Heute geht es in unserer kleinen Serie um die Regenerationszeit nach einem Marathon bzw. dem zeitlichen Abstand zwischen zwei möglichen Marathon-Läufen. Immer wieder bekomme ich Emails, in denen der Schreiber in etwa folgende Frage stellt: „ich laufe ja in XY meinen Marathon. Ich würde gern 3 (…4) Wochen vorher (nachher) aber auch in YZ beim Marathon starten. Den würde ich nur locker laufen wollen. Was hälst du davon?“
In der Regel lautet meine Antwort: „Ich persönlich würde es nicht machen, aber … versuche es … dann aber wirklich locker laufen …“.
Wir sollten erstmal klären, was sich nach einem Marathon regenerieren muss. Da ist einerseits das Herz-Kreislaufsystem, zum anderen der Bewegungsapparat (Muskeln, Sehnen, Gelenke, …) der hoch belastet wurde und natürlich muss auch der Wasser- und Mineralien-Haushalt wieder ausgeglichen werden. Das alles dauert z.T. unterschiedlich lange, je nachdem wie die Bedingungen bei Rennen waren, wie deine Marathon-Form war, wie schnell du gelaufen bist und natürlich wie es um deine persönliche Regenerationsfähigkeit (Alter, Lauferfahrung, …) aussieht.
Es gibt eine allgemeine Empfehlung die besagt, man solle nach einem Wettkampf die Streckenlänge dividiert durch 2 in Tagen die Finger vom Wettkampftempo lassen. Das wären 21 Tage, als 3 Wochen. Trainieren und laufen schon, aber nicht im Marathon-Wettkampftempo. Soweit zu Theorie, mit der man sicher nicht viel falsch machen kann.
Bei unseren Greif-Plänen haben wir 2 Wochen Regeneration nach einem Marathon im Plan, wobei wir in der Mitte der 2. Woche einen mittelintensiven Dauerlauf im Programm haben. Nach 2 Wochen steigen wir wieder ins reguläre Training ein. Ich empfehle gern genau nach 2 Wochen einen Angriff auf die 10 km Bestzeit, da dies aus der Erfahrung ein ziemlich idealer Zeitpunkt dafür ist.
Allerdings weiß ich auch aus eigener Erfahrung, dass die vollständige Regeneration nach einem hart gelaufenen Marathon auch 6 Wochen oder länger dauern kann. Abgeschlagenheit, lange Zeit erhöhter Ruhepuls und Blutwerte sprechen da eine deutliche Sprache und sollten nicht ignoriert werden. Wohlgemerkt, es geht um hart gelaufene Marathons. Ich rede nicht von einem gewissen Club in Deutschland, deren Mitglieder z.T. 2 Marathons an jedem Wochenende laufen. Die gehen da eher als regenerative bzw. extensive Dauerläufe durch und sind bei weitem nicht so belastend.
Aus diesem Grund bin ich bei Beantwortung der o.g. Frage vorsichtig und warne eher. Wenn es um einen zweiten locker gelaufenen Training-Marathon geht, dann empfehle ich, je nach Leistungsklasse, einen Zeit-Zuschlag von bis zu 1 min/km.
Dass es individuell auch ganz anders geht, zeigen immer wieder Beispiele von Läuferinnen und Läufern, auch aus dem Spitzenbereich. Damit sind wir auch beim Titel dieses Beitrages. Es geht um ernsthaft bestrittene Marathons (keine Trainingsläufe) in kurzen Abständen.
Ein Beispiel ist der vor 2 Wochen gewürdigte Gene Dykes (2:54:23 h in der M70). Er lief diese Weltrekordzeit nur zwei Wochen nach einem Wochenend-Doppel. Dabei finishte er unter anderem einen 50-km-Geländelauf.
Die deutsche Spitzenläuferin Anja Scherl aus Regensburg lief 2019 beim Marathon in Hannover eine Zeit von 2:32:21 h. Sie entschied sich drei Wochen danach kurzfristig für einen weiteren Start in Düsseldorf. Dort kam sie nach 2:32:55 h ebenfalls als Gesamtsiegerin und deutsche Meisterin ins Ziel.
Folgenden Bericht erhielt ich Ende letzten Jahres von einem Club-Mitglied. Er lief innerhalb von 5 Wochen 3 ernsthafte Marathons und konnte den letzten mit einer neuen Bestzeit beenden.
Hallo Jens,
lieben Dank für den Trainingsplan. Nach reichlich Überlegung hin und her habe ich mich jetzt entschieden, noch nicht wieder in das Training einzusteigen, sondern noch ein paar Wochen zu warten.
