mal, wie die Kälte eine Wettkampfleistung beeinflusst sind an dieser Stelle zu beantworten. Die erste Frage ist einfach zu klären, denn das Gefühl bei einem Rennen immer Gegen- und niemals Rückenwind zu haben kennen alle Läufer.
Woher kommt das? Wenn jemand bei Windstille ein 4 min-Tempo im Rennen läuft, dann verspürt er trotzdem einen Fahrtwind von 15 km/h. Weht aber noch ein leichter Wind von ebenfalls 15 km/h von vorn, dann nimmt er diesen als einen Luftzug von 30 km/h wahr.
Anders sieht es aus, wenn dieser aus dem rückwärtigen Bereich kommt, dann heben sich beide Winde gegeneinander auf. Der Läufer meint nun wäre Windstille. So auch Marcus, der oben schrieb: "Rückenwindpassagen gab es kaum".
So hassen wir alle den Wind von vorn. Und da gibt es noch einen Umstand, den du, so wie ich, vielleicht auch schon einmal erlebt hast. Wenn ich in früheren Jahren bei einem Wettkampf mit heftigen Gegenwind lief, dann versuchte ich in eine vor mir laufende Gruppe zu kommen. Wenn ich mich in deren Windschatten hinein gekämpft hatte, dann wurde mir das Tempo dieser Gruppe schon kurzer Zeit zu langsam.
Also versuchte ich sofort diesen Läuferhaufen zu distanzieren, in dem ich aus dem Windschatten heraustrat um zu überholen. Obwohl ich gefühlt deutlich mehr Kraft einsetzte, war es nicht möglich diese Gruppe hinter mir zu lassen. So lernte ich im Schutz der Läufertruppe zu verharren und meine Kraft für einen Angriff im neutralen oder Rückenwindbereich aufzusparen. Was meist auch gelang.
Wie sieht es aber nun aus, wenn der Wind eisig ist? Zieht dieser weitere negative Folgen nach sich? Ja, und zwar erhebliche. Du wirst sicher den Windchill-Effekt kennen, damit wird die gefühlte Temperatur angeben. Und dieser gefühlte Effekt hat ganz realistische negative Folgen für uns. Besonders die nackte Haut wird davon betroffen. Damit diese keinen Kälteschaden erleidet, muss sie stärker durchblutet werden. Dieses Blut sollte aber besser in deinen Muskeln sein, um dort Energie anzuliefern.
Betroffen sind davon besonders leistungsschwächere Läufer. Warum? Das ist leicht zu erklären: Du weißt, dass wir beim Laufen eine Menge Wärme erzeugen. Wir schwitzen, weil wir diese Wärme loswerden müssen! Je schneller aber jemand läuft, desto mehr Abwärme muss vom Organismus entfernt werden.
Das heißt mit anderen Worten, bei harter Kälte kann der schnelle der schnelle Läufer durchaus noch schwitzen, hingegen der langsamere schon friert. Und damit hat dieser dann leider den Schwarzen Peter auf der Hand. Er muss nun mit seiner wertvollen Energie den Körper heizen, statt diese in den Muskeln für den Vortrieb einzusetzen.
Bei kurzen Läufen bis Halbmarathon ist das eigentlich kein Problem, denn dem Organismus stehen in diesem Fall noch genug Reserven zur Verfügung. Anders sieht es bei einem Marathon, wie es bei Marcus war, aus. Da wird dann dass Glykogen knapp und der Organismus wird unter diesen doppelten Stressbedingungen – Kälte und Hochleistung – noch viel weniger zur Verfügung stellen als unter Normalbedingungen. Unser Organismus verhält sich in so einem Fall sehr geschickt, er vergrößert die autonome Reserve, um sich in seiner Gesamtheit vor dem Untergang zu bewahren.
So war das Gefühl von Marcus richtig wahrgenommen, dass sein unerwartet schlechtes Rennen auch dem Wind und der Kälte geschuldet ist.
Wenn du mich jetzt fragen möchtest: "Wie viel schneller wäre er denn gewesen, wenn die Bedingungen besser gewesen wären?" Dann muss ich dir antworten: "Weiß ich nicht." Ich möchte mich in diesem Sinne auch nicht an dem beliebten Läuferspiel beteiligen, welches heißt: "Wie rechne ich meine Laufzeit aufgrund der herrschenden schlechten Bedingungen schön." Bei den Protagonisten dieses Spiels herrschen nämlich in jedem Wettkampf widrige Bedingungen vor.