Da inzwischen viele unsere Greif-Club-Mitglieder und Leser des Newsletters mit dem Stryd-Leistungsmesser unterwegs sind, betrachten wir heute eine sehr interessante Funktion der Stryd-App, nämlich die Auto-CP-Funktion, also die automatische Ermittlung der Critical Power (bzw. des FTP-Wertes).
Für jedes sinnvolle Training benötigt man eine Referenzgröße, welche die eigene aktuelle Leistungsfähigkeit beschreibt und aus der man die Trainingsvorgaben ableitet.
Die max. HF haben wir an dieser Stelle ausführlich behandelt. Die Steuerung des Trainings über die Herzfrequenz ist viel zu ungenau, mit Fehlern behaftet und unterliegt zu vielen Einflussgrößen. Bleiben also Geschwindigkeit und Leistung. Die Geschwindigkeit in Form der max. möglichen 10 km Zeit verwenden wir in den Greif-Plänen und leiten daraus die Pace-Trainingsvorgaben in min/km ab. Die Leistung erfordert die Critical Power (CP) bzw. die Funktionsleistungsschwelle (FTP) in Watt, welche die max. mögliche Leistung über eine Stunde Belastung beschreibt. Mit steigender eigener Leistungsfähigkeit steigt auch der Wert für die CP. Die Trainingssteuerung erfolgt dann über die Angabe von % der CP, wie z.B. 3x 4000 m mit 96% CP.
Zur Ermittlung der CP kann man nun wie schon an dieser Stelle beschreiben einen entsprechenden Test machen (wie man auch einen 10 km Testlauf macht) oder man nutzt eine Funktion der Stryd-App, welche sich Auto-CP-Funktion nennt und die CP aus Trainings- und Wettkampf-Ergebnissen berechnet.
Leider ist den meisten nicht ganz klar, wie diese Auto-CP-Funktion eigentlich funktioniert. Das merke ich an etlichen Emails von Läufern, die ein paar Tage oder auch wenige Wochen mit dem Gerät vornehmlich bei lockeren DL unterwegs sind. Sie sind dann der Meinung ihre Wattwerte bei diesen Läufen sind zu hoch. Dabei ist nur die CP viel zu niedrig. Wie kommt das? Wie funktioniert diese Stryd-Funktion nun?
Dazu habe ich einen interessanten Artikel von Steve Palladino (Palladino Power Project) gefunden, den ich im folgenden frei übersetzt und ergänzt wiedergeben möchte.
Die Stryd Auto-CP-Funktion ist eine wunderbare Funktion für die meisten Stryd-Benutzer. Man muss dabei verstehen, dass diese Funktion ein mathematisches Modell ist. Wie jedes mathematische Modell bildet es die Realität mehr oder weniger genau ab. Das hängt nicht unwesentlich von der Qualität der verwendeten Daten ab. Dieses Auto-CP-Modell verwendet verschiedene Parameter und Daten und erzeugt dann eine Ausgabe: eine CP-Schätzung. Das Modell "kennt" die relative Qualität der Daten nicht, sondern verarbeitet lediglich das, was ihm zur Berechnung zur Verfügung gestellt wird.
Sehr schön sind in diesem Zusammenhang Zitate, die allgemein für "Modelle" gelten:
- Alle Modelle sind falsch, aber einige sind nützlich. (George Box)
- GIGO - Müll rein, Müll raus. (George Fuechsel)
- Mathematische Modelle sind theoretische Konstrukte, die in der Realität eine Grundlage haben können oder nicht. (Andrew Coggan)
- Die Karte ist nicht die Landschaft/Gebiet. (Alfred Korzybski)
Die Konzepte zur Modellierung der Power-Duration-Kurve (Maximalleistungen bei unterschiedlicher Belastungsdauer, siehe Newsletter vom 01.12.2020) reichen 50 Jahre oder mehr zurück. Im Laufe der Jahre wurden verschiedene mathematische Modelle veröffentlicht, die einen geschätzten CP aus zwei oder mehr maximalen Test-Läufen (oder mit anderen Worten zwei oder mehr Parametern) berechnen. Im Jahr 2012 entwickelte Andrew Coggan, das vielleicht robusteste existierende Modell, das auf Trainings- und Wettkampfdaten angewendet werden kann. Dieses Power-Duration-Modell verwendet neben anderen wichtigen Metriken, mehrere Parameter zur Berechnung eines FTP-Wertes. Im Laufe der Zeit wurden weitere Modelle neu oder weiterentwickelt.
