In der jetzigen Zeit der Marathonvorbereitung erreichen mich immer wieder Schreiben oder auch Anrufe, die recht verzweifelt klingen, weil ein Halbmarathon gelaufen werden soll oder auch gelaufen werden muss.
Das klingt dann in etwa so: "Ich muss an diesem Wochenende einen Halbmarathon für unsere Mannschaft laufen und dadurch verliere ich die Möglichkeit den 35 er mit 9 km Endbeschleunigung zu laufen. Da kann ich doch meinen Marathon vergessen?"
Ich weiß nicht, woher diese Angst kommt. Vielleicht hat sich unser Trainingssystem mit den sich ständig verlängernden Endbeschleunigungen schon so in die Köpfe eingegraben, dass das Fehlen einer einzigen Einheit schon als Katastrophe angesehen werden muss.
Dabei wird vergessen, welch großartigen Trainingseffekt zum Beispiel ein Halbmarathon hat. Das ist ein Wettkampf, auf dem man über den gesamten Streckenverlauf alles geben muss und dies auch noch mit einem höheren Tempo als es im Marathon nötig ist.
Als Vorbereitung auf diesen ist ein 21,1 km-Rennen ein wahres Wundermittel. Der Trainingsreiz ist erheblich größer als die schwerste 35 km Trainingseinheit in der Marathonvorbereitung mit einer Beschleunigung von 15 km. Du kannst sicher sein, dass du einen Halbmarathon mit vollem Einsatz durchschnittlich schneller läufst als die 15 km Endbeschleunigung.
Wenn du natürlich den ganzen Winter über keine 35 km gelaufen bist, dann arbeitet in dir das schlechte Gewissen: "Oh Gott, jetzt verliere ich auch noch einen langen Lauf, wo ich doch wegen des Schnees diesen mehrfach nicht laufen konnte."
Aber so ist es, die Form bestraft immer die Faulen und Zaghaften. Und wie jeder weiß: Training ist nicht nachzuholen. Aber wenn man dann schon mit seinem schlechten Gewissen kämpft, dann sollte man nicht auf einen Halbmarathon verzichten, um die lange Runde zu absolvieren.
Vielfach wird hinter dem HM auch ein zu langer Regenerationsbedarf gesehen. Aber wie ich immer wieder betonen muss: "Ein Halbmarathon hat nichts und gar nichts mit einem Marathon zu tun!" Ersterer Wettkampf ist ein Rennen, welches keine besonderen negativen Spuren im Körper hinterlässt. Drei Tage nach dem Zieleinlauf ist dein Körper und Geist schon wieder völlig wettkampffähig.
Im Gegensatz dazu der Marathon, der bis zu 14 Tage, manchmal sogar sechs Wochen Regeneration erfordert und dies dem Organismus mit Schwächegefühl und Muskelschmerzen auch sehr deutlich mitteilt.
Es ist einfach zu umschreiben: Beim Marathon geht im Organismus etwas kaputt, was anschließend in einer Regeneration wieder heilen muss und dies passiert bei einem Halben nicht.
Aber es geht sogar so weit, dass es möglich ist innerhalb von drei Wochen zwei Halbmarathons und ein 10 km Rennen zu bestreiten. Oft werde ich gefragt, wie denn zu trainieren sei, wenn man an drei Wochenenden hintereinander Rennen bestreiten will/muss. Wie zum Beispiel: HM – 10 km – HM. Du wirst dich jetzt vielleicht mit Grauen abwenden und an Überforderung denken.
Ist es aber nicht, sondern eine Gelegenheit seine persönlichen Rekorde zu verbessern. So ein Wettkampftripple bringt ungeahnte Leistungen aus dir heraus. Diese werden im Verlauf der Rennen immer besser.
Wie aber trainierst du in dieser Zeit? Ganz einfach: Nach einem Rennen entfällt der Tempolauf am Wochenanfang. Er wird ersetzt durch einen regenerativen Dauerlauf. Danach in der Wochenmitte alles nach Plan und beim Tempolauf dort nicht schonen, sondern richtig Gas geben. Die Trainingstage danach auf 67 % und den letzten Trainingstag vor dem Wettkampf mit 25 % Umfang laufen. Dann passt es!
Nur an einem Tag passt ein Halbmarathon nun gar nicht hin: Dies ist der Tag 14 Tage vor einem geplanten Marathon. Du wirst dich fragen, warum das so ist. Das ist eigentlich einfach zu erklären, denn schon in der Woche vor diesem HM beginnst du dein Training zu reduzieren. Hast du diesen dann bestritten, musst du dich auch erstmal ein paar Tage erholen und bist damit schon mitten in der Vorbereitung (Tapering) auf den Marathon.
Damit hast du schon drei Wochen vor dem Hauptwettkampf mit dem Marathontraining aufgehört. Du wirst natürlich nun denken, das ist mir alles zu theoretisch. Demgegenüber kann ich dir aber versichern, dass ich als Athlet und auch als Trainer die Erfahrung gemacht habe, dass man zwar einen Halbmarathon 14 Tage vor dem Marathon laufen kann, aber wahre Highlights hat es nach solch einem Rennen kaum jemals gegeben.
Mit anderen Worten: Du verbaust dir deine Chance zu einer Bestzeit mit einem Halbmarathon zwei Wochen vor einem 42,2 km-Wettkampf.