Vor einem Monat etwa bekam ich von Johannes K. eine Mail mit der Frage, wie er denn Hügel- und Bergtraining in seinen Trainingsplan einbauen könnte. Er meinte, dass ich darüber noch nie geschrieben hätte. Das ist nicht ganz richtig, aber häufig behandelte ich dieses Thema nicht.
Das gezielt einzusetzende Hügeltraining lehrte uns Arthur Lydiard schon in den siebziger Jahren. Nach einem Vorbereitungsprogramm setzte er zur direkten Wettkampfvorbereitung ein mehrwöchiges Hügel-Trainingsprogramm ein. Das war sehr intensiv und sollte seine Athleten auf den Höhepunkt ihrer Leistungsfähigkeit treiben.
Es zeigte sich aber, dass bei einigen nicht die gewünschte Wirkung eintrat, dies wohl auch deshalb, weil nicht jedem die entsprechenden Hügel mit idealen Steigungswinkel zur Verfügung stand. Und da bin ich letzthin an einen wunden Punkt gekommen, den ich all die Jahre, in denen ich diesen Newsletter schreibe, ausblendete.
Diese Unterschlagung ist gegründet auf der Geschichte des Greif-Clubs. Als ich anfing, die ersten professionellen Trainingspläne zu schreiben, gab es bei manchen Einheiten den Zusatz "Laufe möglichst in den Bergen".
Dieser Zusatz hat wohl einige Clubmitglieder so geärgert, dass diese mich empört angeschrieben haben, weil sie im Flachland wohnten und absolut keine Hügel zur Verfügung hatten. Es gab schlicht weg auch Empörung, die oft mit der Frage endete: "Willst du mich verarschen, hier bei uns gibt es keine Berge."
Naja, dachte ich, sie werden sich schon daran gewöhnen, was das "möglichst in den Bergen" heißt. Aber dem war nicht so. Immer wenn ein neues Clubmitglied eintrat, gingen wieder diese Hinweise ein. Das Ganze hat mich dann so genervt, dass ich das Bergtraining ganz aus dem Programm genommen habe.
So ganz sinnvoll war das wohl nicht, darum schreibe ich auch heute nachfolgend etwas über Berg- und Hügeltraining. Wenn du mir dann aber umgehend zurückschreibst, was du machen sollst, wenn dir keine Hügel zur Verfügung stehen, dann kündige ich dir genauso umgehend die Freundschaft :-)
Dabei werde ich mich in diesem Newsletter erst einmal auf das Bergtraining beschränken und in der kommenden Woche dann auf das Hügeltraining eingehen. Du weißt sicher, dass wir hier in Seesen in den achtziger Jahren bis Anfang der 2-tausender Jahre außergewöhnliche Erfolge mit unseren Langstreckenläufern erzielten.
Diese Erfolge waren aufgrund der Größe des Einzugsbereichs und der nicht vorhandenen finanziellen Mittel nicht zu erwarten. Unser Umfeld meinte, dass diese ungewöhnlichen Leistungen auf das Engagement des Trainers und dessen Wissen zurückzuführen waren. Da mag etwas dran sein, aber es wurde vergessen, dass auch das Trainingsumfeld einen großen Einfluss auf die Spitzenleistungen gehabt hat.
Außer auf der Bahn haben wir hier im Vorharz keinen flachen Meter zum Trainieren. Wenn wir einmal eine 20 km Runde mit nur 150 Höhenmetern liefen, dann war das für uns eine Flachstrecke. Jeden Dienstag gab es eine zwanziger Runde mit 600 Höhenmetern über die Brombergsköpfe. Auf diesem Kurs sind Steilstücke zu überwinden, die trieben uns die Augen aus dem Kopf.
Aber für einige von uns waren diese Steilstücke ein Genuss. Das waren die kleinen und leichten Läufer, die den großen und schweren Trainer mit seinen 85 Kilo am Berg dann mal so richtig die Hacken zeigen konnten. Aber es gibt eine alte Läuferregel, die heißt: Wo es bergauf geht, geht es auch irgendwann bergrunter. Und diese Übung beherrschte der Trainer wie kaum ein anderer. Der gequälte Übungsleiter rächte sich auf den Bergabstrecken mit Vehemenz.
