Über das Trinken im Wettkampf, besonders im Marathon und Ultra, machen wir uns viel Gedanken, aber über die Flüssigkeitsaufnahme im Training relativ wenig. Dabei beeinflusst das Trainingsgetränk unseren Wettkampferfolg auf den langen Strecken dramatisch.
Schon mehrfach habe ich mich mit diesem Thema auseinander gesetzt. Einmal im Februar 2003 und ein anderes Mal an dieser Stelle am 05.09.2008. Heute möchte ich nochmals darauf eingehen, weil jetzt im August die 35 km-Läufe zur Vorbereitung auf die Herbst-Marathons absolviert werden und es zu dem noch sehr warm ist. Daraus folgt auch ein hoher Bedarf an Flüssigkeit.
Was wir trinken, müssen wir immer wieder überdenken, denn die Wissenschaft liefert immer wieder neue Studien über dieses Thema. Teilweise werden diese Resultate kontrovers diskutiert oder deren Aussagekraft angezweifelt. Es hilft uns aber nichts, wenn wir weiter auf unseren alten Gewohnheiten sitzen bleiben. Es hat sich immer als erfolgreich erwiesen, wenn man einem Trend erst einmal vorsichtig folgt und dabei aber die bisherigen Erfahrungen und auch bisherige Forschungsergebnisse nicht vergisst.
Und was besonders wichtig ist: Wir müssen selbst testen. Das was im Wald und auf der Straße passiert ist nicht dasselbe was im Labor passiert. Aber Testen benötigt auch Wissen. Darum solltest du dir nachfolgenden Zeilen genau durchlesen, denn du kannst viel gewinnen.
Als erstes muss ich hier eines festhalten: Kohlenhydrate im Trainingsgetränk sind nicht aus der Mode, schon gar nicht im Wettkampf. Im Gegenteil sie bleiben unser Haupttreibstoff.
Wir müssen aber hinterfragen: Was machen diese Kohlenhydrate mit uns im Training? Stören sie unseren Stoffwechsel? Legen sie unseren Fettstoffwechsel lahm? Dr. Uli Strunz hat es unter Belastung am Fahrradergometer gemessen: Bei Menschen, bei denen der Fettstoffwechsel bei diesem Test ganz prima läuft, wird dieser sofort gegen Null gefahren, so bald diese kohlenhydratreiche Getränke zu sich nehmen. Wir halten fest: Kohlenhydrate stoppen den Fettstoffwechsel.
An dieser Stelle möchte ich erst einmal verweilen, um dir Gelegenheit zu geben, meinen Artikel aus vom Februar 2003 zu lesen, der heißt "Trinksucht bei Läufern" Damals setzte ich mich kritisch mit dem Verhalten von sehr vielen Läufern(innen) auseinander, die ohne Ausnahme in jeder Einheit energiereiche Getränke zu sich nehmen. Diese Getränke können sich unter Umständen bei den langen Runden über 35 km negativ auf den Trainingszustand auswirken.
Über diesen Artikel habe ich mich damals mit Dr. Wolfgang Feil gestritten, weil er meinte, dass jeder bei einer solchen langen Einheit energietragende Getränke zu sich nehmen sollte, um den Organismus vor einem Mangel zu bewahren. Wir sind nach 3 Jahren aber auf einen gemeinsamen Nenner gekommen, der nachfolgend als jetzt nicht mehr gültige Empfehlung vorgestellt wird. Weil mir 2008 doch Zweifel kamen, ob dieser damalige gemeinsame Nenner der richtige war. Dazu aber später mehr.
Vorher solltest du aber erst den betreffenden Artikel aus 2003 lesen, sonst sind die späteren Ausführungen nicht zu verstehen:
"Um den eigentlichen simplen Ernährungsfehler, den wir durch falsches Trinken begehen können, zu erklären, muss ich zum besseren Verständnis etwas weit ausholen. Jedem Interessierten ist es bekannt, dass die eigentlich knappe Energiequelle im Marathon-Wettkampf das Glykogen ist. Das sind gespeicherte Kohlenhydrate, die während der sportlichen Betätigung wieder abgebaut werden und dem Körper als Glukose (Zucker) die nötige Verbrennungsenergie liefern. Um ein gutes 42,2 km-Rennen zu laufen, benötigen wir soviel Glykogen wie möglich. Dieser Speicherstoff wird in der Muskulatur und in der Leber eingelagert. Leider sind diese Speicher klein, sie können aber durch Training vergrößert werden.
Der Reiz zur Einlagerung von mehr Glykogen wird durch eine möglichst tiefe Ausschöpfung dieses Substrats im Training gelegt. Bei einem langen Lauf wird sehr viel von den Glykogenreserven verbraucht. Je höher die Ausschöpfung dieser Reserven ist, desto größer ist auch der Reiz zu mehr Einlagerung von mehr Glykogen. Diese Ausschöpfung folgt den Regeln der Superkompensation (ist neuerdings wissenschaftlich umstritten).
