Heute geht es um ein Grundproblem, welches alle die Läufer und Läuferinnen begleitet, die in Mittelgebirgs- bis hin zu alpinen Regionen trainieren müssen oder können. Das sind sicher gut 50% unserer Gemeinschaft.
Dieses Problem kennen speziell die Leute, die planmäßig trainieren. Trainingsvorgaben, wie zum Beispiel unsere Greif-Club-Pläne enthalten für jeden Läufer(in) die Laufzeiten in km/min und zusätzlich noch die resultierende Herzfrequenz.
Dort steht dann für eine durchschnittliche Läuferin zum Beispiel: "15 - 17 km extensiver Dauerlauf in 6:33 - 6:15 min/km. Pulsbereich 126 - 139." Tempo und Puls passen aber nur zusammen, wenn diese Läuferin ihren maximale Herzfrequenz richtig ermittelt hat, auf einer ebenen Strecke und bei durchschnittlichen Wetterverhältnissen gelaufen wird.
Was denn nun aber, wenn diese Läuferin mitten in den Bergen wohnt und ihr gar keine flachen Kurse zur Verfügung stehen? Auf der Bahn wird sie wohl einen Dauerlauf wie den obigen nicht laufen wollen. Also macht sie sich auf die kupierten Strecken, die ihr zur Verfügung stehen.
Schon am ersten leichten Anstieg geht ihr Puls vielleicht schon auf 150 und der km eins wird eventuell mit über 7 min gemessen? Versucht sie auch nur den zeitlichen unteren Tempobereich zu treffen, steigt ihre Herzfrequenz schon auf 160. Egal welchen Parameter sie zur Leistungssteuerung heranzieht, einer davon ist immer falsch.
Darum sollten wir gar nicht lange herumreden, denn es steht fest: Du kannst dein Tempo im bergigen oder hügeligen Gelände weder mittels Pulsmessung noch mit der Uhr steuern. Denn bei zehn Prozent Steigung wirst du auch dein langsames Dauerlauftempo aus dem Flachland gar nicht mehr laufen können.
Nach der alten Läuferregel "wo es bergauf geht, geht es auch wieder runter" könnte man ja auf die Idee kommen, die Leistung von der Bergauf- mit der der Bergabstrecke zu mitteln. Dann sollte doch in etwa die geforderte Zeit oder Puls wieder im vorgeschriebenen Rahmen liegen.
Leider klappt das nicht, obwohl die meisten Pulser den Mittelwert nach Trainingsende anzeigen. Obwohl es oberflächlich doch klappen müsste. Dass es nicht so ist, ist der menschlichen Muskelstruktur geschuldet. Die vorwärtstreibende und anhebende Muskulatur, die bergauf die hauptsächliche Arbeit übernimmt, ist deutlich stärker als die bremsende Bergabmuskulatur.
Diese ist nur in etwa ein Drittel so stark wie die vorwärtstreibende Muskulatur. Und wenn wir es dann den Berg herunter so richtig rollen lassen, wird dieser Anteil der Muskeln gnadenlos überlastet. Das hat dann zur Folge, dass der Schritt nicht mehr richtig gefangen werden kann und der Knorpel von Knie, Hüfte und anderen Strukturen Schaden nehmen können.
Es fehlt nämlich durch das abfallende Gelände auch ein großer Teil der Dämpfung durch das Fußgelenk, denn der Winkel zwischen Ferse und Boden wird kleiner. Selbst bei reinen Ballenläufern wird der Auftritt durch die Schräge des Untergrunds immer weiter zur Ferse hin verlagert.
Noch schlimmer ist es dann bei den Fersenläufern, die knallen dann gleich hinten so richtig auf. Da jubelt der Knorpel dem Verfall entgegen. Ich weiß ganz genau wovon ich spreche. Austrainiert 85 kg wiegend, kam ich die Berge nun nicht gerade gemsengleich hoch, dafür ließ ich es dann auf dem abfallenden Teil so richtig krachen.
Langer Schritt und höchstes Tempo, es war herrlich so an den "Händln" (Östr. - bayr. Ausdruck für untergewichtige Läufer) vorbei zu schießen. Nur wenn die Gefällstrecke lang genug war, dann hatte ich unten Gummibeine und die Händln flatterten wieder locker an mir vorbei und gegackert haben sie auch noch, diese Alpingerippe.
Zusammengefasst: Du kannst machen was du willst, du wirst im Durchschnitt in einem kupierten Gelände niemals so schnell sein können wie im Flachen. Das geht noch nicht einmal mit dem Fahrrad, welches in einem wesentlich größerem Maße die Energie auf der Gefällstrecke wieder zurückgibt, die berghoch eingesetzt wurde.
So gibt es am Berg nur eines auf das du dich verlassen kannst, das ist dein Gefühl. Du musst dich natürlich auf den Bergaufstrecken deutlich mehr anstrengen als im Flachen. Dies ist auch richtig so, denn du erntest dabei einen ganz hervorragenden Trainingseffekt.
Du solltest aber unbedingt darauf achten, das du an einem Trainingstag, wie dem oben beschriebenen, nicht in den anaeroben Leistungsbereich hinein gerätst. Es sollte so sein, dass das Bergauflaufen zwar anstrengend ist, aber dich nicht außer Atem kommen lässt.
Wenn es dann wieder runter geht, kannst du dich erholen. Schone dich und deine Knochen, denn du hast vorher schon den entsprechenden Leistungsreiz eingefahren. Vergiss einfach die km-Zeit und deinen Herzschlag, du wirst mit einem Training AUCH in den Bergen weiter kommen, als allein mit einem im völlig flachen Gelände.
Das kann ich dir aus langjähriger Erfahrung zusichern, denn hier bei uns in Seesen und seiner Umgebung gibt es keinen einzigen völlig ebenen km und unsere berühmt berüchtigte 35 km-Runde ist besonders einladend durch ihre knapp 600 Hm.
Und die sind wir jede Woche mindestens einmal und der Autor dieser Zeilen oft sogar zweimal gelaufen. Und der Erfolg gab uns Recht und ich bin mir ziemlich sicher, dass wir diese Erfolge so nicht erreicht hätten, wenn wir in einer Gegend trainiert hätten, in dem man die Hügel suchen müsste.
Einmal vor langer Zeit trainierte ich mit meinem Freund Detlef Kretschmer rund um seine Heimatstadt Moers. Da ist es so was von flach, dass selbst ein Maulwurfshügel als Aussichtspunkt dient. Er behauptete aber dennoch, es gäbe in seiner Region richtige Berge. Die zwei Erdnippel hat er mir dann auch gezeigt und ich war beeindruckt. Über den Höheren konnte ich fast nicht hinweg sehen.
Damit du aber dennoch überprüfen kannst, in welchem Maße du dich beim Berglaufen mehr belastest, habe ich den Höhenmeter-Laufzeit-Rechner geschaffen.
Bitte gehe aber nun nicht hin und reduziere deinen Umfang um die km, die dir der Rechner als umgerechnet mehr gelaufene km ausgibt. Nimm diese als einen zusätzlichen Vorteil gegenüber dem Kampf gegen Gegner und alte Bestzeiten.