Vor einigen Tagen erhielt ich eine Mail von einem etwas enttäuschten Marathonläufer. Er hatte einen 42,2 km-Wettkampf im Rahmen des Dead See-Marathons bestritten. Dieses ist ein Einwegkurs heraus aus den jordanischen Bergen hinunter zum Toten Meer. Es geht dort um mehrere 100 Höhenmeter abwärts.
Dieser Läufer war mit seiner Platzierung zufrieden, aber die gelaufene Zeit enttäuschte ihn völlig. Er hatte sich vorgestellt, dass auf einem Kurs mit so viel Gefälle ein besonders gutes Resultat herausschauen sollte. Er konnte nicht verstehen, warum es zu einem solchen Ergebnis gekommen war.
Vor einigen Jahren stellte sich bei mir ebenfalls ein Marathonläufervor, der seit Jahren an der 3 Stunden Marke herum baute. Es wollte ihm einfach nicht gelingen, diese zu unterschreiten. Und hörte dann vom Tiroler Speedmarathon.
Dieser wurde von Wikipedia so beschrieben: "Der Tirol Speed Marathon war ein zwischen 2004 und 2007 jährlich im Juni stattfindender Marathon, der vom Brennerpass nach Innsbruck führte. Er zeichnete sich dadurch aus, dass das Ziel 785 Meter tiefer als der Start lag, was einem durchschnittlichen Gefälle von 1,86% entsprach."
Diese 1,86% sind trügerisch. Er stellt sich vor, dass die Strecke über den Verlauf gesamten sachte abfällt. Dem ist aber nicht so teilweise ist die Strecke flach und andererseits geht es auch wieder steiler runter.
So verleitet dann der Kurs die Teilnehmer dazu die Gefällstrecken möglichst schnell mit langen Schritten zu durchqueren. Der Läufer muss in diesem Fall auf den Bergabstrecken seine Beinmuskulatur zum Bremsen nutzen und das kostet Energie. Nicht nur das: Die Bremsmuskulatur der Beine ist deutlich schwächer als die vorwärts bewegende Muskulatur.
Das führt dazu, dass die bremsende Muskulatur der Schwachpunkt beim Bergablaufen ist. Diese wird bei zu schnell gelaufenen Bergabstrecken überfordert und antwortet auf den nachfolgenden Flach- oder Bergaufstrecken mit den so genannten Gummibeinen. Es ist ein absolut negatives Gefühl, wenn alle die Gegner, die du gerade beim Bergablaufen abgezogen hast, wieder an dir vorbeiziehen, weil du gerade mit deinen "Gummibeinen" zu kämpfen hast.
Das Ende vom Lied war, dass auch dieser Läufer es nicht schaffte es nicht schaffte die 3 Stunden zu knacken. Er hatte einen derartigen Muskelkater, dass dieser sich über Wochen hinzog und sich anfühlte wie eine mittelschwere Verletzung.
Der Autor dieser Zeilen hat genug schlechte Erfahrungen mit diesen Gefällstrecken gemacht. In den Neunzigern und Anfang der 2000-er Jahre lief sich über lief ich neun Jahre lang jeden Sommer entweder den Davoser Swiss Alpin- oder den Landwasser-Lauf.
Beide Wettkampfstrecken waren am Anfang die selben und beinhalteten einen langen und steilen Aufstieg zu dem Dörfchen Monstein hinauf. Und von dort oben ging es in steilen Serpentinen etwa 400 Höhenmeter mit geschätzten 10% Gefälle nach unten zum Bahnhof Wiesen.
Da ich nun mit meinem Körpergewicht nicht gerade der beste Bergaufläufer war, kam auf diesem Streckenabschnitt meine Stunde. Mit langen Beinen und Riesenschritten "flog" ich nach unten und Freund und Feind wurden überholt. Nur als ich unten im Tal war, fühlten sich die Beine an wie Schaumgummi.
Alles was ich vorher überholt hatte, kam von hinten an und lachte sich über den langen Idioten fast schlapp. Erst in diesem Moment begann ich darüber nachzudenken, wie man mit einem solchen langen und steilen Gefälle umgehen muss.
Eigentlich war ich Bergablaufen gewohnt, aber unsere Gefälle Strecken im Harz waren zwar auch steil, aber ganz selten so lang wie die in der Schweiz. Bei der Betrachtung der Konkurrenz sah man, dass diese den Schritt nicht so lang machten wie ich. Und dennoch rasten sie den Berg herunter, wie der Teufel in Angst vor dem Weihwasserbad.
Also wurde die Taktik umgestellt von langen, auf kurze aber schnellere Schritte. Im kommenden Jahr probierte ich es dann aus und schon lief ich etwas langsamer den Berg herunter. Das hatte zur Folge, dass sich dort von mehreren Läufern überholt wurde, was ich bisher nicht kannte. Aber unten am Fuß des Berges im Landwassertal kam ich frisch ohne Gummibeine und voller Kraft an.
Hocherfreut war ich dann, als es möglich war innerhalb kürzester Zeit locker einige Mitläufer überholen zu können. In anderen Rennen setze sich diese Erfahrung fort und so empfahl ich meinen Schülern dieses Verfahren auch anzuwenden. Auch diese hatten damit durchgängig Erfolg.
Fazit dazu: Eigentlich fürchten wir Läufer lange und schwere Anstiege, aber wenn wir oben sind können wir trotz der großen Anstrengung, die wir hinter uns haben, rasch umstellen und entsprechendes Tempo im Flachen wieder aufnehmen. Das geflügelte Wort dazu: Du machst dich bergrunter kaputt nicht bergauf.
Einen Aspekt sollten wir beim Gefällelauf auch noch betrachten. Darüber habe ich schon einmal geschrieben und die nachfolgenden Zeilen sind heute noch so wahr wie damals: Es ist absolut auch nicht sinnvoll, den Berg runter zu ballern, wie ich es früher immer getan habe. Ich weiß heute, dass das speziell dem Knieknorpel gar nicht gut bekommt. Natürlich schmerzte auch mir nach langen sehr schnell gelaufenen Bergabstrecken die Knie, aber da diese Schmerzen nach ein paar Tagen wieder weg waren, habe ich dieses Verhalten fröhlich weiter durchgeführt.
Im Zeitverlauf lernte ich dann aber, dass dieser lange Bergrunter-Sprung den Knorpel im Knie beschädigte. Dieser heilte zwar wieder, aber es wurden nicht mehr Original-Knorpelzellen eingebaut, sondern minderwertiges Bindegewebs-Material. Dem Himmel sei Dank, dass ich dieses Wissen erwarb, bevor mein Knieknorpel völlig zerstört war.
Darum kann ich dir nur raten: Laufe bergrunter in kleinen schnellen Schritten, dann schonst du deinen Knorpel und die bremsende Muskulatur deiner Beine. Du wirst sehen, dass dich so ein Verhalten auch viele Plätze weiter nach vorne bringt, wenn du es in einem Wettkampf praktizierst.