Immer wieder schreiben mir Läufer(innen) ich möchte doch bitte einmal über ein bestimmtes Thema berichten. In letzter Zeit wurde ich mehrmals aufgefordert das Thema "Einlaufen" zu behandeln. Das will ich nun heute tun, obwohl ich vor 5 Jahren schon einmal einen Artikel darüber geschrieben habe und die nachfolgenden Zeilen stammen zum größten Teil auch aus diesem Text.
Wir sind schon mitten drin in der spätsommerlichen Wettkampf-Saison und da möchte ich dir einige Tipps zum Einlaufen, auch Warmmachen genannt, mitgeben. Eine Grundempfehlung: Gehe an die Dauer und die Intensität des Einlaufens äußerst kritisch heran. Plane genau was tust und warum du es tust. Laufe nicht quatschend mit anderen mit und übernehme deren Programm. Im Sommer nicht in der Sonne warmlaufen, sondern immer im Schatten.
Das Einlaufen dient nur der Aktivierung der organischen Systeme, der Lockerung und dem Aufwärmen der Muskulatur. Ich schlage folgendes Einlaufverhalten vor: 1. solltest du dich um so länger einlaufen, desto tiefer die Umgebungstemperatur ist. Für gut trainierte Läufer(innen) mit 10 km-Zeiten unter 40 min (Damen unter 43 min) für Wettkämpfe zwischen 3 und 21,1 km vor:
Temperatur | Zeit |
> 25 Grad: | 10 min Einlaufen |
25 - 22 Grad: | 15 min Einlaufen |
22 - 20 Grad: | 20 min Einlaufen |
20 - 18 Grad: | 25 min Einlaufen |
18 - 3 Grad minus: | 30 min Einlaufen |
darunter: | 40 min Einlaufen |
Läufer(innen) die noch nicht die oben beschriebenen Zeiten erreichen, sollten die Einlaufzeiten reduzieren, weil deren Ausdauerfähigkeit noch nicht so ausgeprägt ist. |
Leistung | Reduzierung |
40 - 45 min/10 km | 85% der angegeben Zeiten |
45 - 50 min/10 km | 70% der angegeben Zeiten |
50 - 55 min/10 km | 55% der angegeben Zeiten |
über 55 min/10 km | 40% der angegeben Zeiten |
2. Bei Marathon- und Ultraläufen nur ein Drittel der Zeit zum Warmmachen nutzen. Wichtig ist es bei diesen Wettkampfarten kühl zu bleiben. Auch hier raus aus der Sonne, raus aus warmen Räumen. Am besten ist es, vor einem Marathonstart leicht zu frieren.
Die Länge der Wettkampfstrecke bringt es mit sich, dass nicht von Beginn an die höchste Leistung verlangt wird, Aktivierung und Erwärmung erfolgt im Rennverlauf. Bei den langen Strecken > 40 km steht grundsätzlich das Sparen von Energie im Vordergrund.
3. Schwitzt du vor einem Marathonstart, kühle dich unbedingt ab, nötigenfalls mit einer kalten Dusche, Eispackung, Kühlweste oder durch eine Klimaanlage. Zu warm in ein langes Rennen zu gehen zieht erhebliche Nachteile nach sich. Diese Regel wird um so bedeutender für dich, desto dicker dein Unterhautfett ist.
4. Dicke sind schon bei Temperaturen von 18 Grad benachteiligt, aber bei Temperaturen unter 10 Grad bevorteilt. Egal ob dick oder dünn, für beide gilt: Je kürzer die Strecke ist, desto länger und desto intensiver solltest du dich eingelaufen.
5. Wichtig dabei ist, dass kurze Teile des Programms auch in der geplanten Wettkampfgeschwindigkeit gelaufen werden. Das heißt, du solltest auch 3 - 4 Steigerungen absolvieren. Dabei muss die Betonung auf Steigerung liegen und nicht auf "knallharten" Sprints.
Wenn du dich eingelaufen hast, wird 5 min lang das gewohnte Gymnastikprogramm durchgeführt. Die Betonung liegt auf "gewohnt"! Nichts bekommt einem Läufer(in) schlechter, als ein langes überzogenes und vielleicht sogar noch ungewohntes Dehnprogramm vor einem Wettkampf. Wenn du dich locker fühlst, lasse das Dehnprogramm am besten ganz weg.
Bei traditioneller Gymnastik und Dehnung wird der Muskeltonus herabgesetzt und ein "Schlaffgefühl" produziert. Witzigerweise sieht man immer wieder Sportler(innen), die vor oder nach dem Training nicht eine einzige gymnastische Übung ableisten, aber vor Wettkämpfen die tollsten Verrenkungen absolvieren. Wahrscheinlich wollen sie ihrem schlechten Gewissen Genugtuung verschaffen und schaufeln sich doch nur ihr eigenes Grab.Ebenso erhält man schlaffe Muskeln durch Massage am Wettkampf- oder Vorwettkampftag. Auch in diesem Fall gibt es einen starken Trend, gerade am Vorwettkampftag die Muskeln noch einmal durchkneten zu lassen, weil man ja an diesem Tag sowieso kaum oder gar nicht trainiert.
Das gleiche gilt für eine weitere beliebte Übung besonders zur Winterzeit, der Sauna. Auch die Sauna setzt den Muskeltonus herab und bringt durch hohe Schweißverluste das körperliche Gleichgewicht durcheinander. Die Sauna ist eine erholsame und angenehme Sache bis 2 Tage vor Wettkampf. In der unmittelbaren Vorbereitung hat sie nichts zu suchen, denn auch ein Saunagang setzt den Muskeltonus herab.
Wichtiger aber als das Ganze Einlaufen und Dehnen ist deine geistige Einstellung. Wir sind einmal in der Zeit als es noch wenige Kunststoffbahnen gab, zu einem traditionell gut besetzten 5000 m-Rennen nach Menden gefahren. Dafür hatten wir einen Weg von gut 300 km auf uns genommen. Wir waren 3 Läufer und unglaublich "heiß"; gegen uns war ein Hochofen ein Kühlschrank.
Nach der Meldung wurden wir in den 5. Lauf eingeteilt (so etwas gab es damals!), aber plötzlich wurde umdisponiert und wir mussten im 4. starten. Da kam aber Hektik auf! Wir hatten weder die Startnummer am Trikot, noch die Spikes an. Alles musste ganz schnell gehen. Wir schoben noch die Sicherheitsnadeln durch die Startnummer, da wurden wir schon aufgerufen.
100 m liefen wir zur Startlinie und dann ging es auch schon los. Wir hatten uns in keiner Weise eingelaufen, aber das Adrenalin stand uns bis zu den Ohren. Aber oh Wunder, meine beiden Mitstreiter liefen Bestzeit und ich selbst mit 15:27 min einen persönlichen M40-Rekord.
Fazit: Es geht auch ohne Einlaufen, wenn die persönliche Motivation stimmt. Damit will ich dir aber nicht dazu raten, dich vor einem Rennen nicht warm zu machen. Aber wenn dir einmal etwas Ähnliches passiert, dann weißt du, dass du dennoch dein Rennen erfolgreich abschließen kannst.