Jahr 2019 übernahm Stryd ein bestehendes Modell (Golden Cheetah) und nahm eigene Optimierungen vor, um das Modell für Stryd-Benutzer nutzbar zu machen. Das Modell wurde Stryd-Auto-CP genannt. Das Ergebnis dieses Modells ist die Ausgabe der CP.
Schauen wir uns noch einmal kurz die Power-Duration-Kurve aus dem Newsletter vom 01.12.2020 an. Sie stellt deine Maximalleistungen für zeitlich unterschiedliche Belastungen dar. Die Schlüsseldauerbereiche sind dabei z.B. 10 sec, 1 min, 3 min, 5 min, 10 min, 15 min, 20 min, 40 min, 1 h, 2 h und 3 h. Die CP ist die durchschnittliche Leistung die du über 1 h erzielen kannst. Bei zeitlich kürzeren Belastungen kannst du natürlich schneller laufen, d.h. mehr Watt generieren. Bis hin zum 10 sec Sprint. Dafür erhält man folgende Kurve.
Bild 1: Power-Duration Kurve (Quelle Stryd Powercenter)
Die weiße Kurve ist die modellierte theoretische Kurve. Die farblichen Anteile der anderen Kurve sind unterschiedlich alte reale Leistungs-Werte, die ich in den unterschiedlichen Zeitbereichen gelaufen bin.
Wichtig für das Verständnis des des Stryd-Auto-CP-Modells sind folgende Aspekte:
- Der gesamte Datensatz der letzten 90 Tage wird als Datenquelle verwendet. Mit anderen Worten, jeder deiner Läufe aus den letzten 90 Tagen wird innerhalb des Modells verwendet.
- Das Modell ist ein Multiparameter-Modell. D.h. das Modell verwendet eine bestimmte Anzahl (mehrere!!) der besten Werte der Maximalleistungen für die verschiedenen Belastungszeiträume (10 sec, 1-2 min, 5-8 min, 20 min, 40 min) im 90-Tage-Datenpool des Läufers, um die CP-Schätzung bereitzustellen.
- Die besten Darstellungen der Power-Duration-Kurve werden aus einer Vielzahl von Zeitbereichen abgetastet.
- Stryd verwendet eine Gewichtungsfunktion, bei der die aktuellsten 30 Tage am stärksten und die ältesten 30 Tage am wenigsten berücksichtigt werden.
Was bedeutet das? Zuerst einmal, dass jeweils deine Lauf-Daten der letzten 90 Tage verwendet werden. Diese 90 Tage stellen ein gleitendes Fenster dar, welches jeden Tag verschoben wird. Dabei wird der Lauf des aktuellen Tages hinzugefügt und die Läufe von vor 91 Tagen aus dem Datenpool entfernt. Der Pool, mit dem das Modell arbeitet, ändert sich jeden Tag, da das 90-Tage-Fenster jeweils um einen Tag auf die letzten 90 Tage verschoben wird. Innerhalb dieses 90-Tage-Fensters werden die Daten abhängig davon, wie alt sie sind, einer Analyse und Gewichtung unterzogen.
Das Modell betrachtet nicht nur dein 10 km Rennen mit Bestzeit aus der letzten Woche, sondern auch mehrere andere Parameter. Die Modellierung erfolgt so, dass sie zu den besten Werten der unterschiedlichen Schlüsseldauerbereiche aus der Power-Duration-Kurve passt. Das sind die max. Wattwerte z.B. für Belastungen von 1-10 Sekunden, 3-5 Minuten, 8-12 Minuten, 20-40 Minuten. D.h. jeglicher Art von kurzen, mittleren oder langen Intervallen oder TDL! Dabei werden immer nur die letzten 90 Tage betrachtet, nicht deine beste 1000 m Zeit aus dem letztem Jahr und auch nicht die Zeit, die ggf. aktuell mit max. Anstrengung laufen könntest. Das Modell kann nicht hellsehen, es funktioniert nur mit dem, was innerhalb dieser 90 Tage aufgezeichnet wurde.
