Es war eigentlich zu erwarten. Einige von unseren Lauffreunden bezogen meine Trainings-Trinkempfehlungen auch auf den Marathon-Wettkampf. Dafür sind sie aber nicht gültig. Im Wettkampf herrscht ein anderes Regime.
Besonders sind dabei die individuellen Geschmäcker und auch die persönliche Leistungsfähigkeit im Rennen zu beachten. Nicht jeder mag Isogetränke und ein 2:45 Läufer(in) hat ganz andere Verpflegungsbedürfnisse als ein 4:20 h Läufer(in). Die Sache mit der Wettkampf-Verpflegung ist hochkompliziert und wird damit ein ewiger Streitpunkt bleiben. Aber etwas Licht in das Dunkel der Trinkflasche werde ich bringen.
Leider hat sich unter dem Druck von Medizinern und Getränkeherstellern das Trinkverhalten so gewandelt, dass oft viel zu viel getrunken wird. Das hat zum Teil fatale Folgen: 1. Wird im Magen zuviel Flüssigkeit mitgeschleppt, was das Leistungsgewichtsverhältnis des Betroffenen verschlechtert. 2. Verursacht ein gefüllter Magen einen Zwergfellhochstand, der die tiefe Einatmung behindert und damit Leistungsverluste verursacht. 3. Kann eine zu hohe Wassermenge zu viele Mineralien auswaschen. Besonders sind dabei hohe Verluste von Natrium gefährlich. So gefährlich, dass es unter Umständen dabei zu lebensgefährlichen Situationen kommen kann. Es gab in letzter Zeit schon mehrere Todesfälle wegen zu hohem Wasserkonsums.
Damit müssen wir uns als erstes überlegen, wie viel Flüssigkeit wir im Rennen überhaupt aufnehmen können, denn unser Magen kann nur ca. 600 ml pro Stunde resorbieren. Dem steht entgegen, dass bei extremen Bedingungen Schweißverluste bis zu 2000 ml/h auftreten können. So müssen wir festhalten, dass wir unter schweren Hitzebedingungen gar nicht so viel Wasser verarbeiten können, wie wir benötigen. Dann heißt es einfach langsamer laufen!
Wir wollen hier aber nicht über Extreme reden, weil wir in der Regel unsere Marathons im klimatisch besten Zeitraum im Frühjahr und Herbst laufen. Zu dem wird mit einer frühen Startzeit einer eventuellen Tageshitze ausgewichen.
Zurück zu der nötigen Trinkmenge in einem 42,2 km-Wettkampf. Dazu müssen wir etwas rechnen. Wir gehen von einem Rennen mit einer durchschnittlichen Temperatur von 15 Grad und einer geringen Sonneneinstrahlung aus. Wir betrachten dabei einmal 3 Läufer. Einer läuft auf eine Zeit von 2:30, der andere auf 3:15 und der letzte schließlich auf 4:00 hin. Alle wiegen 75 kg.
Ferner wird angenommen, dass alle drei direkt vor dem Start je 600 ml Flüssigkeit in idealer Form zu sich genommen haben (was das ist, kommt später). Wenn wir den Flüssigkeitsbedarf errechnen, müssen wir dazu auch das körpereigene Stoffwechsel-Wasser hinzuziehen. Wenn wir im Rennen unser Glykogen verbrennen, wird mit jedem Gramm dieses Speicherstoffs auch 2,5 g Wasser frei. Auch das sogenannte Oxidationswasser bei der Verbrennung der Kohlenhydrate zu CO2 und H2O müssen wir mit bewerten.
Ungefähr benötigte Trinkmenge bei unterschiedlichen Marathonzeiten unter Idealbedingungen:
Greif 2006 Organismus-Wasser, ml | 2:30 h-Läufer mit 600g Glykogen, verbraucht davon 80%. Angenommene Schweißrate 800 ml/h | 3:15 h-Läufer mit 500g Glykogen, verbraucht davon 70%. Angenommene Schweißrate 600 ml/h | 4:00 h-Läufer mit 400g Glykogen, verbraucht davon 60%. Angenommene Schweißrate 500 ml/h |
Vorher getrunken | 600 | 600 | 600 |
Glykogen-Bindungs-H2O | 1200 | 350 | 240 |
Oxidationswasser | 200 | 250 | 300 |
Gesamtes zur Verfügung stehendes H2O | 2000 | 1200 | 1140 |
Angenommener Gesamt-Schweißverlust | 2000 | 1950 | 2000 |
Auszugleichende Flüssigkeitsmenge | 0 | -750 | -860 |
Benötigte Flüssigkeit ml/h | 0 | 231 | 215 |
Diese Tabelle ist auf keinen Fall allgemeingültig, gibt aber Näherungswerte. Wie man sieht braucht ein überdurchschnittlich guter Läufer bei sehr guten Bedingungen im Rennen gar kein Wasser zu sich zu nehmen. Alle anderen kommen mit 1 - 2 Becher Getränken pro Stunde aus.
Aber die ganze Sache wird dann schon ungenau, wenn die Temperaturen steigen und Sonneneinstrahlung kommt dazu. Dann wird der Wasserbedarf für größere Teilmengen der Läufer(innen) praktisch unkalkulierbar, weil die Schweißverluste individuell sehr weit schwanken. Wer bei Hitze läuft und nennt auch noch ein prächtiges Unterhautfett sein eigen, der ist im wahrsten Sinne des Wortes ein armes Schwein, weil er sprichwörtlich auch wie ein solches schwitzen wird.