"Aufbau? Na klar, habe ich einen Aufbau hinter mir. Ich trainiere doch!" So oder ähnlich werden meine Fragen nach dem winterlichen Aufbau einer Jahresleistung während Telefongesprächen mit Trainingsplan-Interessenten beantwortet. "Welche Inhalte hat denn dein Training" "Ich laufe immer schön langsam und wenn das Wetter besser wird, dann lege ich so richtig los!"
Ach so! Diese Antwort kommt nicht überraschend, denn so an die 90% von uns sind so genannte Chaostrainierer in der Vorbereitungszeit. Es wird so lange herumgeschlappt, bis dann wieder einmal eine Wettkampfvorbereitung im Raum steht. Dann geht es los, aber richtig, immer mit Hurra drauf auf Knochen Muskeln und Sehnen.
Ich habe mich schon oft gefragt, warum das so ist. Im Frühjahr sind viele von uns hinter den ausgeklügelsten Methoden und den exotischsten Einheiten her wie der Teufel hinter der Seele. Aber im Winter, da reagiert Zufall, Lust, Chaos und vor allem das Wetter den Trainingsrhythmus und -form.
Eigentlich kann man die Antwort selbst schnell finden. Über Vorbereitungsprogramme in der Winterzeit schreibt kaum ein Autor. Alle haben tolle Marathonvorbereitungskonzepte im Repertoire, aber über das, was davor kommt, wird geschwiegen!
Warum ist das so? Es ist wesentlich einfacher eine schnelllebige Kurzform für einen Wettkampf aufzubauen, als langfristig für einen breiten Hochformbereich zu sorgen. Das schmeckt auch den Athleten(innen) viel besser. 12 Wochen richtig durchknallen ist einfacher, als sich 4-5 Monate auf eine längere Wettkampfsaison vorzubereiten. Das macht Mühe und riecht nach Arbeit.
Dabei wird ein Kernsatz unserer ganz persönlichen Langstreckenläufer(innen)-Trainingslehre vergessen:
Nur jetzt hast du die Ruhe, deine Ausdauer schonend zu entwickeln und auch einmal zu experimentieren ohne gleich ein Wettkampfversagen zu befürchten.
Leider glauben viele von uns, dass es ausreicht im Winter nur im regenerativen Tempo durch Parks und Wälder zu traben. Das Wort Tempo wird oft erst wieder wichtig, wenn die Sonne höher scheint und der Schnee so langsam verschwindet. Der Glaube an die Effektivität dieser Trainingsmethode ist so weit verbreitet, dass ich sie für kaum ausrottbar halte.
Aber du lieber Leser(in) beweist, in dem du diese Zeilen liest, dass dein Interesse an der Vervollkommnung deines persönlichen Trainings da ist. Darum möchte ich dir heute einige Geheimnisse verraten, die dich sicher in Erstaunen versetzen werden:
1. Nach der Regenerationszeit wird sofort wieder mit Tempoläufen gestartet.
2. Diese Tempoläufe haben nichts mit denen des Frühjahrs/Sommer zu tun.
3. Schon Anfang Dezember wird damit begonnen die "Lange Runde" so weit zu verlängern, dass sie in den letzten Wochen des Jahres schon ihren maximalen Umfang erreicht.
Natürlich ist es schwer nach dem Regenerationszeitraum wieder gleich mit Tempoläufen zu starten. Aber mit den Geschwindigkeitsniveaus dieser Tempoläufe hat man eine sehr schöne Möglichkeit der Steuerung und kann dabei gleich sein Renntempo für das nächste Jahr üben.
Beginne doch dein erstes Tempotraining in dieser Saison einmal mit der Einheit 20 x 200 m mit 200 m Trabpause. Ei, da bekommen einige Leute gleich Schaum vor dem Mund und andere haben Mühe ihren hinteren Ausgang dicht zu halten. "Welcher Wahnsinn, 200-er im Dezember!" Aber dieser hilfreiche Wahnsinn hat Methode.
Denn diese 200 m-Läufe werden im 10 km-Renntempo gelaufen. Das erscheint sehr langsam, hat es aber in sich! Also nehmen wir einmal an, du möchtest im kommenden Jahr die 40 min/10 km knacken, dann müsstest du die 200 m dabei durchschnittlich in mindestens 48 sec laufen.
Nun dann sind die 20 x 200 m doch ganz einfach für dich! Du läufst dich ein, startest und rennst die 200 m in 48 sec, läufst langsam weitere 200 m und beginnst dann erneut mit 200 m in 48 sec. Das Ganze wird zwanzig Mal wiederholt. Der letzte 200-er wird mit voller Kraft gelaufen, damit in deiner Seele auch die Erkenntniss reift, dass auch eine Zeit unter 40 min zu schaffen ist.
Hört sich total einfach und langsam an. Wenn du wolltest, könntest du die 200 m glatt 15 sec schneller laufen. Aber das ist nicht unser Ziel. Wir wollen deinen Organismus erst einmal vorsichtig auf die kommenden Belastungen vorbereiten und immer noch im aeroben Leistungsbereich arbeiten.
Aber ich kann dich nur warnen, glaube nicht, dass dies eine leichte Einheit ist. Die 20 Tempostücke stellen besonders das zentrale Nervensystem vor eine schwere Aufgabe. Immer wieder aus dem langsamen Tempo zu beschleunigen, mag es gar nicht gerne in dieser Zeit. Und die Abneigung des Nervensystems gegen diese Art von Belastung hat auch Folgen für dich: Du wirst danach sehr müde sein und schlafen wie ein Stein.
Mit dieser Methode - die natürlich nicht allein seligmachend ist - kannst du dein Leistungsniveau schonend steigern. In der Folgewoche läuft du 15 x 400 m mit 400 m Trabpause, danach 12 x 600 m mit auch 400 m Trabpause, gefolgt von 10 x 800 m mit 500 m Trabpause und zum Abschluß dieser kleinen Trainingsperiode 10 x 1000 m mit ebenso 500 m Trabpause.
Du brauchst dazu keine Bahn. Du kannst alles auf der Straße oder auf einem Radweg laufen. Irgendwo findest du immer eine Runde, die einigermaßen eben und beleuchtet ist. Das Licht muss nicht einmal sein, denn die modernen Kopfleuchten lassen auch in tiefster Dunkelheit Tempoläufe auch auf nicht ganz glattem Gelände zu.
Kopfleuchten mit LED's sind die beste technische Errungenschaft, die für uns in den letzten Jahren erfunden wurde. Einige mosern immer noch: "Ich laufe doch nicht mit der Grubenlampe herum!" LED-Leuchten haben nichts mit Grubenlampen zu tun. Sie sind federleicht, verbrauchen ganz wenig Energie und sind deutlich heller. Ein kleine Auswahl findest du weiter unten.