In diesem Sinne kommen wir zu zwei Punkten, die beim Berglaufen eine große Rolle spielen. Erstens: Es ist eine Binsenweisheit, dass man Berg hoch nicht so schnell laufen kann wie im Flachen.
Dass es bergrunter schneller geht, ist ebenso eine Binsenweisheit, aber beide Bewegungsabläufe zusammen können nicht in der Zeit gelaufen werden wie auf einem Kurs in der Ebene. Man kann es auch anders ausdrücken: In den Bergen braucht man immer mehr Zeit für sein Training.
Zweitens: Es gibt und gab zahlreiche Versuche das Training nach Puls in den Bergen zu steuern. Wir haben in früheren Jahren auch versucht, aufgrund der nicht vorhandenen Zeitgleichheit zu Straße und Bahn eine Leistungssteuerung mithilfe des Pulsers herzustellen.
Die Idee war, aus dem Mittel der Pulsschläge berghoch und bergab einen Vergleich für die Flachstrecken zu erzielen. Es war nicht möglich. Man kann auf den Bergabstrecken nicht die Pulsschläge sparen, die man bergauf zusätzlich einsetzen muss.
Ein Läufer ist kein Fahrradfahrer, der die eingesetzte Energie am Berg beim Bergrunterfahren wieder ausgezahlt bekommt. Der Läufer muss auf den Bergabstrecken seine Beinmuskulatur zum Bremsen nutzen und das kostet Energie. Nicht nur das: Die Bremsmuskulatur der Beine ist deutlich schwächer als die vorwärts bewegende Muskulatur.
Das führt dazu, dass die bremsende Muskulatur der Schwachpunkt beim Berglaufen ist. Diese wird bei zu schnell gelaufenen Bergabstrecken überfordert und antwortet auf den nachfolgenden Flach- oder Bergaufstrecken mit den so genannten Gummibeinen. Es ist ein absolut negatives Gefühl, wenn alle die Gegner, die du gerade beim Bergablaufen abgezogen hast, wieder an dir vorbeiziehen, weil du gerade mit deinen Gummibeinen zu kämpfen hast.
Du wirst mich natürlich fragen, wie du eine Trainings-Plan-Zeitvorgabe im bergigen Gelände umsetzen kannst. Dazu meine krasse Antwort: Das geht in keiner Weise. In den Bergen hilft dir nur das Gefühl. Berg hoch musst du in der Regel bis kurz vor den Anschlag laufen. Bergab kannst du dich dann wieder ausruhen, indem du locker den Berg runtertrabst.
Welche grandiosen Verluste du dir in einem bergigen Gelände im Gegensatz zu einem flachen Kurs erwerben kannst, kannst du dir mit unserem Höhenmeter-Kilometer-Umrechner ermitteln.
Erst heute im Jahr 2013 wird mir klar, wie unsere fiktiven Umfänge damals gewesen wären, wenn wir diese mit dem Rechner umgerechnet hätten. Als Beispiel unsere 35 km Runde, die sich später als 36 km zeigte, ist bei 680 Höhenmeter ganze 38,7 Kilometer im Flachen wert.
Es ist absolut auch nicht sinnvoll, den Berg runter zu ballern, wie ich es früher immer getan habe. Ich weiß heute, dass das speziell dem Knieknorpel gar nicht gut bekommt. Natürlich schmerzten auch mir nach langen sehr schnell gelaufenen Bergabstrecken die Knie, aber da diese Schmerzen nach ein paar Tagen wieder weg waren, habe ich dieses Verhalten fröhlich weiter durchgeführt.
Im Zeitverlauf lernte ich dann aber, dass dieser lange Bergrunter-Sprung den Knorpel im Knie beschädigte. Dieser heilte zwar wieder, aber es wurden nicht mehr Original-Knorpelzellen eingebaut, sondern minderwertiges Bindegewebs-Material. Dem Himmel sei Dank, dass ich dieses Wissen erwarb, bevor mein Knieknorpel völlig zerstört war.
Darum kann ich dir nur raten: Laufe bergrunter in kleinen schnellen Schritten, dann schonst du deinen Knorpel und die bremsende Muskulatur deiner Beine. Du wirst sehen, dass dich so ein Verhalten auch viele Plätze weiter nach vorne bringt, wenn du es in einem Wettkampf praktizierst.
In der nächsten Woche dann hier an gleicher Stelle noch mehr über Berg- und Hügeltraining.