"Nach Berlin habe ich erst einmal vier Wochen gar nichts gemacht." oder auch: "Ich laufe nur einen Halbmarathon im Jahr, das reicht mir." Solche und ähnliche Sätze hört der Schreiber dieser Zeilen oft, zu oft.
Es scheint so zu sein, dass sich eine große Anzahl von Läufern regelmäßig nur auf einen oder zwei Wettkämpfe vorbereitet und dabei die eigene Entwicklung vergisst.
Da arbeitest du dich für einen Wettkampf die steilen Leistungsstufen hoch und springst freiwillig wieder in die Tiefe, um ein paar Wochen später gefrustet wieder von vorne anzufangen. Dieses Frusterlebnis kannst du dir ganz einfach ersparen, indem du auch zwischen den Wettkämpfen im lockeren Training bleibst.
Ich empfinde es als absolut grausam, wenn so viele bei 10 km-Zeiten um die 45 min festkleben und sich nicht weiter entwickeln, obwohl sie das Potenzial für weitaus bessere Zeiten in sich tragen.
Diese Menschen laufen immer mal einen Wettkampf und schalten dann sofort wieder auf Schnarch-Jogging um. Das heißt laufen ohne Ziel, ohne Motivation und ohne Entwicklung. Erst wenn die Speckwülste abermals über den Gürtel quellen, geht es wieder los mit einem zielgerichteten Training.
Die brutale Wahrheit
Leider geht es auch wieder von unten los. Die noch vor 3 Monaten gelaufenen 45 min über die 10 km sind unerreichbar und müssen mühsam wieder erarbeitet werden. Große Freude gibt es dann, wenn die alte Zeit wieder erreicht ist. Aber schon naht der nächste Urlaub, in dem man ja nun überhaupt nicht trainieren kann.
Nun ja, nun könnte man denken: das kann mir ja ziemlich egal sein, wer eben nicht will, der soll es lassen. Aber überraschender Weise träumen eine Vielzahl dieser Läufer von tollen Zeiten und Wettkampferfolgen und bitten mich um Hilfe.
Ich verrate dir jetzt ein Geheimnis. Natürlich kannst du deine Zeit verbessern und deinen Zieleinlauf Realität werden lassen, aber dafür musst du kontinuierlich trainieren und dich nicht nur auf einen Wettkampf vorbereiten.
„Nur wer seine Leistung kontinuierlich entwickelt, kann ein dauerhaft höheres Niveau erreichen“.
Wenn du optimale Zeiten erreichen willst, musst du dich das ganze Jahr über fit halten. Natürlich darfst, ja sollst du sogar, die Intensität zwischen den Wettkämpfen deutlich herunterschrauben. Aber versuche, dein Leistungsniveau so hoch wie möglich zu erhalten.
Das bedeutet, dass du auch einmal über einen Zeitraum von mehreren Monaten in einem ruhigen Tempo trainieren kannst, ohne dass dabei die Hetze mit Sicht auf DEN einen, wichtigen Wettkampftermin im Vordergrund steht.
Dafür muss man nicht unbedingt siebenmal in der Woche hart trainieren, es reichen auch dreimal. Und selbst Sechzigjährige können sich noch 10 Jahre lang entwickeln oder ihre Leistung halten.
Aus der Praxis
Hans Schüttler zog 1997 als 63-jähriger in unsere Heimatstadt Seesen. Er hatte schon in seinem bisherigen Wohnort trainiert und auch früher schon einige Marathons absolviert. Seine schnellste Zeit als etwa fünfzigjähriger war bis dahin eine 3:11 h. Als er zu uns in die LG Seesen kam, hängte er sich voll in das Leistungstraining.
Er entwickelte sich trotz seines vergleichsweise hohen Alters noch zu einem Spitzenläufer in seiner Altersklasse. Hans erreichte mit 72 Jahren noch eine Zeit von 3:18 h. Leider reichte es nicht zu einer deutschen Meisterschaft. Zweimal kam er auf Platz 2 in seiner AK.
Aber er hat dennoch das Mögliche aus seinem Körper herausgeholt. Leider litt er unter einer Bahnwettkampf-Phobie. Dies, obwohl er sehr oft auf der Bahn trainierte. So versäumte Hans es leider, mit seiner Schnelligkeit deutsche Sportgeschichte zu schreiben.
Er war trainingsfleißig und trainingsgewissenhaft. Nicht nur bei den Laufeinheiten, auch beim Athletiktraining im Winter ließ er kaum jemals eine Einheit aus. Das heißt mit anderen Worten:
Er achtete auf seine Entwicklung und stellte nicht immer und immer wieder kurzfristig Wettkämpfe in den Vordergrund, um anschließend wieder abzuschlaffen.
Ja, aber,…
Ich kann es jetzt schon deutlich hören: Dein, ja aber…. Denn du wirst mir bestimmt entgegnen, dass du keine Zeit zu einem solch umfangreichen Training hast und dadurch nicht so richtig weiterkommst.
Ich muss dich enttäuschen. Das Argument zieht bei mir in keiner Weise. Denn du machst dir selber etwas vor.
Wenn du aus Zeitmangel bisher immer nur eingeschränktes Training betreiben konntest, dann wird sich das im Vergleich zu deinem Talent in schlechten Zeiten niederschlagen. Im Umkehrschluss bedeutet dieses aber auch, dass die Qualität deiner Zeiten leicht anzuheben ist. Dazu braucht es gar nicht mal viel Training.
Es braucht aber dich und deinen Willen und eine Planung, die du langfristig vornimmst und die du auch durch- und einhalten kannst. Es gehört auch dein fester Wille dazu, deinen Lebensstil zu ändern und in entsprechende Körperformen zu kommen.
Dazu musst du nicht wie ein Asket leben, sondern du kannst durchaus auch einmal sündigen, auch zweimal, nur nicht immer. Und du wirst sehen, es geht. Du kommst vorwärts, und deine Leistungen steigen, egal wie oft du trainierst.
Und wenn du schon trainierst, dann regelmäßig und nicht nur gezielt auf einen Wettkampf. Stelle dir vor, dass du deinen Leistungswagen auf einen Gipfel schieben willst = dein läuferisches Lebensziel. Während du trainierst, bringst du sinnbildlich diesen Wagen dem Gipfel immer näher.
Stoppst du das Training, dann bleibt er stehen. Aber nicht lange! Langsam und immer schneller rollt er den Berg wieder hinab. Durch die Wiederaufnahme des Trainings kannst du ihn zwar stoppen, aber du bist in der Leistung abgefallen und fängst die schon getane Arbeit noch einmal von vorn an.
Zielplanung
Die besten Erfolge für ein dauerhaftes Training habe ich mit dem Erstellen von Trainingsplänen mit persönlichen Zielen gemacht. Einmal überdacht und zu Papier gebracht, hilft dir diese Planung, dich immer wieder auf dein Ziel zu fokussieren. Natürlich kannst du auch mal eine Trainingseinheit ausfallen lassen oder verschieben, versuche aber dich bestmöglich an die Vorgaben zu halten.
Wenn du vorwärts kommen willst, musst du dir klare und hohe Ziele setzen und diese über terminierte und realistisch erreichbare Zwischenziele anstreben.