In der letzten Woche versuchte ich dich zu motivieren, jetzt wieder mit dem Training zu beginnen. Hast du schon losgelegt? Wenn nein, wird es jetzt richtig Zeit, sonst wird es nichts mehr mit dem Holgerbangemachen.
Dazu solltest du wissen, dass man ziemlich genau 6 Wochen benötigt, um sich eine Formstufe in die Höhe zu hieven. Au ja, wirst du jetzt denken, dann passt es jetzt bei mir noch gerade bis zum Berlin-Marathon. Ja, denkste. Bis zum größten deutschen Marathon sind es noch knapp 7 Wochen und das ist schon zu wenig, um bis zu diesem Termin alles das aus dir rauszuholen, was in dir steckt.
Mit diesen 6 Formaufbereitungswochen ist nur der Zeitraum gemeint, in dem du titanenhart trainieren kannst. In den letzten zwei Wochen wird das Training schon langsam wieder herunter geschraubt. Dieser Zeitraum, die unmittelbare Vorbereitung, zählt nicht mehr zum eigentlichen Marathontraining.
Jetzt wirst du erschrecken: "Oweh, jetzt bin ich zu spät dran." Je nach Struktur wirst du entscheiden zwischen, schaffe ich noch, suche mir einen anderen Wettkampf oder dann eben nächstes Jahr. Im Fall "schaffe ich noch" bist du in Gefahr, in eine böse Falle zu laufen. Die lautet: Wer spät anfängt, möchte möglichst spät mit dem Training aufhören.
Zu dieser Gruppe gehören meist auch die Vertreter der Strechtbundhosen-Träger und der "Eins könn´ wir noch"-Fraktion. Diese Menschen nutzen das Marathontraining als willkommene Hilfe zum Abnehmen. Ist auch gar nichts dagegen zu sagen, aber das Problem ist meist, dass das angestrebte Idealgewicht am Ende des harten Marathontrainings nicht erreicht ist.
Und dann geht es los mit dem Dilemma. Eigentlich müssten sie dann in den letzten 10 Tagen vor dem Marathon beginnen sich zu schonen, langsamer zu laufen und die harten Tempoläufe zu streichen. Und was passiert oft? Ein Großteil dieser Gruppe entscheidet sich, die Umfänge möglichst hoch zu halten. Das Ziel ist es, das Gewicht noch weiter runter zu bekommen und die Form noch etwas anzuheben. Es wird damit dann einfach zu dicht an den Wettkampf heran trainiert.
Und dann kommt noch das Schlimme, das ganz Schlimme. Wenn so ein Mensch sich dann doch entschlossen hat, jetzt unmittelbar vor dem Marathon doch etwas langsamer zu machen, dann wird er doch morgens und abends auf die Waage schauen und prüfen wie sich denn sein Gewicht verhält. Und dann der Gau! Die Waage klettert unerbittlich nach oben, da hilft auch kein Schielen von einer Seite. Denn Kohlenhydrate und Wasser werden eingelagert, der Treibstoff für einen guten Marathon. Und das kostet Gewicht, kilogrammweise.
Das stürzt nun den Betroffenen Menschen in die Verzweifelung. Schnell geht er raus und reißt noch einmal 15 km ab und dem Himmel sei Dank, gut geschwitzt und 1,5 kg sind runter. Die Seele ist zufrieden, der Körper erschöpft. Aber das Versagen ist vorprogrammiert. Was denkst du, wie oft ich es schon erlebt habe, dass sich Läufer wie Läuferinnen in den letzten Tagen vor dem Rennen keine Ruhe ließen und dann im Wettkampf versagten. Ein solches Verhalten bringt in einem Rennen von 5 - 21,1 km keinen großen Nachteil, weil es über diese relativ kurzen Distanzen kaum Stoffwechselprobleme gibt.
Und weil gerade diese Wettkämpfe öfter gelaufen werden als die 42,2 km-Strecke, werden die Erfahrungen von den kürzeren Distanzen mit in den Marathon übertragen. Nach dem Motto: Macht ja nix, ausruhen kann ich mich morgen. Ja, ausruhen kannst du dich morgen beim Marathon. Wenn dir so langsam die Kraft aus den Knochen schwindet und du dir sagst: "Ich habe so gut trainiert und jetzt das." Und wenn du dann ab km 35 wanderst und die lustigen Fluchlieder singst, dann musst du dich auch nicht mehr besonders anstrengen.
Es gibt aber auch das Gegenteil von den Selbstverheizern, das sind die, die einfach nur Angst haben, sich nicht richtig auszuruhen. Mein Spruch dazu ist immer: "Schonung bis zur völligen Erschöpfung." Da sind wirklich einige dabei, die die ganze Woche vor dem Marathon keinen Meter laufen. Der könnte ja zu viel sein.
Die meisten von uns wissen, wie falsch das ist. Aber ich möchte es hier dennoch noch einmal aufführen: 3 Tage ohne Training bringen schon einen messbaren Leistungsrückgang.
Der ist zwar klein, aber wenn du wieder eine der berühmten Schwellen unterschreiten willst, dann ist dieser Sprung meist auch ganz klein. Du musst immer deinen "Leistungswagen" vor Augen haben. Auf ihn hast du alles geladen: deine Kraft, Ausdauer, Koordination und auch deine Motivation. Du hast ihn die ganzen Wochen der Marathonvorbereitung durch dein Training den Berg hoch geschoben und hast vorher nicht geahnte Höhen erklommen. Jetzt bist du am Ende der Vorbereitung angekommen und hörst auf zu schieben. Dein Wagen hat noch Schwung und läuft noch etwas weiter. Dann steht er. Aber schon bald fängt er an den Berg wieder runter zu laufen. Erst ganz langsam und dann immer schneller.
Das sollte nicht geschehen. Darum schiebe am Ende langsamer und weniger, aber schiebe, dann klappt es auch mit dem Marathon. Übermäßiges Ausruhen schadet nur.
Auf eines möchte ich noch eingehen und dies ganz speziell als Trost und Hoffnung für alle die, die sich in der Marathonvorbereitung verletzen, erkranken oder aus anderen Gründen an einem durchgehenden Training gehindert werden:
Wenn du in der Marathonvorbereitung auch eine oder zwei Wochen ausfällst, dann gibt die Hoffnung auf ein gutes Rennen nicht auf. Dein Leistungswagen fährt in dieser Zeit zwar rasch rückwärts den Berg herunter. Aber wenn du ihn dann stoppst und wieder trainierst, dann kommt er ungleich schneller als vorher wieder den Berg hinauf. Er kennt schon den Weg und die Art und Weise wie er dort hin kommt. Oder mit anderen Worten: Dein Organismus vergisst einmal geleistetes Training niemals.