Angenommen, du hast deine 10 km Bestzeit im aktuellsten 90-Daten-Datenpool, dieser Lauf ist jetzt jedoch 89 Tage alt. Heute wird sie bei der Schätzung deines CP noch berücksichtigt. In zwei Tagen ist die Bestzeit 91 Tage alt und fällt aus dem aktuellsten 90-Tage-Datenpool aus. Deine CP-Schätzung sinkt. Warum? Weil diese 10 km Bestzeit-Daten vom Modell nicht mehr verwendet werden.
Anders herum läufst du in 5 Tagen eine neue Bestzeit über 10 km. Deine CP-Schätzung steigt wieder an. Warum? Weil das Hinzufügen eines neuen Wertes für die Leistungsdauer im Bereich von 35-50 min andere bisher enthaltene Werte überschattet und die CP-Schätzung des Modells beeinflusst.
Wird eine neue Höchstleistung für eine kurze Dauer (kleiner als 3 Minuten Belastung) zugefügt, dann hat dies nicht die gleichen Auswirkungen auf die CP-Schätzung wie das Hinzukommen einer neuen Höchstleistung für eine längere Belastungsdauer (20-40 Minuten). Eine neue 5 km oder 10 km Bestzeit (bzw. der entsprechende Wattwert) führt in der Regel zur sofortigen Erhöhung des CP-Wertes. Anderseits kann ein neuer Leistungs-Höchstwert für eine Belastung von 10 sec oder 1 min den CP-Wert sinken lassen! Das sind also kurze Sprints bis hin zu maximalen 400 m Intervallen. Warum ist das so?
Leistungsmaxima von kurzer Dauer werden stärker vom anaeroben Stoffwechsel beeinflusst als Leistungsmaxima von längerer Dauer. Ein Leistungsmaximum für eine kurze Belastung spiegelt die Schätzung der anaeroben Kapazität stärker wider und beeinflusst diese stärker. Wenn alles andere gleich bleibt, sinkt die CP-Schätzung, wenn die Schätzung der anaeroben Kapazität steigt (z.B. aufgrund eines neuen 1 min Leistungsmaximums). Das Stryd-Auto-CP-Modell berücksichtigt die anaeroben Kapazität in seinen Schätzungen.
Angenommen, du machst einige Bergsprints und erreichst dabei einen neuen Leistungs-Höchstwert in Watt für den Zeitbereich von ca. 1 Minute. Die Daten werden deinem aktuellen 90-Tage-Datenpool hinzugefügt. Das Stryd-Auto-CP-Modell wird dir höchst wahrscheinlich eine niedrigere CP-Schätzung melden.
Nehmen wir weiter an, dass 90 Tage vergehen und du keine Belastung in der Nähe dieser 1-Minuten-Leistung erreicht hast. Wenn diese 1 Minuten Höchstwert am nächsten Tag aus dem 90-Tage-Datenpool ausfällt, wird sich deine CP-Schätzung wahrscheinlich erhöhen. Warum? Weil dieser 1-Minuten Höchstwert bisher die Schätzung deiner anaeroben Kapazität erhöhte und gleichzeitig die CP-Schätzung unterdrückte. Jetzt ist er aus dem 90-Tage-Datenpool verschwunden.
Sicher hast du auch schon davon gelesen, dass viele gehäufte anaerobe Belastungen die aerobe Leistungsfähigkeit (Ausdauer) „zerstören“. Daher kommt im Winter auch immer erst das umfangreiche Grundlagentraining bevor es in das knackige anaerobe Intervalltraining geht. Natürlich ist diese Training auch notwendig um eine Erhöhung der anaeroben Kapazität („Laktattoleranz") und des VO2max zu erreichen. Aber erst nach dem Grundlagentraining!
An diesem Modell wird es deutlich. Du kannst es dir mit einem Grafikprogramm veranschaulichen. Wenn du dort eine gerade Linie in eine Freiformline umwandelst, dann bekommst du etliche Zieh- und Drehpunkte. Wenn du in Bild 1 am Ende der weißen Kurve im Bereich von 10 sec oder 1 min nach oben ziehst (anaerob), dann geht das andere Ende im Bereich ab 20 min nach unten (aerob und CP). Der Bereich ab 20 min hat aber einen großen Einfluss auf die Berechnung der CP.
