Hast du schon einmal einen 10 km Lauf oder auch einen Halbmarathon so richtig in den Sand gesetzt? Wahrscheinlich ja, aber nicht oft. Wenn du aber die Anzahl deiner Marathons und deren Resultate mit denen der kürzeren Strecken vergleichst, dann wirst du bemerken, dass man die 42,2 km relativ gesehen öfter verhaut.
Die oben genannten kürzeren Strecken kannst du ohne große Probleme, trotz eines taktischen Fehlers, noch zufrieden stellend abschließen. Wenn du aber auf der Marathonstrecke einen taktischen Fehler begehst, dann bekommst du eine Strafe, die sich gewaschen hat.
Der bekannteste und am häufigsten vorkommende Fehler über diese Distanz ist das nicht angepasste Tempo im ersten Drittel der Strecke. Jeder erfahrene Marathonläufer kennt diese Gefahr und wundert sich dennoch manchmal.
Das zieht dann meistens Heulen und Zähneklappern auf den letzten 10 km nach sich. Es ist so ungefähr eines der negativen Gefühle, die ein Läufer oder eine Läuferin im Wettkampfgeschehen erleben kann.
Wer sich auf der Strecke erst einmal 5 km lang mit tiefsten Schwächegefühlen herumgequält hat, dennoch weiter lief und schließlich und endlich doch eine oder mehrere Gehpausen einlegen muss, ist im wahrsten Sinne des Wortes eine arme Sau. Noch schlimmer ist es, wenn man erst gar nicht in das Ziel kommt.
Du kannst in solch einem Moment verzweifeln und hast das Gefühl, dass du gleich weinen müsstest. Es ist schlimm, wenn alle deine Holgers an dir vorbeiziehen und du sitzt von Krämpfen gepeinigt auf der Bordsteinkante und musst dir dieses blöde "Komm mit!" anhören. Am liebsten möchtest du vor Wut Stücke aus der Straße reißen.
Irgendwie kommst du mit gesenktem Haupt dann doch im Ziel an und musst durch all diese glücklichen Menschen schleichen, die es geschafft haben. Nachdem du dich gesammelt hast, beginnst du nach den Gründen für dein Versagen zu suchen.
Und dieses Versagen wird in der Regel in dem großen Fehler gesucht. Du fragst dich: "War mein Training richtig?" Oder auch: "Wahrscheinlich war mein zu hohes Gewicht an dem Versagen schuld."
Und du bist auf der Suche nach dem großen Fehler und ich kann dir verraten, dass es einer meiner schwierigsten Aufgaben ist, hier zu sitzen und mir Telefongespräche anzuhören und Mails zu lesen, indem ich als Trainer gefragt werde, woran es denn nun gelegen habe.
Das Ganze ist so ein schwieriges Problem, dass ich es auch in Zusammenarbeit mit dem Betroffenen in der Regel nicht lösen kann. Wenn er selbst noch nicht einmal darauf kommt, was falsch war in der Vorbereitung, wie soll denn der Ferntrainer die Gründe finden?
Es ist eines der unbefriedigten Dinge, in eine solche Analyse zu gehen. Oft habe ich dann das Gefühl, dass der Athlet oder die Athletin von mir hören will, dass nicht seine eigene Schwäche der Anlass zur Aufgabe war, sondern ein Fehler im Plan oder auch das fette Essen und die zusätzlichen hohen oder auch niedrigen Temperaturen.
Denn es ist für einen Läufer schlimmer anzunehmen, dass nicht die äußeren Umstände an dem vergurkten Wettkampf schuld sind, sondern die eigene Schwäche. Sich eingestehen zu müssen: "Du kannst es einfach nicht!", ist ein absolut grausamer Gedanke.
In solchen Momenten laufen wir alle zur geistigen Hochform auf, um uns selbst diese persönliche Niederlage zu erklären. Sogar die Intimitäten mit der Ehefrau am Vorabend werden als Entschuldigung herangezogen.
Es wird alles aus dem Schatzkästlein geklaubt, was in irgendeiner Form für das Versagen herhalten kann. Was sind denn nun die wahren Fehler, wirst du dich fragen. Und du wirst von mir auch eine Antwort erwarten.
Und da sind wir dann wieder an der Stelle, die ich oben schon beschrieben habe. Nun denn, ich werde versuchen an diesem Punkt einmal eine Zusammenfassung, der so genannten "tödlichen Fehler" aufzuführen. Erwarte hier keine erschöpfende Aufführung dieser Fehler, denn mir müssen erst einmal diese Fehler überhaupt einfallen. Da die Fantasie der Wettkampfläufer in Hinsicht auf Fehler machen schier unendlich ist, werde ich diese auch höchst wahrscheinlich nicht einmal kennen.
Heute werde ich mich auch nur mit den Fehlern in der Vorbereitung befassen. Denn über die möglichen Fehler im Rennen könnte ich gleich ein Buch schreiben. Aber wie auch immer, fangen wir einmal mit der Supersünde Nummer eins an.
