Kennst du HIT oder Crash Cycle? Wenn nicht, dann wirst du es bald kennen lernen. Denn irgendwann rennt eine Type im Park an dir vorbei, wie ein Handtaschendieb auf der Flucht. Aber dieser Mensch wird bald langsamer und wenn du den Keucher dann einholst, wird er dich mitleidig aufgrund deiner ruhigen Trainingsgeschwindigkeit verächtlich anschauen und dir ungefragt mitteilen: "Was läufst du denn da für leere km? Kennst du nicht HIT? Langsam laufen ist doch völlig out." Du schaust ganz verdutzt und biegst schnell in einen Seitenweg ein.
Zuhause googelst du nach HIT. Und da findest du dann eine Menge über HIT-Training, was auf gut deutsch Hochintensives Training heißt. Aber mit Laufen wird hochintensives Training noch kaum in Verbindung gebracht. Im Januar 2009 habe ich schon einmal ansatzweise darüber geschrieben: "Wir können durch hochintensives Training in kurzer Zeit mehr Leistungszuwächse erzielen, als in der gleichen Zeit mit einem weniger intensiven Training."
Nun gibt es aber neuere Veröffentlichungen, die das hochintensive Training, als das allein selig machende hinstellen und klar vom Umfangstraining abraten. In dem Artikel aus dem englischen übersetzt auf www.sport-und-training.de steht:
"Jetzt belegt eine neue Studie aus Deutschland genau, was erfahrenen Sportlern passiert, wenn sie die Intensität bzw. das Volumen ihres Trainings steigern. Auch diese Ergebnisse unterstützen die Intensitätsstrategie. An den Universitätskliniken Freiburg und Ulm steigerten 17 erfahrene Läufer über einen Zeitraum von 4 Wochen die Zahl ihrer Trainingskilometer dramatisch.
12 Monate später steigerten dieselben Läufer ihre Trainingsintensität beträchtlich, während sie die Kilometerzahl auf einem gemäßigten Level hielten.
Während der 4-wöchigen Periode, in der die Kilometerzahl gesteigert wurde, protokollierten die Läufer ungefähr 80 km in der ersten Woche (ihr übliches Volumen), steigerten auf 112 km in der zweiten Woche, erhöhten auf 142 km in der dritten Woche und erreichten ganze 168 km in der vierten und letzten Woche (aus der Zeit nach dem Training wurden keine orthopädischen Eingriffe berichtet). Nur 4–5,5 km pro Woche waren der Intervallarbeit vorbehalten, da 93–98% der Gesamtkilometerzahl bei gemäßigtem Tempo gelaufen wurden.
Um die Muskeln zu trainieren, lag die effektive Geschwindigkeit bei diesem gemäßigten Laufen bei 80% der mit einem Blutlaktatspiegel von 4 mmol/Liter assoziierten Geschwindigkeit. Warum nahmen die Sportler 4 mmol/Liter als Trainingsrichtgröße? Viele Wissenschaftler (vor allem aus Deutschland) glauben, dass 4 mmol/Liter der Laktatschwellenintensität entsprechen und richten alle Trainingsgeschwindigkeiten in Prozent danach aus. Das ist ein wenig so, als würde man einen Herzmonitor benutzen, um das Training zu steuern, nur dass hier das Laktat und nicht die Herzfrequenz festlegt was Sie tun, wenn Sie trainieren.
Während einer 4-wöchigen Periode mit verstärkter Trainingsintensität (die ein Jahr später stattfand) blieb das Trainingsvolumen der Läufer bei ca. 60–80 km pro Woche, während die Trainingsgeschwindigkeit stark angehoben wurde, d. h. die 400-m-Intervalle (bei einem Tempo von ungefähr 70 Sekunden pro 400 m) wurden von nur einem Intervall in der 1. Woche auf 6 Intervalle in der 2. Woche, 8 Wiederholungen in der 3. Woche und 4.200 m (10,5 Intervalle) in der 4. Woche gesteigert.
Ähnlich wurden die 1.000-m-Intervalle, die mit 107 % der Laktatschwellengeschwindigkeit (4 mmol/Liter) ausgeführt wurden, von 4 Intervallen in der 1. Woche auf 6 Intervalle in der 2. Woche, 7 Intervalle in der 3. Woche und 9 Intervalle in der 4. Woche gesteigert. Die Tempoläufe unmittelbar über der Laktatschwellengeschwindigkeit (4 mmol/Liter) verdoppelten sich fast in dieser Periode; von 5–7 auf 8,5–10 km pro Woche zwischen den Wochen 1 und 4. Beachten Sie, dass die Läufer in der 4. Woche insgesamt 10,5 400-m-Intervalle, 9 1.000-m-Intervalle und 10-km-Läufe absolvierten. Der Langstreckenlauf bei mittlerer Geschwindigkeit reduzierte sich indessen von 85% auf 73% der Gesamtkilometerzahl."