Die Verwendung von Daten aus 90 Tagen gewährleistet, dass die Schätzung deiner aktuellen Fitness (CP-Schätzung) auf einer breiten Basis beruht. Dies ist in den meisten Fällen eine gute Sache. Ein Problem, das infolge eines gleitenden 90-Tage-Datenfensters auftreten kann, ist, dass die besten Werte der jeweiligen Belastungsdauern 90 Tage lang im Datenpool verbleiben. Daten aus leistungsfördernden Bedingungen dominieren gegenüber neuen Daten aus weniger leistungsfördernden Bedingungen. Stryd mildert dies ein wenig mit seiner Abklingfunktion.
Wenn du wie jetzt unter kühleren Bedingungen trainiert hast und dann plötzlich im Frühjahr bei wärmeren Temperaturen trainierst, wird die CP-Schätzung höchstwahrscheinlich von den Daten aus den kühleren Bedingungen dominiert. Die CP-Schätzung ist dann möglicherweise nicht für deine aktuellen Warmwetterbedingungen gültig. Es wird eine Weile dauern, bis sich die von kühlem Wetter dominierte CP-Schätzung ändert.
Dieses Problem älterer Daten, die in der CP-Schätzung enthalten sind, tritt in jedem Szenario auf, in dem Training und Rennen von leistungsfreundlicheren Bedingungen zu weniger leistungsfreundlichen Bedingungen wechseln, z.B.:
- geringe Temperaturen / Luftfeuchtigkeit hin zu höheren Temperaturen / Luftfeuchtigkeit
- geringe Höhe zu größerer Höhe
- überwiegend Laufen im Freien bis überwiegend Laufen auf dem Laufband
- höhere Fitness zu geringerer Fitness (zum Beispiel Regenerationspause)
In diesen Phasen des Übergangs zu weniger leistungsfreundlichen Bedingungen solltest du zusätzlich immer einen CP-Test unter den neuen Bedingungen durchführen um die Auto-CP-Funktion zu "unterstützen".
Das Problem älterer Daten, die in der CP-Schätzung enthalten sind, tritt nicht auf, wenn Training und Rennen von weniger leistungsfreundlichen Bedingungen zu leistungsfreundlicheren Bedingungen wechseln. Tatsächlich funktioniert das Modell recht gut, wenn neue Werte mit höherer Leistung in den 90-Tage-Datenpool gelangen.
Beachte, dass es sich immer um eine CP-Schätzung handelt. Keine garantiert "exakte" CP. Das Modell erstellt eine Schätzung basierend auf den verfügbaren Daten. Die Schätzung kann realitätsnah sein oder auch nicht. Das Modell kann der Erstellung einer realitätsgetreuen CP-Schätzung am nächsten kommen, wenn die Leistung in jedem Zeitbereich der Power-Duration Kurve bei oder nahe bei einem aktuellen maximalen Wert für diese Dauer liegt.
Einen maximalen oder nahezu maximalen Wert kannst du wie folgt ermitteln:
- im Rennen
- einzelne Tests über eine festgelegte Entfernung oder festgelegte Dauer
- einen CP-Test, der maximale Anstrengungen über zwei verschiedene Zeiträume oder Entfernungen erfordert (z.B. 3 min und 10 min)
Der Schlüssel dazu, dass das Modell die bestmögliche CP-Schätzung bereitstellt, besteht darin, maximale oder nahezu maximale Anstrengungen in einer Vielzahl von Schlüsseldauerbereichen (z. B. 1-10 Sekunden, 3-5 Minuten, 8-12 Minuten und 20-40 Minuten) zu unternehmen, verteilt auf die gesamten betrachteten 90 Tage.
So wäre das Abwechseln eines 3 min/10 min CP-Test mit einem 5 km bis 10 km Rennen oder Testlauf alle 30-60 Tage eine Möglichkeit, um sicherzustellen, dass das Modell kontinuierlich eine einigermaßen gültige (realitätsgetreue) CP-Schätzung erstellt.
Ein anderes Beispiel wäre, einen 2-3 minütigen Test an einem Tag zu absolvieren, dann einen 8-12 minütigen Test 3 Wochen später und wiederum ein 5-10 km Rennen oder Testlauf wieder 3 Wochen später.