Du warst in der Marathonvorbereitung eventuellerweise zwei Wochen krank oder verletzt und nun fehlen dir vor dem Rennen die nötigen Kilometer und Tempoläufe. Nun bist du schon zwei Wochen vor dem Wettkampf und hast einfach zu wenig trainiert.
Was tust du? In der zweiten Woche vor dem Marathon gibst du nochmal richtig Gas und läufst auch noch einen vollen 35-er mit der versäumten Endbeschleunigung. Du lässt die ganze Taperphase praktisch ausfallen, um das nachzuholen, was nicht nachzuholen ist.
Nur die letzten drei Tage läufst du etwas weniger Umfang und meinst, dass es schon alles klappen wird. Nur in den seltensten Fällen, wirst du mit solch einer Vorbereitung eine auch nur befriedigende Leistung erzielen.
Mache dir klar, dass dieses so genannte "zu dicht an den Wettkampf heran trainieren", der schlimmste Fehler in der Vorbereitung ist den du überhaupt begehen kannst. Du kommst deutlich besser weg, wenn du in der gesamten Taperingphase in den letzten 14 Tagen vor dem Marathon gar nicht mehr trainierst, als zu versuchen irgendetwas nachzuholen.
Ich weiß, dass du jetzt ungläubig hier auf dieses Papier schaust, aber die Erfahrung zeigt, dass dieses nicht Trainieren vor dem Rennen oft ganz überraschende Resultate zeigt.
Noch ein sehr schönes Verfahren um eine schlechte Zeit zu betteln, lernte ich durch eine mir näher bekannte Läuferin kennen. Diese Dame schaute sich in der Woche vor dem Rennen im Spiegel an und stieg anschließend auf die Waage. Aus beiden Tätigkeiten heraus entschied sie, dass sie für einen guten Marathon noch 3 kg Fett zu viel auf den Rippen hatte.
Also beschloss sie in der Woche vor dem Marathon diese drei Kilo abzunehmen. Ich weiß nicht ganz genau, ob es drei oder 2 kg waren, die sie verlor, aber ich weiß ganz genau, dass ihr Rennen ein Desaster war.
Gerade in der Zeit, wo Sie Ihren Körper mit der nötigen Energie versorgen müsste, brachte sie diesen in ein Mangelzustand. Dass dann ihr Organismus nicht genügend Treibstoff mehr hatte, liegt auf der Hand.
Einen weiteren Kardinalfehler kannst du machen, mit einem durch äußere Umstände erzwungenen Wettkampf. Ich nenne das immer ein "da muss ich laufen"-Rennen. Das sind dann meist irgendwelche Mannschafts-Wettkämpfe oder auch Volksläufe im heimischen Ort.
Da entsteht dann von außen ein kaum zu bremsender Druck auf dich, obwohl dieser Wettkampf überhaupt nicht in deine Marathonvorbereitung passt. Ich kann dir nur raten, diese Dinge abzulehnen und auch einen Streit mit den Kameraden anzunehmen.
Du musst dich Monate für den Formaufbau hin zu den 42,2 km quälen und dann sollst du alles riskieren, vielleicht für eine Kreismeisterschaft. Bleibe bei diesen Forderungen hart. Du kannst diese Art von kleinen Rennen das ganze Jahr über laufen, aber Marathons gehen in der Regel nur zwei Stück im Jahr.
Ablehnen solltest du einen Halbmarathon zwei Wochen vor dem Marathon. Der Grund ist, dass du vor dem HM einige Tage dein Training herunterschrauben musst. Nach dem gelaufenen 21,1 km Rennen musst du dich aber auch wieder ein paar Tage erholen.
Hast du diese hinter dir, dann bist du schon mitten in der Taperphase für den Marathon. Das heißt zusammengefasst, du hörst schon drei Wochen vor dem wichtigsten Wettkampf auf gezielt zu trainieren.
Manfred Steffny empfiehlt einen 10 km Wettkampf direkt eine Woche vor dem Marathon. Das ist in seinem Trainingssystem machbar, weil er nicht, wie bei uns, mit den sich ständig verlängernden Endbeschleunigungen auf der 35 km Runde arbeitet.
Und von diesen sehr harten Endbeschleunigungen müssen wir uns erholen und da kann auch solch ein kurzer Wettkampf wie die 10 km deine Chancen deutlich herunterschrauben. Wenn ich meine eigene Geschichte betrachte, dann musste ich auch aus Mannschaftsgründen oft noch einen "kurzen" Wettkampf vor dem Marathon laufen. Nachgerechnet waren diese Rennen immer etwa 3 Minuten schlechter als die sauber vorbereiteten.
So kann ich dir nur raten, etwas egoistisch zu sein und an dich selber zu denken. Denn du kannst nicht unendlich viele Marathons in deinem Leben laufen.