Kennst du Jan Frodeno? Vermutlich. Er ist einer von Deutschlands besten Triathleten. 2 mal Ironman-Weltmeister auf Hawaii und 2 mal Halb-Ironman Weltmeister. Den letzten Titel holte er mit seinen 37 Jahren am 02.09.2018 mit dem WM-Titel über die halbe Ironman-Strecke (1,9 km Schwimmen-90 km Rad-21,1 km Laufen) mit einer Gesamtzeit von 3:36:30 h.
Das Erstaunliche daran, das ließ mich auch zweimal hinschauen, war seine abschließende Laufzeit von 1:06:33 h über die Halbmarathon-Distanz. Wohlgemerkt nicht ausgeruht, sondern mit der Vorbelastung von 1,9 km Schwimmen und 90 km Radfahren. Das war die schnellste jemals erzielte Halbmarathonzeit in einem Triathlon. Mit dieser Zeit hätte er sich Anfang September in der deutschen Halbmarathon-Bestenliste unter den Top 20 platziert!
Jetzt könnte man wieder über die ach so geringe Breite in der deutschen Langstrecken-Spitze lamentieren. Oder man überlegt, warum Jan Frodeno solche Zeiten laufen kann, auch wenn er als Triathlet sicherlich keine 2 Laufeinheiten pro Tag absolvieren kann. Er ist auch kein früherer Profil-Läufer. Im Gegenteil, er begann als 15 jähriger mit dem Schwimmen. Das bedeutet, das gesamte Triathlon-Training aus Schwimmen, Radfahren, Laufen sowie Kraft- und Athletik insgesamt Einfluß auf die Laufleistung hat.
Für uns Läufer sind Schwimmen, Radfahren usw. meist nur ein Alternativ-Training. Und dies oft nur wenn wir verletzt sind. Du glaubst gar nicht wie viele Mails ich von Läufern bekomme, die aufgrund einer Krankheit oder Verletzung ihre Ziele bei ihrem Hauptwettkampf schwinden sehen. Das geht soweit, dass der Marathon abgesagt wird weil das Training aufgrund einer Verletzung eine Woche ausfallen musste. Dabei könnten wir uns viel häufiger das Alternativtraining nutzen.
Was ist denn eigentlich Ausdauer-Training? Ausdauer-Training ist Anpassung. Genauer gesagt Anpassung
- des Herz-Kreislauf-Systems sowie
- des Energie-Stoffwechsels.
Aha. Aber genau dies können wir doch auch mit Alternativtraining (z.B. bei Verletzungen) oder Ergänzungstraining wie
- Schwimmen
- Radfahren
- Aquajogging
- Ski-Roller
- Skaten usw.
erreichen. Ich selbst habe die Erfahrung gemacht, dass dies vor allem zum Form-Erhalt bei Verletzungen hervorragend funktioniert. D.h. solltest du dich verletzen, kannst du, wenn du Intensitäten und Umfang alternativ absolvierst, deine aktuelle Form über längere Zeit halten. Wenn du am Anfang der Saison stehst, kannst du sie auch aufbauen.
Wenn es auf auf hohem Niveau um das Erreichen von neuen Bestzeiten geht, dann muss natürlich das spezifische Lauftraining (Energiestoffwechsel im Muskel) absolviert werden. Für das Halten der Form oder den Aufbau bis annähernd an alte Leistungen ist das Alternativtraining geeignet.
Eine hervorragendes Beispiel für rein alternatives Training ist die Geschichte des ehemaligen Greif-Club-Mitglieds Tobias Sauter. 2007 konnte er für drei Monate keinen einzigen Schritt laufen, ein Muskel im Gesäß spielte verrückt. Er trainierte darum ausschließlich im Wasser. Und jetzt der Wahnsinn: Er stieg von einem Tag auf den anderen aus dem Wasser, ging an den Start des Mittelrhein Marathons und gewann diesen in 2:30 h!
