Wenn du in diesem Frühjahr ein großes Wettkampfziel hast, dann steht es nun je nach Termin unmittelbar bevor. Doch welche Zeit willst und kannst du rennen? Manchmal klaffen Wünsche des Einzelnen und die realistischen Möglichkeiten enorm auseinander.
Jetzt kommts: In den häufigeren Fällen haben wir es mit Anfragen zu tun, in denen die Wünsche der Läufer für ihr Hauptrennen dermaßen bescheiden im Verhältnis zu ihren sonstigen Wettkampfleistungen ausfallen, dass wir sogar schon mal eine kleine Träne raus gedrückt haben. Aber dazu später mehr.
Wenn du Greif-Club-Mitglied bist und unsere Trainingspläne bekommst, dann hast du es leicht. Im Plan findest Du häufig Testeinheiten und Tips von Peter Greif zur Ermittlung der realistischen Endzeit. Du weißt kurz vorm Hauptrennen also, welche Endzeit du unter optimalen Bedingungen erreichen kannst und welches Tempo du folglich angehst.
Alle anderen können nur versuchen, selbst Hinweise auf ihre mögliche Endzeit zu sammeln. Schließlich mußt du ja vor dem Startschuß eine Entscheidung treffen, in welchem Tempo du durchlaufen willst. Nach unserer Erfahrung sind die Vorstellungen der Läufer zu ihrer Endzeit umso präziser, je schneller sie rennen können.
Irgendwie zügig durchlaufen bedeutet am Ende lange nicht, dass du deine Möglichkeiten ausgeschöpft hast. 42 km sind auch für gut trainierte Läufer lang. Selbst wenn du pro Kilometer 15 sec langsamer läufst als dein Vermögen es zulässt, bist du auch im Ziel kaputt und denkst, dass vielleicht nicht viel mehr gegangen wäre.
Echten Handlungsbedarf haben diejeniegen, die gar keine passende Vorstellung von ihrer möglichen Endzeit haben. Es sind genügend Fälle bekannt, in denen die Läuferinnen und Läufer auf 10 km und Halbmarathon wirklich gute Zeiten erreichten, ihre Vorstellung von ihrer eigenen Marathonleistung jedoch in keiner Weise dazu passt.
Als Beispiel sei mein ehemaliger Trainingspartner Stefan genannt. Läuferisch wirklich talentiert, spielte früher Landesliga Fußball und war sehr grundschnell. Er kam zu unserer Gruppe und konnte fast von Beginn an 20-25 km im "Fünfer-Schnitt" laufen. Nur kurze Zeit später sogar 35 km. Das können andere zwar auch, er war jedoch der Erste, mit dem ich es persönlich zu tun hatte.
Nun läuft er beim langen Lauf neben mir, sehr entspannt im Fünfer-Schnitt (=Marathon rund 3:30 h), und nennt mir für seinen ersten Marathonlauf das Ziel: "Ich möchte nur einmal unter 4 Stunden kommen!" Ich mußte bitterlich weinen und er hielt das wohl für spontane läuferische Schwäche meinerseits. Ich weinte aber wegen seiner Zielsetzung, die nun so garnicht zu seinen Leistungen passte.
Das ist in etwa so, als wenn er ein Auto mit 200 PS fährt und sich ernsthaft die Frage stellt, ob er damit auf der Autobahn die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h schafft. Natürlich schafft er das. Die Frage stellt sich garnicht und niemand würde so denken.
Nachdem ihm klar wurde, dass er nach Ende seines langen lockeren Trainingslaufes nur noch 7 km durchhalten muß und damit 3:30 im Marathon unterbieten kann, hat er es verstanden und passte seine Ziele an.
Es kam noch besser: Die Tempodauerläufe im Training und einige Testwettkämpfe deuteten im Verlauf der Vorbereitung auf eine immer schnellere Endzeit für seinen ersten Marathonlauf hin.
Ruckzuck konnte er sein Ziel auf "unter 3:20 h" setzen. Ganz einfach deshalb, weil er im Training entsprechende Leistungen zeigte. Ab etwa 6 Wochen vor seinem allerersten Marathon schaffte er am Ende der langen Läufe die Endbeschleunigungen regelmäßig in einem Tempo von etwas über 4 min pro km. Er bekam langsam Angst. Angst vor den eigenen Fähigkeiten. Denn er traute sich bis dahin nicht, in diesen zeitlichen Sphären zu denken bzw. diese Zeiten für sich für möglich zu halten.
Klar war nach Rücksprache mit mir, dass er in jedem Fall unter 3:10 h schaffen wird. Wohl auch sehr nah an 3 Stunden. Ob darunter, stand noch in den Sternen. Der Unterschied aber war, dass er sich jetzt endlich traute, seine Endzeiterwartungen an alle seine erbrachten Leistungen anzupassen und große Ziele zu denken. Die natürlich im realistisch machbaren Rahmen liegen müssen.
In diesem Zusammenhang kündigte er an, bei einer Zeit unter 3 Stunden sich eine Glatze schneiden zu lassen. Das war eine handfeste Ansage unter Zeugen.
Die letzten Endbeschleunigungen donnerte er alle in 4 min/km, teilweise darunter raus und erstmals fing er völlig realistisch an, von der 2 vor dem Doppelpunkt in der Endzeit zu träumen. Das war ja kein naives Wunschdenken. Eine Zeit von unter 3 Stunden ist nun einmal die logische Folge nach solchen regelmäßigen Trainingsleistungen.
Stefan schaffte am Ende in einem zügigen, aber auch auf Sicherheit gelaufenen ersten Marathon 2:57 h! Noch auf der Marathonmesse verpassten wir ihm mit stumpfer Schere eine Glatze, die seine "schadenfrohe" Frau zu Hause noch genüsslich verfeinerte.
Was bedeutet das alles für dich?
Je nach Art wie du bisher trainiert hast, brauchst du Hinweise auf deine zu erwartende Endzeit. Natürlich kannst du nur einen etwaigen Anhalt erhalten, denn der Marathonlauf ist keine bis ins Detail zu kalkulierende Fließbandleistung.
Laufe in der direkten Marathonvorbereitung (letze 8 Wochen vorm Rennen) ein bis zwei Wettkämpfe. 10 km, besser noch Halbmarathon. In unserem Trainingssystem bitte bis maximal 3 Wochen vor dem Hauptwettkampf. Nicht später! Dieser Wettkampf zur Orientierung ersetzt den langen Trainingslauf am Wochenende und das kannst du dir leisten, denn einzeln betrachtet ist sein Trainingsreiz riesig.
Formeln zur Umrechnung deiner Wettkampfzeiten auf den Marathon können nur grobe Hilfsmittel sein: Du bekommst aber Hinweise auf einen Zielbereich, den du erreichen kannst.
Eine hilfreiche Tabelle, die auch individuelle Faktoren berücksichtigt, hat Peter Greif in einem Newsletter vom 07.08.2007 veröffentlicht.
Bitte: Sollte aus der Tabelle eine Zeit hervorgehen, an die du nicht gewagt hast zu denken, berücksichtige jedoch, dass diese Zeiten das Ergebnis aus zehntausendfachem Beweis sind, die andere Läufer erbracht haben. Warum solltest ausgerechnet du eine passende Zeit zu deinen gezeigten Leistungen nicht schaffen?