In der Vorwoche mahnte ich ob der überragend guten Trainingsbedingungen und nun kommt die Rache aus Sibirien. In einigen Gegenden von A, D und CH soll es bis auf 20 Grad minus nach unten gehen.
Ist denn das nicht zu kalt zum Laufen? Werden da nicht die Atemwege geschädigt? Diese Fragen stellen sich nicht wenige von uns. Aber ich kann dich beruhigen. 15 Grad minus stellen für schnell oder langsam trainierende Läufer kein Problem dar.
Bei Langlauf-Skiwettkämpfen zieht man die mögliche Ausführungsgrenze bei etwa 20 Grad minus. Genau kann man sich nicht festlegen, weil auch der Wind eine große Rolle spielt. Gerade heute, an dem Tag an dem diese Zeilen entstanden, fand ich eine Notiz, dass in Russland eine Ski-Weltpokalrennen abgesagt werden sollte, weil Temperaturen von - 26 bis - 29 Grad angesagt sind.
Dazu muss ich von einem Trainingslauf aus den frühen 80er Jahren erzählen, von dem ich glaube hier schon einmal berichtetet zu habe. Aber weil die damalige Wetterlage mich beinahe zur Frau gemacht hat, ist dieser Tag für mich unvergesslich.
- 27 Grad, 10 Uhr morgens, starker Ostwind geschätzt 5 Bft. Feldweg "An den Höfen" in Seesen, Laufrichtung Ost. Bekleidet war ich mit einer langen Unterhose Marke "Liebestod" und einem Baumwoll-Trainingsanzug Standardgrau mit Beinüberfall und Gummiabschluss.
An meine Oberkörperbekleidung kann ich mich nicht mehr erinnern, sie war augenscheinlich ausreichend. Was ich für die Beinkleidung nicht feststellen konnte, denn nach 500 m Gegenwind im freien Feld fing in meiner Körpermitte etwas an zu schmerzen und zwar so stark, dass ich vom Hosenbund aus meine Hand schützend vor dieses Körperteil legen musste.
Auch meine Schienenbeinkanten zwischen Schuhende und Hosenabschluss schmerzten. Und so drehte ich ganz schnell mit der Hand in der Hose um und flüchtete 2 km weiter zurück in unser Haus. Wo ich nach genauster Untersuchung konstatieren konnte, dass meine Männlichkeit außer einem temporären Schrumpfungsprozess keinen Schaden genommen hatte.
Aber die Haut meines unteren vorderen Schienenbeins war schneeweiß. So fiel sie dann auch in den kommenden Wochen ab und hinterließ nach der Heilung auch keine bleibenden Spuren. Du kannst dir vorstellen, dass ich meinem Schöpfer dankte, dass dieser Schaden nicht eine Etage höher aufgetreten ist.
Seitdem mied ich ein Training bei solchen Temperaturen, wobei ich mich auch nicht erinnern kann, dass es jemals wieder so kalt und windig war. Weiterhin musste ich auch am Altershergang lernen, dass mit zunehmenden Alter und abnehmenden Trainingstempo, die winterliche Laufbekleidung immer dicker sein musste.
Ich entschuldige mich an dieser Stelle bei einigen weiblichen langsamen Vereinsmitgliedern für deren Verhöhnung als "Pinguin". Diese Anmutung entstand durch die Körperformung von mehrfachen Bekleidungsschichten. Braunbär wäre wirklich höflicher gewesen.
Also kann ich dir nur raten: Je langsamer du läufst, desto dicker solltest du dich anziehen. Dazu empfiehlt sich auch heute noch das Tragen mehrerer Schichten übereinander. Aber da du diese Zeilen liest, hast du deine Erfahrungen sicher schon gemacht.
Eingehen möchte ich noch auf das Laufen auf Schneeböden. Davon wurde an dieser Stelle auch schon mehrfach berichtet. Nachfolgend ein Text von mir aus dem Januar 2010:
Heute Morgen fand ich in meinem Mail-Briefkasten Schreiben, die absolut üblich sind und mit denen ich mich in jedem Jahr zur Winterzeit wieder beschäftigen muss.
In diesen Mails wird dann gefragt oder geklagt, so wie:
"Die Laufbedingungen bei uns werden durch den Schnee immer schlimmer, Puls und Zeitvorgaben sind nicht immer zu erfüllen. Ich versuche mein Bestes, wenigstens die vorgegebenen Kilometer zu laufen.