Was dabei herauskam erscheint auf dem ersten Blick als erstaunlich, ist aber, um dich nicht in eine zu große Euphorie zu versetzen, ein alter Hut. Tempo wirkt schneller als Umfang.
Hier die Resultate aus der Arbeit: "Im Wesentlichen führte die gesteigerte Trainingsintensität bei einigen Leistungsvariablen zu Verbesserungen, während die gesteigerte Kilometerzahl die Leistung stagnieren ließ oder sogar beeinträchtigte.
So hatte sich z. B. die Laufgeschwindigkeit der Läufer am Ende der 4 Wochen hoch intensiven Trainings bei einem Blutlaktatspiegel von 2 mmol/Liter (ungefähr Marathongeschwindigkeit) von 3,99 auf 4,66 m/Sek. gesteigert (z. B. von 4:11 auf 3:35 5 pro km).
Die Läufer verbesserten auch ihre Geschwindigkeit bei 4 mmol/Liter (entspricht ungefähr dem 15-km-Lauf) von 4,58 auf 4,89 m/Sek. (3:38 auf 3:24 pro km). Die zurückgelegte Gesamtentfernung während eines sehr harten stufenweisen Laufbandtests stieg ebenfalls von 4,59 auf 4,82 km. Insgesamt führten die Veränderungen zu Leistungsverbesserungen von 5–17%.
Bitte beachten Sie die Tatsache, dass der größte Aufwärtsknick der Leistung (17%) in Verbindung mit dem gesteigerten Intensitätstraining bei 2 mmol/Liter bzw. der ungefähren Marathongeschwindigkeit auftrat.
Die Veränderung des Marathontempos aufgrund der gesteigerten Intensität war wirklich extrem – fast 38 sec pro km – und dennoch preisen Trainer und Läufer weiter die Vorzüge des Langstreckentrainings für den Marathon. In dieser deutschen Studie blieb die Gesamtkilometerzahl bei 64 – 80 km pro Woche, doch wurden aufgrund der gesteigerten Intensität des Trainings größte Zunahmen im Marathonpotential erreicht.
Indessen leistete das Programm, in dem die Kilometerzahl angehoben wurde, nicht viel. Die Ausdauer nahm bei dem Laufbandtest sogar um 6% ab, von 4,73 auf 4,43 km. Die Laufgeschwindigkeit bei 4 mmol/Liter Laktat stagnierte und bewegte sich weder in die eine noch in die andere Richtung. Nur die Schnelligkeit bei 2 mmol/Liter verbesserte sich leicht und stieg von 4,16 auf 4,31 m/Sek. (4:00 auf 3:52 pro km), was eine Verbesserung von 3,6 % ausmachte (im Gegensatz zu 17% nach der Periode hoher Intensität)."
Hilfe, denkst du, wenn ich jetzt einen km mehr trainiere, werde ich dann langsamer? Keine Angst, wie immer muss man bei solchen Studien genau aufpassen, was, wann und wie dort gemessen wurde.
Die Älteren von uns kennen den Namen Dr. van Aaken ganz genau. Der, so die Lauftreff-Weisheit, soll gesagt haben, dass man immer nur schön langsam und lang laufen sollte, dann würde man richtig schön schnell werden.
Stimmt nicht, aber er schrieb, dass wir nicht immer nur "Keulen" können, sondern dass wir nach getaner Tempoeinheit uns mit einem regenerativen Dauerlauf wieder erholen sollten. Er nannte diese Einheit "Super-Sauerstoff-Lauf".
Die Szene interpretierte diese Anregung als Aufforderung nun immer möglichst langsam zu laufen, in der Hoffnung die Ausdauer so zu steigern, dass daraus eine unübertroffene Schnelligkeit resultieren möge. Das wollten dann andere Läufer(innen) wiederum nicht mit machen, nannten van Aaken einen Spinner, weil sie sich nicht trauten, den wahren Schuldigen, also den Lauftreffkameraden als einen solchen zu bezeichnen.
Es kam zu einem regelrechten Ideenkrieg. Die einen wollten immer nur kurz und mit Tempo und die anderen möglichst lang und langsam trainieren. In dieser Zeit Anfang der 70-er Jahre flogen die Fetzen. Die Polarisierung war groß.
Ich selbst polarisierte nicht mit, sondern probierte als blutiger Anfänger. Erst lief ich jeden Tag so schnell wie ich konnte 3 km. Was natürlich nicht immer wirklich schnell war, weil ich meist jeden zweiten Tag so kaputt war, dass ich das Training abbrach. Denn der Trainer hatte gesagt: "Wenn du langsamer als 4 min/km läufst, kannst du gleich aufhören, dann bringt das Training nichts mehr!"