Unsere Trainingspläne sind mit ihren Intervallen schon im Grundlagentraining und regelmäßigen 10 km Testläufen dafür hervorragend geeignet. Vorausgesetzt man lässt diese Testläufe nicht weg.
Mein Auto-CP hat sich gerade erhöht - warum?
- Möglicherweise hast du gerade eine neue Hochleistung erreicht, die bei einer Schlüsseldauer (normalerweise > 5 Minuten) im Vergleich zu dem, was sich bereits im 90-Tage-Datenpool befand, hoch ist.
- Ein Leistungswert für eine kurze Belastung (normalerweise < 3 Minuten) ist möglicherweise gerade aus dem 90-Tage-Datenpool herausgefallen.
- Du hast hast deine Stryd-Gewichtseinstellung erhöht (CP = W/kg-CP-Wert * Gewicht)
- Die Bedingungen, unter denen du jetzt läufst, sind leistungsfreundlicher (niedrigere Temperatur / Luftfeuchtigkeit, geringere Höhe) als die, unter denen du vorher gelaufen bist.
- Du bist vom "Nichtwind"-Pod zum "Wind"-Pod gewechselt
Mein Auto-CP ist gerade gesunken - warum?
- Eine hohe Leistungswert bei einer Schlüsseldauer (normalerweise bei > 5 Minuten) ist gerade aus dem 90-Tage-Datenpool herausgefallen, z.B. ein Rennen von vor über 90 Tagen
- Du hast gerade einen neuen Höchst-Leistungswert mit einer kurzen Dauer (normalerweise < 3 Minuten) erreicht (anaerobe Kapazität!).
- Du hast deine Stryd-Gewichtseinstellung verringert (CP = W/kg-CP-Wert * Gewicht)
- Die Bedingungen, unter denen du jetzt läufst, sind weniger leistungsfreundlich (höhere Temperatur / Luftfeuchtigkeit, größere Höhe) als die Bedingungen, unter denen du vorher gelaufen bist
Der "Trainingseffekt"
Wenn du nun vor dich hin trainierst, aber das Modell nicht mit maximaler oder nahezu maximaler Anstrengung über die verschiedene Zeitbereiche versorgst, dann fallen ältere Rennen und Tests aus dem 90-Tage-Datenpool heraus. Das 90-Tage-Datenpool wird nach und nach mit reinen Trainingsdaten gefüllt. Es ist unwahrscheinlich, dass Läufer während des Trainings (ohne Maximaltest oder Wettkampf) maximale Anstrengungen in den Zeitbereichen der Power-Duration-Kurve unternehmen. Dies bedeutet nicht, dass dein Training nicht ermüdend ist. Es bedeutet auch nicht, dass das Training deine Fitness nicht verbessert. Es ist einfach eine Tatsache - die Daten sind Trainingsdaten, wie gut sie auch sein mögen, aber bei submaximaler Belastung. Folglich erzeugt das Modell eine CP-Schätzung aus dem 90-Tage-Datenfenster, die weich ist - nicht repräsentativ für deine wahre CP. Das Modell ist nicht hellsichtig. Das Modell erstellt nur eine Schätzung basierend auf den Daten im 90-Tage-Datenpool.
Während Trainingsblöcken, in denen keine Rennen stattfinden, ist es empfehlenswert, gelegentlich einen CP-Test durchzuführen, um den CP daraus mit der Auto-CP-Modellschätzung zu vergleichen.
Fehlende Belastungen für die Power-Duration Kurve
Es ist möglich, dass deine Auto-CP-Schätzung bis zu 4% unter dem Ergebnis regelmäßiger 3min/10min-CP-Tests liegt, wenn du seit 90 Tagen keinen Wettkampf oder Testlauf durchgeführt hast. Dies ist wahrscheinlich auf das Fehlen einer guten maximalen oder nahezu maximalen Anstrengung im Schlüsseldauerbereich von 20 bis 40 Minuten zurückzuführen. Der 90-Tage-Datenpool ist ausreichend mit maximalen Belastungen von 3 und 10 min gefüllt, es fehlt jedoch ein 5-10 km Rennen oder Testlauf. Absolvierst du ein solches Rennen oder Lauf, dann wird sich deine Auto-CP-Schätzung noch am gleichen Tag erhöhen.