Hier aber noch ein kurzes Feedback zu meinem Marathontraining, das ich dieses Jahr nach dem 12 Wochen T7-Plan absolviert hatte:
Nachdem ich im Frühjahr verletzungsbedingt 13 Wochen von Februar bis April fast komplett mit Laufen aussetzen musste, habe ich beginnend mit einer (vorsichtigen) Teilnahme bei der Marathon-Staffel in Hamburg am 29.04. das wöchentliche Trainingspensum von am Anfang 25 km bis hin zu 140 km gegen Ende Juni steigern können. Ich bin dann mit der Sommer-Regeneration in den Marathon-Zeitplan eingestiegen, mit dem Ziel, den Marathon am 16.09.2018 in Berlin möglichst in Bestzeit zu laufen. Bei einer Vorjahresbestzeit bei meinem dritten Marathon von 2:48:43 wollte ich in diesem Jahr gerne eine 2:45 laufen (Marathon laufe ich seit zwei Jahren, den ersten in 10/2016 in Bremen in 3:05 h, dann in 04/2017 in Hamburg den zweiten in 2:53 h und die 2:48 h beim dritten in 10/2017 in Bremen). Mit der Verletzungsvorgeschichte war das sicherlich ein ziemlich ambitioniertes Ziel, ich hatte aber im Training das Gefühl, wieder an die Leistung des Vorjahrs anknüpfen und diese verbessern zu können.
Da ich den Joker auf den frühen Termin für Berlin gesetzt hatte, standen während der dann nur dreiwöchigen Regeneration am Wochenende für mich weiterhin 35 km-Läufe an und bei einem Wochenpensum von ca. 120-130km empfand ich die Regeneration trotz der Temporeduktion doch als recht intensive Trainingszeit. Die langen Läufe bereiteten mir aber keinerlei Schwierigkeit und ich konnte dann mit Einsetzen des regulären 8-wöchigen Vorbereitungsplans die geplante Endbeschleunigung gut und deutlich unter der Pace meiner geplanten Marathon-Zielzeit laufen.
Die erste Hälfte das Trainingsplans bis zum Halbmarathon-Testrennen am 19.08. empfand ich als herausfordernd aber auch spannend und ich hatte (meistens) Spaß im Training. Dies war auch so ungefähr der Zeitpunkt (HM-Testrennen zur Hälfte der Vorbereitung), als ich stärkere Probleme im rechten Unterschenkel bekam.
Die zweite Hälfte der Vorbereitung verlief damit dann etwas holpriger und ich habe in Woche 5 bis 7 ein paar der Regenerations- und extensiven Läufe ausfallen lassen, um ausreichend Regeneration zu haben und die Schmerzen in den Griff zu bekommen.
Ich bin dann in Berlin an den Start gegangen. Durch das geringere Pensum der Tapering-Phase waren die Schmerzen erst einmal weg und ich hatte ein ganz gutes Gefühl. Angelaufen bin ich das Rennen nach den Vorgaben des Taktikrechners und bis Kilometer 15 war auch alles noch ganz gut. Irgendwann merkte ich aber, dass das Tempo doch zu hoch war und ich schon zu viele Körner gelassen hatte, so dass ich die Verschärfung von Kilometer 15 bis 25 gar nicht schaffen konnte (und wollte). Auch hatten deutliche Schmerzen in den Unterschenkeln eingesetzt. Ich hatte mich dann entschieden, aus dem Rennen einen Trainingslauf zu machen, habe das Tempo bis Kilometer 25 in etwa gehalten und danach deutlich reduziert. Am Ende bin ich dann doch bis ins Ziel gelaufen, mit einer Zeit von 2:55 h – 10 Minuten über der Wunschzeit und knapp 6,5 Minuten über Bestzeit. Für ein Rennen war das natürlich deutlich zu langsam aber für einen Trainingslauf sicherlich schon zu schnell. Dafür war es dennoch ein gutes Gefühl, einen weiteren Marathon unter 3h und das im neuen Weltrekord-Rennen gelaufen zu sein.
