Das Sport Stress abbaut, ist schon eine Binsenweisheit. Wir Läufer(innen) wissen das zu schätzen. Ein ruhiges Läufchen nach getaner Arbeit ist entspannend und erholsam für Geist und Körper. Aber ist das bei jedem Training so? Sicher nicht, außer der gemütlichen Waldrunde, benötigen wir auch die Hetze der Wettkämpfe und Tempoläufe.
Wir wollen es nicht beschönigen, diese Art von sportlicher Tätigkeit ist Stress für jede/n. Laut dem Forscher Hans Selye, ist Stress eine unspezifische Reaktion des Körpers auf jegliche Anforderung. Sie ermöglicht uns physische und psychische Antworten auf besondere Anforderungen zu geben. Da nun diese Wettkämpfe und Tempoläufe selbst gewollt sind und uns auch meist mit Freude erfüllen, sollten wir für diese Art von Belastung die Vokabel Eustress (positiver Stress) heranziehen.
Der oben zitierte Stressforscher Hans Selye, hat mit hochinteressanten Versuchen nachgewiesen, was Stress bei Menschen und Tieren bewirken kann. Wenn Mäuse, die sehr wärmeliebend sind, ständig kalten Temperaturen aussetzt sind, dann bekommen sie erst einmal ein dickeres Fell und werden fitter. Wir können diese Anpassungsvorgänge gut mit der unseres Trainings vergleichen. Wenn wir trainieren, werden wir schlanker, schneller und ausdauernder.
Wirkt dieser Kältereiz aber auf Dauer auf die Mäuse, dann werden sie erst lethargisch und sterben später ohne Ausnahme. Sie tragen also nur ein begrenztes Potential zur Anpassung in sich. Haben sie dieses ausgeschöpft, gelingt es ihnen nicht sich zusätzlich zu adaptieren, trotz weiterem Einwirken des Kälte-Reizes.
Ganz genauso ist es mit dem Training. Hast du erst einmal dein dir zur Verfügung stehendes Anpassungspotential in einem Halbjahr ausgeschöpft, dann kannst du trainieren was du willst, dein Organismus reagiert nicht mehr positiv auf die Reize der Laufübungen. Im Gegenteil! Übertrainingssyndrome, wie Verletzungen, Erkrankungen physischer Art, wie auch psychischer Art (Depressionen) können sich einstellen.
Die armen Mäuse in der Kälte hatten nicht die Chance sich gegen die Kälte zu wehren, aber wir können das, in dem wir eine Regenerationspause einlegen. Diese sollte geplant sein und nicht vom Körper erzwungen. In unseren Jahres-Trainingsplänen sind diese Phasen genau festgelegt. Uns wird dabei immer wieder bestätigt, dass die genau dann kommen, wenn sie nötig sind. "Ich bin fertig jetzt, ich muss in die Regeneration!"
Der Trick bei der Einschaltung eines solchen erholsamen Zeitraums ist, dass der Organismus die voherigen Belastungen vergisst und wieder neues Anpassungspotential zur Verfügung stellt.
Du kannst dir das am besten am Beispiel einer langen Treppe vorstellen, die die Höhe deiner Leistungs-Möglichkeit symbolisiert. Sinnbildlich gesehen musst do in der Regeneration leistungsmäßig eine oder einige Stufen herunter steigen, um wieder mehr davon nach oben klimmen zu können.
Aber besonders, wenn man sich noch gut in Form fühlt, ist es schwer dieser Forderung zu folgen. Denn es könnte ja noch zu der großen erträumten Leistungssteigerung kommen. Ich selbst kann davon ein Lied mit vielen Strophen singen. In den 70er Jahren, während meiner Berliner Studienzeit, trainierte ich völlig ungeplant, aber mit großem Ehrgeiz. Und so kam es auch in jeden Frühjahr zu erheblichen Leistungszuwächsen.
Das fing damit an, dass ich einen persönlichen Rekord nach den anderem lief, aber nach einer gewissen Zeit der Euphorie, wurden die Leistungssprünge immer kleiner und Stagnation trat ein. Obwohl ich eigentlich ständig die Hoffnung hegte, dass nun der große Durchbruch zur Spitze kommen würde. Diese Leistungsstagnation wollte ich mir nun aber nicht gefallen lassen und trainierte noch mehr und noch härter. Die Folge war, dass ich bald so fertig war, dass ich kaum noch eine Einheit zu Ende laufen konnte.
Tief enttäuscht und voller Selbstzweifel zog ich mich zurück vom Gemeinschafts-Training im Mommsenstadion und Grunewald und joggte locker zu Hause im Spandauer Forst. "Weinte" leise vor mich hin und grübelte darüber nach, warum es mir denn nun so schlecht ging. So nach zwei Wochen war meine Kraftlosigkeit wieder vorbei und ich stürzte mich abermals wie wild in das Leistungstraining. Das Spiel ging von neuem los, bis ich wieder kraftlos am Boden lag.
Es hat einige Zeit gedauert, bis ich begriff, dass hinter der ganzen Sache ein System steckte. Mir wurde plötzlich klar, dass ich mich nicht von meinem Organismus zu einer Regenerationsphase zwingen lassen sollte, sondern diese ganz bewusst einsetzen musste. So richtig hin bekommen habe ich das aber erst, als ich Jahre später danach planmäßig trainierte. Dann waren plötzlich alle Abläufe geregelt, planbar und damit vorhersehbar.
Was ich dir mit diesen Zeilen sagen will: Auch wenn du noch so ehrgeizig bist, noch so viel vor dir hast und zudem noch eine Menge Wettkämpfe zu laufen sind, gehe jetzt in die Regeneration, wenn du schon eine Frühjahrs-Marathon-Saison hinter dir hast.