Das heißt also, je länger und schneller ich laufe, desto mehr von dem wertvollen Glykogen steht mir beim nächsten Training zur Verfügung (Siehe auch Count Down zur Bestzeit, 35 km mit Endbeschleunigung).
Das Dumme an der Sache ist, dass unser Organismus nun ganz und gar nicht gerne sein Glykogen hergibt. Am Anfang kommt der Energiestrom noch locker, das Laufen macht uns keine Mühe. Mit zunehmender Länge des Trainings merken wir genau, wie unsere Energie so langsam schwindet. Unser Körper gibt immer zäher von seinen Reserven ab. Normalerweise kommen wir dann schnell in den Bereich, wo wir das Training abbrechen möchten.
Mann bin ich fertig! Ein Marathonläufer muss aber an diesem Punkt noch weiter, um seinen Organismus in einen noch stärkeren Energiemangel zu bringen. Einerseits zwingt er dadurch seine Systeme dazu, immer mehr auf den Fettstoffwechsel zurückzugreifen, andererseits werden aber auch die Glykogenreserven tiefer ausgeschöpft.
In diesem Trainingsbereich möchte man eigentlich nicht mehr laufen. Wir alle fühlen uns völlig leer und sollen dennoch weitermachen. Und doch sind wir jetzt genau an dem Punkt angelangt, wo sich unser Training von dem des 10 km- oder Halbmarathonläufers unterscheidet. Die Härte an dieser Stelle gegen dich selbst, macht dich zum erfolgreichen Marathonläufer.
So und nun kommen wir zum Punkt! Es gibt aber einen Trick, mit dem du dir die ganze Sache scheinbar einfacher machen kannst. An dieser Stelle kommt jetzt die mitgeführte Trinkflasche mit einem Energiegetränk (gesüßt!) und unter Umständen auch noch der Energieriegel auf das Trapez. Wer jetzt oder vorher trinkt oder isst, führt dem Körper Kohlenhydrate zu. Nun ist er nicht mehr allein auf das Glykogen aus Muskel und Leber angewiesen, sondern kann auf den frischen Zucker zugreifen, den ihm der Verdauungstrakt liefert.
Das geht insbesondere nur im Training, weil jetzt noch genug Kreislaufreserven zur Verfügung stehen, um die Verdauungsorgane zu durchbluten. Die Folge dieser Maßnahme sind einerseits, dass es nicht zu einer tiefen Ausschöpfung der Glykogenreserven kommt, auch der gewünschte hohe Anteil der Energiegewinnung aus dem Fettstoffwechsel geringer ausfällt, man sich aber andererseits gesamtkörperlich nicht so ausgepowert fühlt.
Die eigentliche Folge aber ist fatal. Dass, was wir eigentlich erreichen wollten, bleibt aus. Das Ziel einer tiefen Ausschöpfung der Kohlenhydratvorräte wird nicht erreicht. Wir haben die Chance vertan unsere Glykogenreserven durch die Superkompensation entscheidend zu erhöhen. Durch die Zufuhr von Zucker wurde eine Kausalkette unterbrochen.
Die Rache dieser scheinbar guten Tat ist dir sicher! Im Marathon wird bei deutlich höherem Tempo als im Training mehr und schneller Glykogen verbraucht. Wenn du dieses verschossen hast und bist allein auf deinen Fettstoffwechsel angewiesen, dann erlebst du Dinge von denen du vorher nur träumen konntest. Besonders dann, wenn du trotz Energiemangel schnell weiterläufst.
Natürlich werden nicht nur wenige von uns auf die Idee kommen, das sei alles kein Problem, ich kann ja auch im Wettkampf energiereiche Getränke zu mir nehmen oder z.B eine Banane essen, dann klappt es schon. Ja, kann man! Leider aber kommt die Energie nicht mehr dort hin, wo sie gebraucht wird. Denn im Wettkampf sitzt jeder mögliche Milliliter Blut in der arbeitenden Muskulatur und nicht im Verdauungstrakt. Banane und Säftchen werden erst verdaut, wenn du im Ziel bist.
Es gibt aber einen Trost. Je langsamer jemand läuft, desto besser kann er auch noch innerhalb des Marathons Gewinn aus frisch zugeführter Energie ziehen. Andererseits ist es logischerweise dann auch so, dass schnelle Leute in sich reinstopfen können was sie wollen. Die Chance auf energetischen Zugewinn ist nur minimal.
(Nicht mehr gültige Empfehlung aus 2003:) In Zusammenfassung rate ich folgendes: Leistungsstarke Läufer unter 3:30 h sollten während der 35 km nur Wasser trinken. Langsameren rate ich, gesüßte Getränke zu sich zu nehmen, so lange sie noch Probleme mit der Strecke haben. Kommt es nicht mehr innerhalb des Trainings zu starken Erschöpfungszuständen, sollte auch diese Gruppe auf Wasser umsteigen. Bei kürzeren Läufen reicht es aus, wenn der Flüssigkeitsverlust nach dem Training ersetzt wird. Dann aber sollte das Getränk richtig energiereich sein. Ich empfehle nach normalen Belastungen Saft, nach den 35 km Ultra-Refresher mit einer Kapsel Apfelessig-Konzentrat."