Als ich die 3 km regelmäßig schneller als 12 min laufen konnte, ging ich auf 6 km. Und das Spiel ging von neuem los. Einen Tag schaffte ich die geforderten unter 18 min und am anderen Tag ging ich nach 3 km wieder nach Hause, weil ich platt wie ein Straßenigel war.
Und so machte ich weiter mit dem Spiel: Tempo heute geschafft, dafür morgen platt. Dann kam nach einiger Zeit etwas anderes dazu. Ich war plötzlich nicht nur einen Tag platt, sondern manchmal 3 oder auch 7 Tage. Das konnte ich nun gar nicht verstehen.
Aber jeden Tag wieder ging es auf die Kippe mit der 3 km-Runde und ich versuchte mein Vorgabetempo zu laufen. Ging das nicht, ging Peter wieder nach Hause. Da kamen mir doch so langsam die Zweifel, ob der Trainer mit seiner Methode recht hatte. Versuche doch einmal jeden zweiten Tag etwas langsamer zu laufen, dachte ich.
Eine überaus simple Idee, aber obwohl ich ein schlechtes Gewissen wegen der niedrigen Trainingsgeschwindigkeit hatte, bekam mir das sehr gut und ich war nicht mehr über längere Zeit erschöpft. Nach einem Jahr Training lief als Seiteneinsteiger in meinem ersten Bahnwettkampf überhaupt 16:04 min über 5000 m.
Aus der heutigen Betrachtung war das nicht schlecht für einen blutigen Anfänger, wobei ich mich damals aber selbst als abartig langsam empfand. Aber wie auch immer, diese Zeit war schon eine große Lehre für mich. Mir war klar:
1. Man kann nicht nur Tempo laufen.
2. Wer immer nur im hohen Tempo läuft, bekommt Formkrisen.
3. Ruhige Tage mit langsameren kombinieren bringt den Erfolg.
Als dann nun der "van Aaken-Krieg" ausbrach, habe ich mir nur gedacht: "Was sollen denn bloß diese blöden Ideen, entweder nur kurz und schnell oder lang und langsam zu laufen. Nur aus der Kombination der beiden Trainingsmittel wird eine leckere Suppe daraus."
Natürlich habe ich weiter experimentiert, aber diesen Prinzipien der Geschwindigkeitskombination bin auch treu geblieben, als ich 1981 anfing als Trainer zu arbeiten. Auch da kamen sofort wieder die gleichen Auseinandersetzungen über das Trainingstempo auf. Aber die unterband ich damals und nach kurzer Zeit waren Sie vergessen.
Aber wieder zurück auf die oben stehenden Untersuchungsergebnisse. Die sind ganz sicher nicht falsch, schon gar nicht ist es falsch, dass intensives Training zum Erfolg führt.
Aber bevor du nun anfängst, dein ganzes Training auf ein HIT-Programm umzustellen, muss ich dich auf die Schwächen der Studie hinweisen und Fragen stellen:
1. Es wird nicht aufgeführt, wie lange man es mit einem HIT-Programm "treiben" kann, ohne sich über zu trainieren.
2. Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass ein HIT-Programm nach einem Umfangsprogramm besser wirkt als ohne dieses. Das wurde nicht überprüft.
3. Wie macht man es denn mit der Formsteuerung? Es ist seit Jahren bekannt, dass ein intensives Training (wie auch in dieser Untersuchung bewiesen) zu einem schnellen Formanstieg führt. Das ist aber auch genau der Grund, warum die Form wieder so schnell in den ewigen Jagdgründen verschwindet.
4. Die Umfänge sind in der Studie viel zu schnell angehoben wurden. Die wöchentliche Steigerung vom Normalumfang von 80 km auf 112, 142 und 168 km in der vierten Woche, macht müde, aber nicht schneller.
Jedes Trainingslager beweist das. Da werden über nur 14 Tage die km auch hoch geprügelt. Die Folge davon ist, dass die Teilnehmer danach über 10 - 14 Tage platt sind und sie dann aber nachfolgend in Hochform kommen. Sinnvoll wäre es gewesen, die Teilnehmer an der Umfangssteigerungsstudie nach 2 Wochen noch einmal zu testen.
(Letztere Absatz ist ein Beispiel aus unseren Trainingsurlauben, bei dem wir natürlich auch hochintensives Training durchführen. So taugt dieses eigentlich nicht so recht zum Vergleich.)
Es gibt natürlich noch mehr Fragen. Diese konnten und können die Sportwissenschaftler gar nicht so schnell beantworten. Aber ich kann dir versichern, die Praxis hat diese Antworten schon parat.
Im nächsten Newsletter werde ich einmal für Greif-Club-Nichtmitglieder ein paar Geheimnisse ausplaudern, wie man ein Training aufbaut, welches HIT-kompatibel ist und wie man dieser Übungseinheit mit einem Umfangstraining noch den letzten Schliff gibt.