Vom Schweizer Marathon-Rekordhalter Viktor Röthlin (2:07:23 h aus 2008) ist bekannt, dass er 3 Trainingseinheiten pro Tag absolvierte. Für die dritte Einheit ging er aufgrund der ansonsten zu hohen orthopädischen Belastung als Ergänzungstraining zum Aquajogging ins Wasser. Sein Schweizer Rekord spricht für sich.
Auch ich persönlich war 2006 durch „Alternativtraining“ in der Form meines Lebens. Nicht was die absolute Schnelligkeit anging, wohl aber die Ausdauerfähigkeit. Ich absolvierte von November 2005 an mein Ironman-Training. Ich hatte damals das Glück, 5 Monate in Südspanien weilen zu dürfen. Perfekte Trainingstemperaturen, leider oft zu viel Wind. Ich lief zwar im Training bis zum April zwischen 400 und 500 km im Monat, jedoch maximal im extensiven Dauerlauf-Tempo. Keinerlei Tempoläufe! Der Ironman war Mitte Juli, da brauchte ich im März noch keine Form. Die Intensität (und damit die Anpassung des Herz-Kreislauf-Systems) kam ausschließlich aus dem Schwimmtraining. Das war schon sehr intensiv. Mit Intervallen, Tests, usw. Beim Radtraining verpasste ich mir das einzige Mal in meinem Leben einen Pulsmesser und beschränkte die Radausfahrten durch die andalusischen Berge auf einen Höchstpuls von 130-140. Das war oft ein ruhiges Kraftausdauer-Training. Ergebnis? Ich lief Ende Februar den Sevilla-Marathon als Trainingsmarathon in 2:49:45 h. Am Montag vorher erreichte ich im Greif-Trainingslager in Conil (lag in der Nähe) den 10 km ohne Uhr als Test in 35:42 min. Als ich Mitte April nach Deutschland zurückkehrte hatte ich nur diesen einen Testlauf, jedoch keinen weiteren Tempodauerlauf oder ein Intervalltraining absolviert. Lediglich intensives Schwimmtraining und 2 Berg-Radtests auf einer über 7,6 km ansteigenden Strecke. Ansonsten langes und ruhiges Ausdauertraining als Lauf- vor allem aber als Radtraining. Noch im April standen 2 Lauf-Tests an. Eine Doppelbelastung im Spreewald von 200 km Radmarathon am Samstag und Halbmarathon-Lauf am Sonntag. Ergebnis des Halbmarathons: 1:19:39 h. Eine Woche später gab es in Berlin den Köpenicker Altstadtlauf auf einer DLV vermessenen Strecke. Die Überraschung: mit 33:32 min blieb ich nur ca. 50 Sekunden über meiner Bestzeit die ich 13 Jahre zuvor aufgestellt hatte. Damit hätte ich nicht im Traum gerechnet. Ab Mai startete ich dann mit Tempoeinheiten um die Form bis Mitte Juli noch zu steigern.
Dies zeigte mir deutlich, das auch das „Alternativtraining“ sehr wohl einen Einfluß auf die Laufleistung hat. Denn auch dieses führt letztlich ebenso wie das Lauftraining zur Anpassung des Herz-Kreislauf-Systems und des Energiestoffwechsels.
Fazit: Du kannst alternatives Ausdauertraining vielfältig nutzen. Im Falle einer Verletzung kannst du es nutzen um deine bisher aufgebaute Form aufrecht zu halten. Dein Körper vergisst das bisher geleistete Training nicht. Dein Wettkampfziel ist noch nicht verloren. Die oben genannte Anpassung erreichst du bis zu einem bestimmten Punkt auch alternativ. Du kannst auch regenerative Einheiten deines Lauftrainings durch Alternativtraining ersetzen. Oder als sehr ehrgeiziger Läufer nutzt du es als orthopädisch weniger belastendes Zusatztraining. Deine Lauf-Leistung wird es dir danken!