Ich habe das letzte Mal von Mitte November bis Mitte Dezember intensiv trainiert. Anschließend war ich verletzt, ging spazieren oder Rad fahren. In den letzten 2 Monaten lief ich dann in der Regel täglich locker 30 min. Meine Auto-CP fiel ins "Bodenlose". In den letzten 2 Wochen lief ich dann jeweils einen 5 km Test. Der war natürlich zeitlich bescheiden, aber aber leistungsmäßig höher als alles was ich in den letzten 90 Tagen gelaufen bin. Die Auto-CP stieg jeweils am gleichen Tag um ca. 10 Watt an.
Wenn du dir meine Power-Duration-Kurve in Bild 1 anschaust, dann siehst du die fehlenden bzw. submaximalen Daten im Bereich 20-40 min. Ich hatte in diesem Bereich einfach keine hochintensive Läufe bzw. Wettkämpfe. Gerade Bereich wird aber bei der Auto-CP Schätzung stark gewichtet.
Wie lange dauert es, bis Auto-CP funktioniert?
Wenn du beginnst mit dem Stryd zu laufen, dann kann Stryd eine brauchbare Auto-CP Schätzung nach 10-14 Tagen erstellen. Beachte jedoch, dass die Schätzung nur so gut ist wie deine frühen Daten, die in den Datenpool gelangen. Wenn du nur lockeren Dauerläufe machst, dann ist die Schätzung weich und nahezu unbrauchbar. Du wirst dich bei jedem weiteren DL im Bereich von 100% deiner CP bewegen und Stryd wird dich vor einer Überlastung warnen. Einfach nur, weil dir hohe Leistungen im Datenpool fehlen. Machst du schnell ein Rennen, einen Testlauf oder/und einen CP-Test, dann unterstützen diese Daten eine wesentlich bessere CP-Schätzung.
Stryd Auto-CP ist ein herausragendes Tool, mit dem der Benutzer eine gültige Schätzung seines CP erhalten kann. Es ist nützlich. Wenn das Modell jedoch keine
- maximalen oder nahezu maximalen Anstrengungen in
- einer Vielzahl von Schlüssel-Dauerbereichen (siehe Power-Duration-Kurve)
- verteilt über den 90-Tage-Datenpool
hat, dann kann das Modell nur eine CP-Schätzung erstellen, die die Realität ungenügend abbildet.
Ziel des Ganzen ist es aber niemals ausschließlich, nur zum Selbstzweck eine gültige CP-Schätzung zu bekommen. Ziel ist es, Training und Rennen auf der Grundlage einer gültigen CP-Schätzung zu optimieren, da wie eingangs beschrieben, die CP als Referenz für optimale Vorgabe der Belastung im Trainingsplan dient. Umso genauer die CP (wie auch der Angabe der möglichen 10 km Zeit) um so exakter kann das Training gesteuert werden (Festlegung der Leistungsbereiche und Zielzonen).
Ebenso funktioniert die Bewertung der Trainingsbelastung nur auf Basis einer guten CP-Schätzung. Auch der Stryd-Race-Planner mit der Vorhersage der möglichen Wettkampf-Leistung und -zeit ist abhängig von der CP-Schätzung.
Steve Palladino empfiehlt regelmäßig Wochen zur Optimierung der Auto-CP ins eigene Training einzubauen, wie z.B.:
Montag: Maximaltest 10 min
Dienstag: Pause oder lockerer DL
Mittwoch: Maximaltest 10 sec, 15 min Trabpause, Maximaltest 2 min
Donnerstag: Pause oder lockerer DL
Freitag: Pause oder lockerer DL
Samstag: Maximaltest 20 min oder 5 km Rennen
Sonntag: Pause oder lockerer DL
Fazit: Nutze die Auto-CP-Funktion des Stryd, sei dir aber bewusst dass es ein Modell ist. Die CP stellt die max. mögliche Leistung über 1 h Belastung dar. Daher möchte das Modell auch mit max. Leistungen versorgt werden. Lockere Dauerläufe über Wochen bringen da nichts. Es bedarf max. Belastungen (vor allem im Bereich zwischen 20 und 40 min) in allen Schlüsseldauerbereichen.