Um es jetzt kurz zu machen, habe ich die folgenden drei Wochen genutzt, um erst etwas zu regenerieren, noch ein bisschen zu trainieren, zu tapern und am 07.10. in Bremen erneut an den Start zu gehen. Diese Wochen verliefen eigentlich sehr gut, der Druck war ein wenig weg und die letzten Tempoeinheiten vor dem Rennen vielen mir erheblich leichter als vor Berlin. In Bremen habe ich dann noch einmal versucht, mit der gleichen Taktik an den Start zu gehen, was gefühlt etwas besser lief, aber dennoch zu schnell für mich war. Die zweite Rennhälfte bin ich dann erneut eingebrochen (was mir natürlich vorher schon klar war) und 4 Minuten langsamer als in der ersten Hälfte gelaufen. Im Ziel waren es dann 2:49 h – immer noch 4,5 Minuten über Zielzeit und 45 Sekunden über Bestzeit.
Zwei Tage nach dem Rennen, als ich wieder locker zu laufen begann, merkte ich schon, dass ich mich wesentlich erholter als nach meinem Vorjahresmarathon fühlte. Und ein paar Tage später wurde dann aus meinem Ziel, zwei Wochen nach dem Marathon in Bremen beim Oldenburg-Marathon am 21.10. ein 10 km-Rennen zu laufen, kurzerhand das neue Ziel, einen dritten Versuch beim Marathon zu unternehmen.
Der Oldenburg-Marathon war dieses Jahr die ersten 32 km ein Geländelauf, beginnend in Bad Zwischenahn und endend dann in der Stadt mit einer abschließenden 10 km-Runde um die Innenstadt auf Asphalt. Mit diesem Wissen und den Erfahrungen aus den letzten zwei Läufen hatte ich jetzt eine andere Taktik verfolgt. Ich wollte mit der erarbeiten Form dieses Jahr zumindest noch eine Bestzeit laufen und bin das Rennen daher mit meiner Durchschnittspace meiner Vorjahresbestzeit angelaufen (ca. 4:00 min/km), mit dem neuen Vorsatz, wenigstens noch einmal mit einem Negativ-Split und gutem Gefühl ins Ziel zu kommen.
Beim Halbmarathon-Durchgang wurde es dann aufgrund des Streckenverlaufs – es ging neben holprigem Pflaster und Schotterwegen auch zeitweise über etwas weichere Sandwege – doch relativ schwer und ich rechnete enttäuscht schon wieder damit, dass auch der dritte Versuch scheitern würde. Ich plante schon, das Rennen, endlich in der Stadt angekommen, bei Kilometer 32 abzubrechen. Fünf Wochen nach Berlin mit deutlich reduziertem Trainingspensum muss die Form sich wohl schon um einiges abgebaut haben, befürchtete ich zu dem Zeitpunkt.
Aber kaum dass es dann auf die 10 km-Runde um die Innenstadt ging und man fast das ganze Feld der Halbmarathonläufer im Slalom überholen musste, konnte ich auf einmal schneller laufen. Und vier Kilometer vor dem Ziel, als ich merkte, dass es doch eine Bestzeit würde, habe ich das Tempo noch einmal erhöhen können (auf 3:46 min/km). Das war dieses gute Gefühl im Rennen, das ich unbedingt wieder erleben wollte und für das sich der dritte Marathon in Folge mehr als gelohnt hat.
Mit 2:48:13 lag ich am Ende zwar noch 3 Minuten über meinem eigentlichen Jahresziel, aber eine halbe Minute unter meiner bisherigen Bestzeit und das auf dem wesentlich schwierigeren Kurs. Die zweite Hälfte bin ich dabei (trotz eines langsameren Tempos zwischen Halbmarathon und Kilometer 32) insgesamt 50 Sekunden schneller als die erste Hälfte gelaufen. Mit einer etwas mutigeren Taktik und mehr Überzeugung auf der zweiten Hälfte wäre also sogar noch mehr drin gewesen. Jetzt noch eine schnelle Strecke wie Berlin und ohne Schmerzen im Schienbein…
Beste Grüße
An diesem Beispiel siehst du, was trotz aller Empfehlungen möglich ist. Ob es, wie in diesem Fall mit Schmerzen, immer sinnvoll ist, sei dahingestellt. Leider habe ich auch nicht gehört, wie es diesem Läufer in diesem Jahr ergangen ist.
Als Trainer muss man sich natürlich in einem Trainingsplan absichern und empfiehlt nur Dinge, die man auch vertreten kann und die in aller Regel keine gesundheitlichen Folgen haben. Das es individuell immer auch Ausnahmen gibt, zeigen die Beispiele die sich auch ausweiten ließen. Du kannst es mit Sinn und Verstand nur selbst ausprobieren. Solch ein Vorgehen sollte allerdings nicht zur Regel werden.