Du hast sicher schon einmal den Einlauf eines Wettkampfes betrachtet. Es ist hochinteressant, die unterschiedlichen Menschen am Ende eines Rennens zu betrachten. Da kommen einige ins Ziel, die sich ganz sicher nicht verausgabt haben.
Im Gegensatz dazu, kommen einige rein, deren letzte Berührungspunkte im Zieleinlauf Knie, Brustwarzen und Zahnfleisch sind. Es gibt natürlich auch andere, aus deren Anblick man nur eine moderate Erschöpfung feststellen kann.
Der dritte Typ ist der Erfolgsfeierer. Der tanzt und jubelt ob seiner Leistung. Er macht den Eindruck, dass er den ganzen Kurs noch einmal im gleichen Tempo durchlaufen könnte. Seine Endorphine und Katecholamine lassen ihn in die Glückseligkeit segeln.
Das Gleiche kann man als Trainer auch bei den Tempoläufen sehen. Die Verhaltensweisen von Athleten und Athletinnen sind überaus different. Die, die am schnellsten sind, zeigen auch deutlich ihren Anstrengungsgrad.
Im Augenblick, indem ich diese Zeilen schreibe, habe ich noch Bilder von unserem Trainingslager in der Türkei 2015 vor meinen Augen. Es ist nicht so, dass sich nur die Spitzenleute besonders verausgaben, aber sie sind dennoch eindeutig häufiger vertreten, als das Mittelfeld und das letzte Drittel.
Für mich drängt sich dann die Frage auf: Wenn jemand in ein Trainingslager geht, dann will er sich ja verbessern. Warum aber gehen einige ihr Training moderat an, und andere reißen sich das gespaltene Ding bis zum Hals auf.
Wir geben natürlich bei jedem Tempolauf eine individuelle Geschwindigkeit vor. Wie zum Beispiel Halbmarathon-, auch Zehn- Kilometertempo oder Marathonspeed. Im Grunde genommen, könnten wir diese Zeiten auch weglassen.
Denn die Konkurrenz ist groß, und die meisten Teilnehmer versuchen, sich möglichst weit vorne zu platzieren. Sie ignorieren die ganzen Zeitvorgaben und versuchen möglichst schnell zu laufen.
Aber dennoch läuft mindestens ein Drittel im Schongang. Nachgefragt, warum sie denn nicht schneller gelaufen sind, bekommt man meist die Antwort: "Ich konnte nicht schneller!"
Warum nun aber rennen einige mit dem letzten Einsatz, die genau das gleiche Programm hinter sich haben wie die Schongang-Läufer? Wie schon oben beschrieben, kann man diese Schonung auch von außen deutlich erkennen.
Es gibt natürlich einige Möglichkeiten, die Schlappschleicher zu motivieren schneller zu laufen. Dazu muss dann aber ein Trainer eingreifen und zu höherem Tempo anspornen. Meist laufen dann die Betroffenen schneller, aber nur im Blickbereich des Übungsleiters, um dann wieder Abzuschlaffen.
Man kann natürlich auch zu unfairen Mitteln greifen, indem ein Konkurrent avisiert wird, der sich von hinten gerade mit langen Schritten nähert. Dieser aber gar nicht vorhanden ist und nur der Motivation des Athleten oder der Läuferin dient.
Ich persönlich lehne solche Anforderung grundsätzlich ab. Denn die Betroffenen sind schließlich nicht auf den Kopf gefallen und merken schon bald, dass der Trainer nur verbale Worthülsen verteilt. Wenn dies erkannt wird, kann der Trainer seinen Laden schließen. Die Läufer und Läuferinnen vertrauen ihm niemals mehr.
Die Frage, die wir uns alle stellen müssen, ist: „Warum kämpfen einige mit aller Kraft um Platz, Sieg oder Zeit? Eigentlich müsste ja jeder möglichst schnell im Wettkampf laufen, denn es heißt ja „Kampf“ und nicht „Mitmachspaß“.
Dazu gibt es ganz interessante Theorien in der Wissenschaft. Die möchte ich hier nur ganz kurz zusammengefasst vorstellen. Im großen Ganzen folge ich dabei dem südafrikanischen Sportwissenschaftler Tim Noackes, der die Theorie der Zentralsteuerung vom Gehirn als Leistungssteuerung vertritt.
Er nennt dieses Steuerungselement den „Central Governor“. Andere Wissenschaftler untersuchen diese Dinge auch. Es geht im großen Ganzen darum, wie und warum eine Ermüdung im Training und Wettkampf eintritt.
Wir Läufer und Läuferinnen meinen zum großen Teil, dass unsere Energievorräte erschöpft sind, wenn so eine Ermüdung eintritt. Die große Anzahl von Sportwissenschaftlern neigt aber heute dazu, dass die Erschöpfung vom Gehirn vorgegeben wird.
Das Gehirn ist unsere Zentrale. Es reguliert in welcher Menge Energie zur Verbrennung freigesetzt wird. Damit es sich aber nicht selbst schadet, sorgt es für entsprechende Reserven.
Unter großem Stress gibt es aber etwas von diesem Reserven frei. Stress empfinden wir im Wettkampf oder auch im Training, wenn wir Angst um unsere Position haben oder wenn wir um einen Sieg ringen oder einen Holger schlagen wollen.
Wenn nun das Gehirn merkt, dass dieser Angriff auf die eigenen Reserven nicht geschadet hat, gibt es diese bei einer Wiederholung auch merklich früher ab. D.h. der Betroffene ist in Zukunft leistungsfähiger.
Wenn dieser Stress mehrmals wiederholt wird, stellt das Gehirn immer mehr von seinen Reserven zur Verfügung. Die Folge ist, dass der Betroffene immer schneller wird.
Darum können wir jetzt schon für uns Resultate ziehen: Wenn du immer dann, wenn du merkst, dass du an deine Grenzen kommst, die Segel streicht, wirst du kaum jemals die „Goldene Schale“ in der Hand haben.
Du solltest mindestens einmal in der Woche an deine Grenzen gehen. Dazu dient ein Kampf mit Holger und der Wille, die Trainingsbestzeit zu knacken. Im Wettkampf gibst du immer dein Bestes. Und den Fuzzi, den du 50 Meter vor dem Ziel siehst, den machst du auf den letzten Metern auch noch um.
Es ist also ganz einfach! Wer mit sich selbst und anderen kämpft, der wird erfolgreich sein. Wer hingegen immer Angst vor der Erschöpfung hat, der wird deutlich mehr Hacken sehen als der Kämpfer.
Dieses Thema werde ich in der nächsten Zeit noch weiter verfolgen, denn es gibt noch mehr neue wissenschaftliche Erkenntnisse dazu. Wahrscheinlich spielt auch die Menge des Sauerstoffs im Gehirn beim Wettkampf eine große Rolle für die Leistung.