Meine Frage ist, gibt es Einheiten im Trainingsplan, die ich auch mit meinem Langlaufski absolvieren könnte??? Die Langlaufbedingungen auf unserer Kammloipe sind nämlich super."
oder
"Ich bin seit Mitte November Mitglied und habe mich mit dem Wintertraining befasst. Ich habe nur selten einen Zugang zu einem schnee- und eisfreien Platz und tue mich schwer mit den Tempoeinheiten. Im Moment sind die Wege alle verschneit und teilweise recht eisig. Lange Einheiten und gemütliche Tempi sind kein Problem. Nur Tempoläufe, bzw. Intervalle empfinde ich auf diesem Untergrund als recht heikel. Im Moment ziehe ich die langen Läufe komplett im richtigen Tempo durch. Die Regeneration erfolgt auf Langlaufski. Die Tempoläufe halte ich schon für wichtig, bloß im Dunkeln auf diesen Wegen ist es oft nicht gefahrlos realisierbar. Wie ist Deine Empfehlung für das Training bei diesen Bedingungen."
oder auch
"Du lässt zurzeit ja ziemlich ruhig trainieren, damit die Form nicht zu schnell und dafür nur kurz kommt. Ein schnelles Training ist bei mir auf Grund von Schnee im Augenblick sowieso nicht möglich.
Habe am Mittwoch aber trotzdem einen unwichtigen Crosswettkampf. Meine Frage: soll ich diesen mit deiner Tempovorgabe von den Tempodauerläufen laufen, also mit angezogener Handbremse, oder kann ich diesen auch volles Rohr laufen ohne Gefahr einer Frühform zu erlangen??
Ist es außerdem tragisch, wenn ich die Tempointervalle auf der Bahn aufgrund von Schnee zur Zeit nicht machen kann und diese Einheit durch 15 km extensiv ersetze?? Ein Laufband steht mir leider nicht zur Verfügung bzw. lediglich eins, dass nach 8 km überhitzt den Geist aufgibt."
Und das sind nicht alle Fragen in Bezug auf des Training auf Schneeböden. Aber warum? Darauf könnte man doch auch prima laufen. Wirklich? Die Lebenserfahrung als Läufer und Trainer von über 40 Jahren sagt etwas anderes aus. Darum muss ich auch jedes Jahr wieder auf die nachfolgenden Zeilen zurückgreifen, die ich schon 2006 geschrieben habe.
Du brauchst aber keine Angst wegen einer eventuellen mangelnden Aktualität zu haben. Die Läufer sind gleich geblieben, der Schnee auch, die Fragen ebenso und auch die Probleme gleichen denen der Vorjahre wie eine Kopie.
Schnee? Schnee ist für Läufer(innen) Schweinkram! Wir sollten, wenn es möglich ist, nicht auf Schneeboden trainieren. Und dies aus gutem Grund! Nichts zieht so viele Verletzungen nach sich, wie das Training auf verschneiten und vereisten Untergründen. Der Fuß kommt nicht mehr gerade auf, die Ferse sackt ein und ein sicherer Stand ist auch oft nicht gewährleistet. Besonders unsere läuferischen Schwachstellen das Knie und der Achillessehnenbereich werden über Gebühr belastet.
Aber das ist nicht der einzige Grund warum mit Schnee bedeckte Untergründe gemieden werden sollten, obwohl man oft hören kann: "Ich laufe gerne auf Schnee, wenn er nicht so hoch ist." Ja, das machen wir eigentlich alle, so eine 5 cm Pulverschneeauflage tritt sich weich und wir haben alle das Gefühl ausgezeichnet gedämpft aufzusetzen. Und genau in diesem so soften Dämpfungsgefühl liegt die Gefahr vergraben.
Du kennst sicher das Gefühl, wenn du nach einem Lauf im Schnee auf eine geräumte Straße kamst und erschrocken spürtest, wie hart dir deren Boden in die Knochen fuhr. Muskeln sind Opportunisten, sie stellen sich schon nach kurzer Zeit auf geänderte Umweltbedingungen ein, so nach dem Motto: "Wenn denn der Schnee die Stöße auffängt, brauchen wir es nicht zu tun!"
Einmalig ist so ein Lauf auf Schneeböden kein Problem. Wenn aber auf Dauer, wie es zur Zeit in einigen Gegenden von Deutschland der Fall ist, die seit dem Jahreswechsel Schnee haben, auf dem weichen Untergrund gelaufen wird, dann hat das negative Folgen für die Muskulatur und damit für unsere Laufleistung.
Auf harten Böden fangen Muskelstrukturen die Stöße des Bodens (Impact) ab. Nicht nur das, sie bilden auch aus diesem Grund so genannte kontraktile Elemente aus, die geradezu wunderbare Eigenschaften entwickeln.
Sie nehmen die Kraft des Bodenaufsatzes auf und geben sie beim Absprung wieder ab. Das, was wir uns von unseren Schuhen wünschen, was diese aber nicht leisten können, erledigen starke und gut trainierte Muskeln problemlos.
Und da kommen wir zum Punkt! Du kannst ganz sicher sein, dass du dich mit dem ausschließlichen Training auf Schnee in über zwei Monate konditionsmäßig weiter entwickelt hast.
