Die Regeneration während der Off-Season ist eine gute Phase um sein bisheriges Training zu reflektieren, sich neue Haupt- und Zwischenziele zu setzen sowie über Maßnahmen zum Erreichen dieser Ziele nachzudenken. Während dies bzgl. des Trainings meist recht einfach ist, wie z.B.
- Trainieren nach Trainingsplan,
- eine oder mehrere Trainingseinheiten mehr pro Woche,
- Tempo variieren und Tempoläufe absolvieren,
- den wöchentlichen langen Lauf verlängern,
- regelmäßig Athletiktraining (Kraft & Stabi) absolvieren,
- regelmäßig Lauf-ABC für Kraft, Koordination und Lauftechnik ins Programm nehmen,
- Bergläufe einstreuen statt immer die gleiche flache Trainingsstrecke zu laufen,
sieht es bei den Maßnahmen zur Regeneration (Eiweißshake nach dem Training, Dehnung, Entspannungsbad, Sauna, Massage, Faszienrolle, ...) und den begleitenden Lebensumständen (Ernährung, Schlaf, Stressabbau, ...) meist etwas schwieriger aus. Der Tenor lautet meist "Dafür fehlt mir die Zeit!" oder "Was soll ich denn noch alles machen?". Ich nehme mich da gar nicht aus.
Daher möchte ich heute mal dein Bewusstsein für den regelmäßigen Besuch eines Physiotherapeuten deines Vertrauens schärfen. So wie die Dehnung nach jeder Trainingseinheit sollte auch diese Maßnahme regelmäßig (wöchentlich oder 14-tägig) in das persönliche Programm aufgenommen werden. Egal ob du regelmäßig dehnst (womöglich falsch und zu kurz) oder mit der Faszienrolle/-ball arbeitest, der Physio spürt Verspannungen, Triggerpunkte und Blockierungen auf, von denen du nicht wusstest dass sie da sind. Dies auch bevor du sie spürst. Er löst die Faszien auch an Problemstellen, die du selbst gar nicht erreichst. Dies führt dazu, dass es gar nicht erst zu den unter Läufern so häufigen Sehnenreizungen kommt. Die entstehen nämlich, wenn durch eine Muskelverkürzung oder das Verkleben der Faszien eine zu hohe Spannung an den Sehnenansätzen herrscht. Schnell wird dann eine „Überlastung“ durch zu viel und zu schnelles Training festgestellt. Die zugrunde liegenden Verspannungen wären dem Physio schon längere Zeit vorher aufgefallen.
Wie gesagt, ich nehme mich dabei nicht aus. Oft nehme auch ich mir die Zeit dafür nicht. Mein japanischer Physio, ein guter Freund, mit dem ich auch öfter trainiere, schlägt immer die Hände über dem Kopf zusammen, wenn ich ihn um einen Termin bitte. Immer mit den Fragen "Was hast du wieder für ein Problem?"" und "Warum bist du nicht eher gekommen?". Als ehemaliger Profi-Balletttänzer kennt er die Leistungssport-Szene ziemlich genau und bestätigt mir immer wieder, dass die Leute immer erst zu ihm kommen wenn sie Probleme und Schmerzen haben. Dabei ist unser Körper für uns Läufer unser "Kapital". Wir sind extrem frustriert wenn wir für längere Zeit nicht laufen können und uns mit Schmerzen herumplagen. Er bestätigt mir das aber auch für seine jetzt aktiven Tänzer-Kollegen. Es gibt kaum jemanden der prophylaktisch seine Dienste in Anspruch nimmt, obwohl sie ihr Geld mit ihrem Tanz verdienen.
Die meisten die mich auf Garmin oder Strava verfolgen, wissen, dass es auch mich in diesem Jahr erwischt hat. Zwischen Februar und Juli legte mich der Piriformis und eine Reizung am Sitzbein völlig lahm. Kurz gesagt: zu viel trainiert, zu wenig gedehnt und zu viel gesessen. Nachdem es zu spät war, hatte es mein Physiotherapeut natürlich umso schwerer. Das Problem war da und sehr hartnäckig. Es ging nur sehr langsam aufwärts. Im Sommer konnte ich zumindest wieder 30 min pro Tag laufen. An ein normales Training war aber nicht zu denken.
