Bei anderen Läufen sind Mitstreiter noch herzlich willkommen!
Unser Kopf und unser Gehirn hat uns sicher zu dem gemacht was wir sind. Ein intelligentes Wesen, dessen kluge Gedanken unser Leben in Millionen Jahren sehr zum Positiven verändert hat. So hilfreich unsere Gedanken vielfach sind, so hindern sie uns doch vielfach daran, unser persönliches Leben positiv zu beeinflussen indem wir uns auf neue Dinge einlassen und diese ausprobieren.
Wir bleiben gefangen in alten Gewohnheiten und Strukturen. Neues verursacht Stress und erhebliche Mühen. Im Privatleben und auch beruflich. Du kennst das? Wird in der Firma von einem kreativen Vordenker eine sinnvolle Änderung von Arbeitsabläufen vorgeschlagen, gehen sofort die meisten Hände abwehrend hoch und es werden erstmal alle Argumente dagegen aufgezählt. Änderungen verursachen zusätzliche Arbeit und Stress. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Wie hat es Dr. Strunz in seiner News vom 22.09.2020 so treffend beschrieben:
Kennen Sie diese fiese kleine Stimme in Ihrem Kopf? Mit dieser schrillen, quengeligen Stimme? Die Ihnen ständig so absolut unproduktives Zeug erzählt wie: „Ich kann das nicht“. „Dazu hab ich keine Lust“. „Das ist mir zu schwer“. „Ich bin zu schwach“. „Ich bin zu alt“. „Ich bin zu dumm“. „Ich habe keine Zeit“. „Das macht Stress“.
Du glaubst gar nicht, was ich diesbezüglich für Emails bekomme. Warum man nicht 5 mal pro Woche und schon gar nicht täglich laufen gehen kann, warum man aufgrund von Corona mehrere Monate nicht laufen konnte, warum man nicht auf Kohlenhydrate verzichten oder diese deutlich reduzieren kann, warum die Mitochondrien-Strategie nichts für einen ist, usw. usw. Ich versuche für jeden geduldig mit Engelszungen Lösungen aufzuzeigen. Ob es hilft? Vermutlich selten. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier.
Dann gibt es die Macher. Die Musks und Bezos der Lauferei. Die zweifeln nicht am Training und der Mitochondrien-Strategie, ziehen ihr Programm durch und probieren erfolgreich neue Wege aus. Trotzdem gibt es auch bei diesen die Stimme im Kopf. Wenn sie nach wochenlangem Training, wenn die Form schon perfekt ist, etwas platt sind oder es irgendwo zwickt. Statt selbstbewußt auf die nächsten 2 Tempoeinheiten zu verzichten und eine ruhige Woche einzulegen, kommt der Gedanke „Wenn ich jetzt nicht weiter trainiere ist die Form weg“. Ich hoffe jedesmal dass sie sich von meinen Argumenten überzeugen lassen.
Es gibt auch die Fälle, in denen uns unsere Gedanken und Erfahrungen daran hindern schneller zu laufen! Von einem dieser erstaunlichen Fälle möchte ich dir heute kurz berichten. Vor ziemlich genau 2 Jahren kam eine sehr junge Läuferin zu uns um nach unseren Plänen zu trainieren. Sie war gerade einen Halbmarathon in 2:10 h gelaufen und kurz vorher die 10 km in knapp 57 Minuten. Sie ist ehrgeizig und absolviert das Lauf- und Athletiktraining konsequent. In 2019 konnte sie sich auf 51 min über 10 km steigern, den HM lief sie Anfang 2020 knapp unter 2 h. Seit ich meinen Garmin-Account öffentlich gemacht habe, sind wir darüber verbunden und ich beobachtete ihr Training regelmäßig. Seit Mai nutzt sie unsere Mitochondrien-Strategie. Was mir auffiel war, dass sie meist bei ihren DL in einem Tempo um die 6:30 min/km unterwegs war. Da werde ich hellhörig. Im diesem Sommer gab es ein paar Fragen aufgrund einer Verletzung zu klären. Ich bot ihr an, mir ihr Training künftig näher anzuschauen und ihr zusätzliche Tipps zu geben. Seitdem tauschen wir uns nach den Tempoeinheiten und den langen Läufen regelmäßig aus. Auf die Frage nach den 6:30 min/km kam heraus, dass sie immer noch ihren ersten Halbmarathon im Kopf hatte und vom Gefühl her alles schneller als 6:00 min/km sehr anstrengend ist. Der Kopf bremste sie hier aus. Auch 400 m Läufe lagen noch in diesem Frühjahr etwa bei 1:53 min, also 4:42 min/km.