Soweit der Text aus 2003. Ich bin 2006 mit Dr. Wolfgang Feil übereingekommen, dass die ganzen Trinkvorschläge aber doch noch zu optimieren wären, und wir damals eine neue Empfehlung gegeben haben: Wir können nämlich den Fettstoffwechsel übertölpeln. Der Trick bei der Sache ist, dass dieser einige Zeit braucht um optimal zu funktionieren. Dazu muss man auf der Langen Runde erst einmal 15 km in einem Tempo von etwa 70% seines Höchstpulses laufen. Bis dahin sollten alle Leistungsklassen nur Wasser trinken. Denn erst nach ca. 15 km läuft der Fettstoffwechsel optimal. Nachfolgend arbeitet er aber auch auf hohem Niveau weiter, auch wenn man dem Organismus süße Getränke zuführt.
(Nicht mehr gültige Empfehlung aus 2006:) Danach kannst du dich nach folgenden Empfehlungen richten:
Marathon in 3:30 h und langsamer: Bis 15 km Wasser, danach energiereiche Getränke wie Ultra Buffer.
Marathon zwischen 3:10 und 3:30 h: Bis 20 km Wasser, danach energiereiche Getränke wie Ultra Buffer.
Marathon schneller als 3:10 h: Wasser bis zum Beginn der Endbeschleunigung. Kurz vor der Beschleunigung energiereiche Getränke wie Ultra Buffer.
Auch durch die Empfehlungen und Untersuchungen von Dr. Ulrich Strunz komme ich heute zu einer anderen Annahme. Eiweiß kann nämlich auch während des Trainings in Zucker (Kohlenhydrat!) umgewandelt werden, dieser Zucker wird aber sofort verbrannt und stoppt nicht den Fettstoffwechsel.
Diese Erkenntnis zwingt mich zu der Annahme, dass ein eiweißreiches Getränk uns im Training mehr helfen kann als im Wettkampf.
Darum möchte ich eine modifizierte neue Empfehlung geben, (15.08.2008):
Marathon in 3:30 h und langsamer: Bis 15 km Wasser, danach energiereiche und eiweißreiche Getränke wie Ultra Refresher (nicht mehr Ultra Buffer) oder Sponser Long Energy 5%
Marathon zwischen 3:10 und 3:30 h: Bis 20 km Wasser, danach energiereiche Getränke wie Ultra Refresher (nicht mehr Ultra Buffer) oder Sponser Long Energy Competition Formula 10%.
Marathon schneller als 3:10 h: Wasser bis 20 km und dann ein reines Eiweißpulver ohne Zucker verdünnt auf Trinkstärke mit Wasser.
Warum nicht mehr Ultra Buffer? Dieses Getränk ist wirklich super, nur muss man es doppelt verdünnen, um es trinken zu können. Dann schmeckt es auch richtig gut. Nach Empfehlung des Herstellers verdünnt, kann man es im Training und Wettkampf nicht angenehm trinken, es schmeckt zu "dick". Bei Ultra Refresher ist das nicht der Fall. Dies kann höher konzentriert angerührt werden und hat damit eine höhere Energiedichte und etwas mehr Protein als der Buffer.
Warum jetzt diese Empfehlung mit stärker proteinhaltigen Getränken? Die langsameren Läufer(innen) brauchen so um die 4 h für die 35 km, durch die lange Dauer kommt es zu einer hohen Muskelbelastung. Es kommt auch zu Muskelzellenzerfall. Die größere Eiweißmenge ist ein Schutz gegen diesen Verfall und leitet sofort nach dem Training eine schnellere Regeneration ein.
Je schneller nun eine Läuferin oder ein Läufer trainiert, desto geringer wird zwar die Dauer der Übung, aber die Belastung der Muskeln wird höher. Es kommt auch hier zu dem Zerfall von Muskelzellen. Zu dem ist ein schneller Läufer(in) aber ganz besonders auf einen hochtrainierten Fettstoffwechsel angewiesen, sonst schafft er diese Strecke nicht im hohem Tempo. Darum empfehle ich, es mit reinem Eiweißpulver als Getränk zu versuchen. Dies stört in keiner Weise den Fettstoffwechsel und kann unterwegs dennoch zu Kohlenhydraten umgebaut werden. Eigentlich ist es auch kein Problem, es über die ganze Trainingsdistanz zu trinken.
Ich bitte jeden, der es mit dem reinen Protein versucht: Probiere es vorerst nur im Training und nicht im Wettkampf aus und berichte mir doch bitte, wie du damit zurecht gekommen bist: greif@greif.de. Und denke daran, dass es ein Test ist und ein Test kann auch einmal schief gehen!
Ach ja, wie schön war damals als Apfelschorle noch das Mittel der Wahl war.