Aber es ist ebenso sicher, dass du trotz erhöhtem Umfang kein einziges kontraktiles Element neu entwickelt hast. Im Gegenteil, die Leistung deiner Muskeln in Hinsicht auf den Kraftreturn hat nachgelassen.
Das kann für dich dramatische Folgen haben:
1. Deine Schnelligkeit wird vermindert, du bist nicht mehr spritzig, hast Mühe deine Trainingszeiten auf kurzen Strecken zu schaffen. Dein Schritt ist "platschig" und nicht federnd, weil deine Bodenkontaktzeiten verlängert sind.
2. Auf der Marathonstrecke wird dann das Training auf Schnee erst richtig bestraft. Weil deine kontraktilen Elemente nicht entsprechend trainiert sind, musst du bei jedem Schritt mehr Energie aufwenden und du spürst bald, wie dir auf der zweiten Hälfte so langsam der "Saft" ausgeht.
Das Schlimme aber kommt erst jetzt: Auch das andauernde Laufen auf weichen Waldböden ruft die gleichen negativen Folgen hervor, wie das Training auf Schneeuntergründen. Selbst gestandene ältere Läufer wissen nicht, dass der Hauptteil eines Marathontrainings auf harten Untergründen absolviert werden muss. Dies wird in der Regel Asphalt sein, aber auch Schotterstraßen sind dazu geeignet.
Bei einem meiner Vorträge ging es unter anderem auch um das Thema "Weichbodentraining". Als ich von der mangelnde Muskelstimulation der Muskeln durch weiche Böden berichtete, meldete sich ein über 60-jähriger erfahrener Läufer zu Wort: "Jetzt fällt es mir wir Schuppen von den Augen. Ich habe immer nur im Wald trainiert und bin eigentlich im Verhältnis zu meinen anderen Leistungen auf kürzeren Strecken nie richtig gut Marathon gelaufen!"
Aber auch wenn du die weichen Böden aus vorliegenden Gründen nicht meiden kannst oder willst, musst du dich nicht damit abfinden, dass sich deine kontraktilen Muskelelemente nicht richtig entwickeln können.
Und in diesem Jahr schrieb ich allen unseren Clubmitgliedern: "Es liegt deutschlandweit Schnee! So rate ich dir, dich entsprechend den schwierigen Bedingungen anzupassen. Eines aber solltest du bei diesen Bedingungen ganz besonders beachten: Es gibt zwei Todfeinde für Läufer(innen), dass sind lockerer Sand und unruhiger Schneeboden. Letzterer macht uns keine Probleme, wenn er hart und gleichmäßig festgetreten ist, aber locker und ungleichmäßig gibt er einen ganz wunderbaren Verletzter und Überlaster für unsere Knochen, Muskeln und Sehnen ab.
Besonders zu meiden sind hart gefrorene Treckerspuren in der Feldmark. Pkw-Spuren hingegen lassen sich meist gut belaufen. Die meisten Unannehmlichkeiten hat man in dieser Zeit auf der Langen Runde. Bei uns geht diese zum Beispiel zum großen Teil über Waldwege, die im Winter nicht geräumt werden. Wir helfen uns dann mit einer "Dorfrunde" über Landstraßen. Die ist unbeliebt, aber unsere Läufer kennen da keine Gnade. Und sei das Wetter noch so schlecht, es wird gelaufen. Hast du keine geräumte Dorfrunde der geforderten Länge, suche dir eine die kürzer ist und die du dann mehrmals laufen kannst.
Das ist auch so mit Tempoläufen. Findest du keine entsprechende Runde, die du laufen kannst, suche dir eine kleine geräumte. Ein km Länge reicht aus. Genauso kannst du dir eine Pendelstrecke auf einem Radweg oder einer ruhigen Landstraße suchen. Wenn du einen km Länge hast, kannst du darauf jeden Tempolauf absolvieren. Das mag dir etwas ungewohnt vorkommen, aber daran gewöhnst du dich. Meide aber so gut es geht Pökelschnee. Auf dem kann man überhaupt am schlechtesten trainieren.
Auch Skilaufen erhält die Kondition, aber die Koordination ist eine völlig andere und es werden auch Muskelbereiche aufgebaut, die wir als Läufer kaum benötigen. Berühmt berüchtigt ist der Skiläuferar... Den muss man dann im Frühjahr wieder begradigen.
Das geht alles, aber es fehlen Wochen, die zum Aufbau einer läuferischen Form benötigt werden. Denn wirklich schnelle Schritte sind auch beim Skaten kaum drin. Also: Laufen lernt man nur durch Laufen. Aber wo, das bleibt die Frage.
Du kannst es aber auch so machen, wie wir hier in Seesen. Wir halten die Innen- unserer Laufbahn schneefrei. Das ist zwar aufwändig, aber wenn gleich nach jedem Schneeschauer das weiße Zeug weggeräumt wird, dann klappt das.