Als Reaktion auf unserenNewsletter vom 09.07. 2013 erreichten mich zahlreiche Zuschriften, die sich mit dem Thema der Anpassung an sommerliche Bedingungen beschäftigten. Einer dieser Schreibenden bat mich, dass ich doch noch einmal etwas über Anpassungsläufe beschreiben solle. Er meinte, dass das Wissen über diese Art des Trainings unbedingt noch einmal aufgefrischt werden müsste.
Da hat er Recht, denn es ist lange her, seit an dieser Stelle darüber berichtet wurde, wie sich ein Mensch durch Adaptionstraining an Hitze gewöhnen kann. Kann man das denn? Ja, das ist durchaus möglich.
Das Wissen darüber ist nur etwas verloren gegangen und die Achtsamkeit gegenüber Anpassungserscheinungen oft nicht mehr vorhanden ist. Fakt ist, dass man lernen kann, auch bei hohen Temperaturen in Wettkämpfen schnell zu laufen.
Jetzt wirst du etwas skeptisch schauen, aber ich kann dir über meine eigenen Erfahrungen berichten. Anfang der Siebzigerjahre, kurz nach dem ich mit dem leistungsmäßigen Laufen begonnen hatte, war mein größter Horror vor Wettkämpfen die hohen Temperaturen.
Sinngemäß machte ich mich schon in die Hose, wenn auch nur die Sonne schien. Verkrampfung war die Folge und die Resultate der Rennen waren undiskutabel. Mein Glaube war, dass ich mit meinem hohen Gewicht mehr Wärme als Leichtgewichte produzierte und daher immer unter Hitze leiden würde.
Wenn das Thermometer oberhalb der 20 Gradmarke lag, bildete ich mir ein, überhaupt nicht mehr schnell laufen zu können. Der schon leider verstorbene Berliner Langstreckenläufer Bodo Hopp vom SCC riet mir damals, nicht immer morgens oder abends bei Hitzebedingungen im schattigen Wald zu trainieren. "Besser ist, du gehst auch einmal raus und läufst im vollen Sonnenschein im freien Feld", meinte er.
Diesen Rat nahm ich dankbar an und lief auch bei Gluthitze im offenen Gelände. Und es ist kaum glaublich, aber nach weniger als zehn dieser Trainingsläufe machten mir die hohen Temperaturen fast nicht mehr zu schaffen. Wobei ich anmerken muss, dass auch die Tempoläufe in diesem Rahmen absolviert wurden.
Nach vier Wochen war ich kuriert und konnte gar nicht abwarten, endlich wieder einmal einen Wettkampf bei Hitzebedingungen zu bestreiten. Dieses Rennen ließ nicht lange auf sich warten und schon fielen aufgrund der neuen Fähigkeiten, einige ehemals hämisch grinsende Holgers diesen zum Opfer.
"Wunderbar, dachte ich, jetzt weißt du wie es geht!" Ein Laufjahr endete und ein Neues begann. Erstes Rennen im Sonnenschein Ende April und Peter vergeigte es. Wie kann das nur sein, im Vorjahr klappte es doch?
Es dauerte eine ganze Zeit, bis mir klar wurde, dass ich in jedem Jahr die Hitzeadaption wieder geübt werden muss. Und das ist auch meine wichtigste Botschaft hier in diesem Text: Trainiere möglichst früh im Jahr in der vollen Sonne und lehre deinen Organismus mit den hohen Temperaturen umzugehen. Du wirst sehen, deine Zeiten im Sommer werden es dir danken.
Diese Erfahrung, dass eine Fähigkeit zu Saisonbeginn immer wieder aufgefrischt werden muss, prägte sich ein. Niemals wieder vergeigte ich einen Wettkampf wegen zu hoher Temperaturen. Ganz speziell in Erinnerung habe ich noch eine 10.000 m Berliner-Meisterschaft im Olympiastadion 1976.
Die allgemeinen Titelkämpfe endeten um 16:00 Uhr und zum Abschluss sollte das Langstreckenrennen gestartet werden. Das war so heiß, dass sich niemand auf der Tribüne aufhalten konnte, weil der Unterbau aus schwarzem Granit sich so aufheizte, dass dieser eher einem Grill ähnelte als einem Sitzplatz.
Der Veranstalter verschob dann den Start wegen der unerträglichen Hitze auf 19:00 Uhr. Aber auch dieser Zeitabstand brachte kaum Abkühlung und so sind wir dann alle losgelaufen. 70% der Teilnehmer stiegen aus und es gewann Ingo Sensburg. Die Zeiten waren miserabel, aber ich hätte niemals im Rennen den Gedanken auszusteigen, weil solche Hitzeläufe geübt waren. Meine Platzierung habe ich leider vergessen. Sie war aber sehr langsam.
Dieses Durchlaufen zu können und nicht aufgeben zu wollen, ist auch ein Teil des durch die Hitzeadaption erworbenen Selbstvertrauens. Dazu kann ich auch noch einmal eine weitere Anekdote beisteuern. Da ich sie, weil so ungewöhnlich, schon oft erzählt habe, bitte ich um Nachsicht, wenn du sie schon kennst.
Der heißeste Marathon, welchen ich jemals erlebt habe, war Mitte der achtziger Jahre in Daverden nahe Bremen. Dieser fand traditionell am 17. Juni, dem damaligen Tag der deutschen Einheit statt. Gleichzeitig fand ein 25 Kilometerlauf statt, an denen einige von unserer Mannschaft, der LG Seesen teilnahmen.
Der Autor dieser Zeilen plante seine Marathonzeit aus dem Jahr noch einmal zu verbessern. Wir reisten alle einen Tag vorher an und verbrachten die Nacht in einem kleinen Hotel nahe der Strecke. Diese Nacht war furchtbar, es war so heiß, dass wir kaum schlafen konnten. Wir lagen nackt auf dem Bett und schwitzen trotzdem.
Morgens um 10:00 Uhr erfolgte der Start, am Himmel zeigte sich keine Wolke, kein Lüftchen wehte und es waren schon am Morgen 30°C. Die Stimmung im Starterfeld war gedrückt, denn der Kurs führte zu 95% durch Felder und war somit völlig schattenlos.
Mir war bewusst, dass ich sehr gut an diese Hitzebedingungen angepasst war, denn ich hatte mein Training danach ausgerichtet. So dachte ich mir, heute wird hier alles sehr langsam loslaufen und das werde ich nicht mitmachen. Gesagt getan und ab ging so ein Irrer aus dem Harz und hatte schon nach 2 km 400 m Vorsprung.
Alles Weitere ist kurz berichtet. Von diesen 400 m lebte ich den ganzen Streckenverlauf über. Zwar war manchmal das Gefühl da, gleich umzufallen, aber ich blieb standhaft. Und ich war auch noch in der Lage, den Abstand ständig zu kontrollieren. Kam jemand näher, lief ich etwas schneller. So siegte dieser Irre aus dem Harz mit 2:32 Stunden, obwohl einige deutlich stärkere Läufer im Feld waren.
Dies nur zur Erklärung von Hitzeadaption und Selbstvertrauen. Beides gehört zusammen und ich kann dir nur raten, übe die Anpassung an hohe Temperaturen. Deine Wettkampfresultate werden es dir danken.