Meine Ansicht, dass Physiotherapeuten bei solchen Problemen die besseren Ärzte sind, bewahrheitete sich wieder einmal. Da es mir zu langsam voran ging, suchte ich im Sommer, in der Hoffnung auf eine genauere Diagnose, einen Orthopäden auf. Nun ja, dort gab es das Übliche: 3 Spritzen zum "Entspannen" des Piriformis und des Gluteus Maximus. Ergebnis? Einen Tag leichte Besserung. Dann war es wieder wie vorher. Natürlich! Die Ursache war ja nicht behoben.
Diese Ansicht hält sich bei mir seit über 25 Jahren. Ende der 1990er Jahre trainierte ich eine der deutschen Topläuferinnen im Marathon (Bestzeit 2:33 h). Sie hatte eine Problemstelle am hinteren Oberschenkel, die sie mehrfach außer Gefecht setzte. Da sie selbst Physiotherapeutin war, absolvierte sie eine Weiterbildung nach dem Prinzip eines niederländischen Physiotherapeuten. Der Meister kam auch selbst für einen Tag nach Deutschland und untersuchte sie und diagnostizierte das "Hamstring Syndrom". Bei diversen Ärzten und Orthopäden (einschließlich denen des DLV) war dies etwas völlig Unbekanntes. Hatten sie noch nie gehört. Es hatte sich an einer kleinen Verletzung am oberen hinteren Oberschenkel Narbengewebe gebildet, welche auf einen Nerv drückte und so Schmerzen verursachte. Laut dem Physio sollte in diesem speziellen Fall nur eine OP helfen, die dann in Belgien durchgeführt wurde. Problem behoben.
So blieb es nun auch bei mir bei 2 Terminen beim Physiotherapeuten sowie täglich 30 min Dehnübungen nach dem Lauf. Damit lief es Schritt für Schritt besser. Erst gingen wieder 10 km, dann 16 km lockerer Dauerlauf. Trotzdem sah ich meine Chancen auf einen Trainingsstart im November schwinden. So ging ich noch einmal fremd und suchte nach einem Physiotherapeuten mit einer Ausbildung nach Liebscher & Bracht. Vielen ist die "Schmerzpunktpressung" und die "Engpassdehnung" sicher aus Büchern oder Videos inzwischen bekannt. Auch ich versuchte schon im Frühjahr etliche Dehnübungen aus diesem Programm. Nur leider von der Übungsdauer zu kurz, nicht alle für das Problem empfehlenswerten Übungen und auch ohne die enthaltenen Zusatzschritte (Gegendruck). Das Schöne an dieser Therapie ist wieder die Eigenverantwortung. So gibt es morgens und abends eine ziemlich anstrengende und schmerzhafte Dehnungsübung. Mit dem Ergebnis, dass am letzten Wochenende auch ein langer Lauf von 22 km wieder schmerzfrei funktionierte.
Fazit: Wenn du ernsthaft trainierst sind die Regenerations-Maßnahmen ebenso wichtig wie das Training selbst. Suche dir daher einen Physiotherapeuten deines Vertrauens, dem du trainingsbegleitend regelmäßig einen Besuch abstattest. Gönne dir dies! Auch wenn es wieder zusätzliche Zeit kostet. Dann lasse lieber mal eine halbe Stunde eines lockeren DL dafür sausen. So kannst du späteren Verletzungen vorbeugen und diese vermeiden.
PS: Dem Greif-Club auf Strava sind in der letzten Woche bereits 102 Läuferinnen und Läufer begetreten. Sei auch du dabei! Die Strava Mitgliedschaft ist komplett kostenlos und du kannst die Trainingsdaten deiner Uhr automatisch importieren lassen.