So riet ich ihr lediglich einige Male, sich nicht von den Tempovorgaben im Plan, also von Zahlen, verrückt machen zu lassen. Nicht an Zahlen zu denken, sondern Spaß am schnellen Laufen zu haben, es locker laufen zu lassen. Was dann in den letzten 2 Monaten passierte ist unglaublich. Jede Trainingseinheit lief besser als die vorige. Die Zeiten wurden jede Woche schneller. In den 10 km Testläufen erzielte sie 2 mal deutliche Bestzeit. Im letzten 10er Testlauf konnte sie den letzten km in 4:22 min laufen, deutlich schneller als noch die 400 m im Frühjahr. Bei einem längeren Intervall folgte ein km in 4:15 min. 15 km TDL unter 5 min/km, kein Problem mehr. Sogar mit negativem Split und dem Gefühl weiterlaufen zu können. Die letzten 400 m innerhalb einer fordernden Pyramide lief sie in 1:33 min (!!!!) also ein Tempo von 3:52 min/km. Der lange Lauf geht inzwischen unter 6:00 min/km. Sie hat sich frei gelaufen. Inzwischen ist bei ihr die Gewissheit gereift, auch irgendwann die 10 km unter 40 min laufen zu können. Das treibt sie jeden Tag weiter an. Eine Freude für den Trainer!
Viele lassen sich von (negativen) Erfahrungen und/oder nicht geeigneten Vorbildern ausbremsen. Statt sich an den Besten zu orientieren, schaut man auf die Masse beim Marathon oder Halbmarathon. Die kommt bei großen Marathonläufen bei ca. 4:00 h in Ziel. Daraus werden dann eigene Ziele definiert. Beraten und vor allem warnen lässt man sich dann von den auch nur 10 min schnelleren Teilnehmern des örtlichen Lauftreffs. Bis man hoffentlich die eingangs erwähnte Stimme im Kopf ausschaltet und sich deutlich mehr zutraut.
Als ich vor 32 Jahren mit dem Laufen begann, war in meiner Studiengruppe ein 2:26 h Marathonläufer. Das war das Ziel. Das Vorbild. Nach 4 Monaten Training nervte ich ihn solange, bis er regelmäßig seinen langen Lauf mit mir absolvierte. Für ihn zu langsam, für mich zu schnell. Aber nur so entwickelte sich der Gedanke, bereits im ersten Marathon die 3 h anzugreifen. Heute schreiben mir Läufer die 50 min über 10 km laufen können: „es wäre ein Traum in 6 Monaten in meinem ersten Marathon 4:30 h zu laufen“. Dabei wäre schon jetzt eine Zeit von unter 4 h möglich!!
Fazit: Überlege dir einmal, ob die Gründe dafür, dass du nicht häufiger, mehr, intensiver und konsequenter trainierst, wirklich objektiv sind oder es sich eher um Ausreden handelt. Ob Gewohnheit und Bequemlichkeit dich daran hindern, deine Ernährung umzustellen. Orientiere dich am vorderen Viertel der Ergebnislisten. Auch für dich sind solche Leistungen möglich, auch wenn es derzeit noch utopisch erscheint. Suche dir andere Vorbilder und motivierende Mitläufer, die dich in jedem gemeinsamen Training fordern, nicht solche die dich in den Schlappschritt zwingen. Bald beginnt die Vorbereitung auf die Laufsaison 2021. Setze dir neue Ziele und komme raus aus deiner Komfortzone! Auch du kannst mehr als du denkst.